Rezensiert: Mrs Fry’s Diary

Mrs Fry’s Diary ist das Tagebuch, der lange verschwiegenen Frau von Stephen Fry, sagt zumindest diese selbst. Die Autorin klärt ihre Publikum darüber auf, dass Mr. Fry eigentlich gar nicht der coole, intelligente, engagierte Medienmensch ist, als der er sich selbst im Internet darstellt. Stattdessen verbringe er seine Zeit damit, in Karaokebars zu viel Bier zu trinken und sich dann peinlich zu benehmen. Einen guten Eindruck über den Inhalt ihres Buches vermittelt auch Mrs. Frys Twitterstream:

Aber Mrs. Fry enthüllt nicht nur Stephens schlechtes Benehmen: Auch die “five, six or possibly seven children” werden thematisiert. Dabei ist natürlich nur wichtig, wie gut sie selbst in deren Erziehung ist:

 

Bereits die digitale Leseprobe brachte mich so zum Kichern, dass das halbe Zugabteil mitleiden musste. Die Anschaffung des Buches stand für mich also außer Zweifel! Auch das Buch habe ich dann, vor mich hin kichernd, in einem Zug durchgelesen und war leider viel zu schnell damit fertig.

Auf Englisch erschienen bei Hodder kostet das Buch 8,80€.

Demnächst erscheint übrigens auch, das lang herbeigesehnte Standardwerk für Bräute von Mrs. Fry: How to have an almost perfect Marriage.

 

Reisebericht

Zu meiner Schilderung unserer Ausstellung “Kuh – Milch – Geschichten aus der Lüneburger Heide” gehört dringend ein Bericht über unseren letzen Tag vor der Eröffnung. Dieser war (nicht nur für mich) voller Kuriositäten und Pannen.

Dies begann schon am Bahnof, bevor ich in den Zug einsteigen konnte: Statt meiner Kommilitonen fand ich am Bahnsteig leider trinkende Fussballfans vor, die dort auch noch laut knallende Böller werfen mussten. Statt zu suchen machte ich mich also auf die Flucht nach vorn in den Zug – ohne Begleitung, dafür aber verwirrt, ob es der richtige Zug wäre. Ab hier begann eine verrückte Zugfahrt, die ich twitternd begleitete: Vier Stationen nach Beginn der Fahrt erst die Durchsage mit der Frage nach einem Polizisten an Bord und dann folgendes:

Erstaunlich schnell, nur fünf Minuten später konnten wir jedoch schon weiter fahren. Doch damit nicht genug: Natürlich muss ein Jungesellenabschied auf dem Weg nach Hamburg im Zug zu Wucherpreisen Kleinigkeiten verkaufen. Das Schlimmste daran war jedoch der rückwärtige Anblick, des Noch-Jungesellen: Halb offenes OP-Hemd mit Tigertanga…

Am Bahnhof in Suderburg traf ich dann immerhin doch die gesuchten Kommilitonen, die sich natürlich auch im Zug befunden hatten. Wir wurden auch glücklich abgeholt und zum Museum gebracht, wo wir bei den letzen Vorbereitungen halfen. Währenddessen waren wir allerdings nicht die einzigen mit Abenteuer: unsere Dozentinen, die alle Ausstellungsbände im Gepäck hatten, schafften es mit dem Auto nur gerade so noch auf den Museumsparkplatz. Der angerufene ADAC-Mann zeigte sich wenig freundlich und hilfsbereit, als er zur Pannenhilfe gerufen wurde.

Den Rest des Tages verbrachten wir dann allerdings recht unaufgeregt mit den letzten nötigen Vorbereitungen: Wir brachten die letzen Ausstellungstexte an, putzten mehrfach die Halle, schraubten Plexiglas vor Regale und stellten Glaswände vor Objekte. Mit allem endlich, gerade noch, immerhin fertig geworden fielen wir spätabends erschöpft und auf die Eröffnung gespannt in unsere Betten.

Museum: Austellungseröffnung Kuh-Milch-Geschichten

Letzen Sonntag hatten wir große Ausstellungseröffnung.  In Zusammenarbeit mit dem Museumsdorf Hösseringen haben wir Studierende (Kulturanthropologie; Uni Göttingen) eine Ausstellung zum Thema Milch erarbeitet.

Projektgruppe der Ausstellung Kuh-Milch-Geschichten aus der Lüneburger Heide

Milch als nicht lange haltbares Lebensmittel ist nun auf den ersten Blick vielleicht nicht das am nächsten liegende Thema für eine Ausstellung. Durch Interviews und Gespräche mit Milchbauern und Molkereiarbeitern,Teilnehmende Beobachtung und der historischen Beschäftigung mit dem Thema Milch, sind wir dem Thema aber letztendlich doch nahegekommen.

In verschiedenen “Inseln” und dem Begleitband zur Ausstellung können nun unsere Ergebnisse angesehen werden. Für die Ausstellung haben wir uns alle Mühe gegeben mutimedial zu sein. Es gibt nicht nur sehr viele Ausstellungsobjekte, sondern auch Hörstationen, mit Ausschnitten aus Interviews, die wir geführt haben und Videoinstallationen.

Betritt man die Ausstellungshalle steht man zunächst vor einem großen Milchtetrapak, in dem neben der Erklärung, warum wir uns überhaupt mit Milch beschäftigt haben, auch ein wunderbarer Milchhimmel zu finden ist.

Milchhimmel

Die leere Milchflasche

Die leere Milchflasche - Symbol für die Nichtausstellbarkeit von Milch

Anschließend geht es um das Tier “Kuh” und die Berufe Landwirt und Melker, bevor die Entwicklungen in der Milchproduktion und Milchverarbeitung gezeigt werden. Eine Insel beschäftigt sich mit der Kontrolle der Milch.

Milchlabor

Durch aufwändige chemische Analysen wird deren Qualität sichergestellt und die Milch so zu einem der am stärksten kontrollierten Lebensmittel. Eine wichtige Rolle spielt dabei die “Milch der Wahrheit”. Diese ist ein chemisch hergestelltes Vergleichsprodukt, an dem alle echte Milch gemessen wird.

Milch der Wahrheit

Außerdem beschäftigt sich die Ausstellung mit der Milchwirtschaft im Nationalsozialismus: Milchgesetzte und Butterreinheitsgebote spielen in dieser Station eine wichtige Rolle. Ebenso spielt der Wandel im Transport der Milch eine Rolle. Es wird die Entwicklung von der Milchauslieferung per Rad und Hundekarre bis zur Langstreckenlieferung von Milch heute gezeigt.

Fahrradkurier für Milch

Milchtransport mit Hundekarre

Zuletzt werden in der Ausstellung einige kritische Positionen zur Milch angerissen: Sowohl die immer weiter verbreitete Laktoseintoleranz als auch der freiwillige Verzicht auf Milch spielen hier eine Rolle. Für die Darstellung von Veganismus durften wir verschiedene Blogartikel verwenden, die in einer Medienstation gezeigt werden.

vegane Blogs

Mein herzlicher Dank für die Erlaubnis der Verwendung geht noch mal an unsere zitierten Blogeinträge:

Den krönenden Abschluss der Ausstellung bildet ein Milchladen, der dem Museum nach der Auflösung als kompletter Bestand überlassen wurde.

Milchladen

 

Die Ausstellung läuft noch bis Oktober 2013.

  • Öffnungszeiten des Museums:

15. März bis 31. Oktober
Dienstag bis Sonntag von 10.30 – 17.30 Uhr
montags an Feiertagen von 10.30 – 17.30 Uhr

  • Eintrittspreise:
Erwachsene 4,50 Euro
in Gruppen ab 10 Personen 4,00 Euro
Gruppenführung 30,00 Euro je Stunde + Eintritt
Familienkarte (2 Erwachsene mit Kindern bis 16 Jahre)  9,00 Euro
Familien-Jahreskarte (2 Erwachsene mit Kinder bis 16 Jahre) 25,00 Euro
Kinder (6-16 Jahre) 1,00 Euro
Betreute Schulklassen (pro Person und Stunde) 2,00 Euro

Rezensiert: Maria Christina – Tagebuch einer Tochter

Der Roman, der sich um die Heiratspläne der Lieblingstochter von Maria Theresia, Maria Christina, dreht scheint sich auf den ersten Blick vor allem durch Rosafarbigkeit auszuzeichnen. Nicht nur der Einband, sondern auch die kompletten Seiten des Buches sind rosa. Neben einem seltsamen Lesegefühl, hat das eine unnötige Eingrenzung der Leserschaft zur Folge. Obwohl der Roman einigermaßen verlässlich recherchiert ist, und so durchaus als biographischer Roman verkauft werden könnte, muss er jetzt auf den Tischen mit seichten, rosafarbenen und kitschigen Liebesromanen für Frauen landen. Eine Kategorisierung die das Buch nicht verdient hat.

Denn der Roman ist eine gut erzählte, abwechslungsreiche, Geschichte. In der Mitte des Buches wurde sie mir etwas langatmig, da für den Leser die Entwicklung schon lange eindeutig ist, während Maria Christina immer noch unsicher ist. Das Ende dafür ist leider beinahe zu abrupt, an dieser Stelle hätte ich mir tatsächlich gewünscht, der Roman wäre eine echte Biographie und ginge nun noch weiter.

Erzählt wird die Geschichte als Tagebuch Maria Christinas, in dem auch immer wieder Briefe anderer Personen zitiert werden, die eine größere sprachliche Vielfalt zur Folge haben. Leider ist nicht ganz sicher, ob dies echte Briefzitate sind. Die Autorin hat sich aber wohl mit dem vorhandenen Briefkonvolut beschäftigt, die Briefe sollten deshalb nicht völlig aus der Luft gegriffen sein. Auch an diesem Punkt wäre eine Romanbiographie deutlich mehr nach meinem Geschmack gewesen.

Maria Christina – Tagebuch einer Tochter von Rebecca Novak ist 2010 im Dreesbach Verlag erschienen und kostet 18€.

Rezensiert: Flavia de Luce Krimis

Nachdem ich seit langer Zeit keine Krimis mehr gelesen habe – meine Krimihochphase lag eindeutig in meiner Mittelstufenzeit – wurde ich von einer Freundin auf Alan Bradleys Flavia de Luce Krimis aufmerksam gemacht. Den erste Band habe ich dabei noch auf Deutsch gelesen. An einem trüben Herbstnachmittag musste ich das Buch in einem Rutsch durchlesen, sonst hätte ich die Spannung auf keinen Fall ausgehalten. Vom ersten Band angefixt, was das Bedürfnis hoch auch die beiden Folgebände zu lesen. Diese sollten aber unbedingt auf englisch sein, denn die Fehlübersetzung des Titels The sweetness at the bottom of the pie  (deutsch: Mord im Gurkenbeet), versprach viel mehr Wortwitz und Sprachgenuss im Original. Nachdem ich in einer Bahnhofsbuchhandlung zunächst den dritten Band erstehen konnte und ihn sofort im Anschluss an den ersten verschlang, ging mir die 13-jährige Hauptfigur Flavia de Luce allerdings ein klein bisschen auf den Keks. Sich selbst als Chemiegenie verstehend, mit den großen Schwestern im Dauerclinch liegend und sehr selbstbewusst und besserwisserisch, war so viel Flavia auf einmal etwas anstrengend. Nach einem halben Jahr Pause konnte ich dann allerdings endlich auch Band zwei wieder mit Genuss lesen.

Die Krimireihe handelt davon, wie die dreizenjährige Halbwaise Flavia  verschiedene Morde in ihrem kleinen englischen Heimatdorf vorallem durch ihr chemisches Wissen aufklärt. Im Miss-Marple-Stil profitiert Flavia bei ihren Nachfragen, dass sie als neugieriges Kind völlig unauffällig ist und die Menschen ihr Dinge erzählen, die sie sonst nicht sagen würden. So kann sie mit ihren Ermittlungen schneller sein als die lokale Polizei und dem zuständigen Inspektor ordentlich in die Arbeit pfuschen.

Und während zu viel der Bücher auf einmal durchaus anstrengend ist, hoffe ich inzwischen längst wieder auf eine Fortsetzung der Reihe.

Die bisher erschienenen Flavia de Luce-Romane von Alan Bradley heißen:

The Sweetness at the Bottom of the Pie
A Red Herring without Mustard
The Weed That Strings the Hangman’s Bag
Sie sind bei Bantam Books erschienen und kosten etwa 8€.

In deutscher Übersetzung von Katharina Orgaß und Gerald Jung heißen die Romane:
Mord im Gurkenbeet
Halunken, Tod und Teufel
Mord ist kein Kinderspiel

Die Gleichberechtigung und die Frauenquote

Dass Frauen in unserer Gesellschaft nicht gleichberechtigt sind – eine Tatsache, die viele bestreiten, oder gar nicht wahrnehmen – zeigt am deutlichsten Geschlechterverhältnis auf dem Arbeitsmarkt. Frauen verdienen weniger als Männer, arbeiten eher in Berufen, die schlecht bezahlt sind, werden auch in vergleichbaren Positionen schlechter bezahlt als Männer, haben mit der Geburt von Kindern häufig einen Karriereknick und sind in Spitzenpositionen schlecht bis kaum vertreten.

Das momentan beliebteste Mittel zur Lösung zumindest eines dieser Probleme ist die Frauenquote. Durch eine gesetzliche Regelung sollen Unternehmen gezwungen werden, endlich mehr Frauen in Führungspositionen einzustellen – und zwar nicht nur als Personalchefinnen. Bisher ist dies scheinbar die einzige Position, für die Unternehmen Frauen als qualifiziert genug erachten. Eine Lösung des Problems durch Selbstverpflichtung der Unternhemen, mehr Frauen in Führungspositionen einzustellen, blieb bisher folgenlos.

Das beliebteste Argument gegen eine Frauenquote ist, dass danach die Besetzung von Stellen nicht mehr allein nach Qualifikation des Bewerbers geschehe. Meinen Beobachtungen nach wird dieses Argument vor allem von Männern gebracht, die um ihre Wettbewerbschancen bangen. Denn: Frauen und Männer sind inzwischen gleich gut ausgebildet. Statistiken zeigen sogar einen leichten Vorteil der Frauen, wenn es um Qualifikation geht. Dass dennoch hochranige Stellen überwigend mit Männern besetzt werden, zeigt also, dass nicht “Qualifikatioin” sondern “Männlichkeit” das entscheidende Kriterium ist. Das Konzept einer Frauenquote ist nämlich nicht, dass mehr Frauen eingestellt werden müssen, sondern dass bei gleicher Qualifikation Frauen vor Männern bevorzugt eingestellt werden müssen, und dies solange bis ein bestimmter Prozentsatz von Stellen mit Frauen besetzt worden ist. Ein Prozentsatz der unter dem Anteil von Frauen an der Bevölkerung liegt, wohlgemerkt. An Universitäten ist diese Regelung übrigens schon üblich – ohne, dass dies bisher zu schwerwiegenden Problemen in der wissenschaftlichen Praxis geführt hätte.

Allerdings muss ich auch anmerken, dass das wirkliche Problem am Arbeitsmarkt meiner Meinung nach nicht durch eine Frauenquote lösbar ist. Denn der Anteil von Frauen in Führungspositionen ist nicht das grunsätzliche Problem. Vielmehr werden Frauen am Arbeitsmarkt generell benachteiligt. Dabei spielen alle oben genannten Probleme zusammen.
Dass Frauen weniger verdienen und einen Karriereknick haben hängt ebenso zusammen, wie Kinderkriegen und Aufstieg in der Hierarchie. Die Frauenquote löst keines dieser Probleme. Vielmehr müsste es ein breites Umdenken am Arbeitsmarkt geben. Lösungen, die Kinder- und Arbeitnehmerfreundlich sind. Flexible Arbeitszeiten und Teilzeitmodelle für Frauen und Männer. Die Möglichkeit von zuhause zu arbeiten…
Nur so kann das Problem eines Karriereknickes für Frauen gelöst werden. Gleichzeitig werden auch nur so auch Männer wirklich gleichberechtigt. Nur wenn auch sie flexibel zuhause anwesend sein können, haben sie wirklich Zeit und Gelegenheit sich um Kinder und Familie zu kümmern. Einen Anspruch, den moderne Männer theoretisch ja durchaus haben.

Das Ziel ist eben nicht Frauen mehr arbeiten zu lassen, sondern echte Gleichberechtigung zu erreichen.

Frauen auf Twitter – Nachtrag zum Weltfrauentag

Während Männer gestern Blumen an Frauen verteilt haben (Warum? Wir schenken Männern doch auch keine Imbusschlüssel zum Weltmännertag!) hatte @lisafuchs die Idee, dass wir Frauen ja zumindest in sozialen Netzwerken und besonders in Twitter auch ganz einfach selbst dafür sorgen können, dass unsere Stimme Gewicht bekommt. Ihr Blogeintrag dazu findet sich hier: http://weblog.datenwerk.at/2012/03/08/twitter-sisters-unit

Ich zitiere eine Kurzfassung ihres 6-Punkte-Plans:

1.) Frauen folgen!
2.) Standort angeben! (Nur so kann man in länderspezifischen Rankings auftauchen)
3.) Frauen retweeten!
4.) Frauen markieren!
5.) Frauen empfehlen!
6.) Listen anlegen!

Also liebe Frauen (und Männer): legt einen Twitteraccount an, folgt anderen Frauen (und Männern) und seht zu, dass ihr Frauen, die ihr gut findet, häufiger erwähnt, retweetet und mit Sternchen belohnt. Mit den Männern machen das sowieso alle. (Also bitte nicht angegriffen fühlen, liebe Männer)

Die ersten praktischen Umsetzungen folgten heute auf Twitter bereits. Und ich muss sagen: die Eigendynamik von Twitter wirkt: mehr Follower führen dazu, dass ich mich auf Twitter gehört, interessant und akzeptiert fühle, ich twittere mehr, ich bekomme mehr Reaktionen und twittere mehr. Mehr tweets führen zu mehr Followern…

Nebenbei und weil ich mich gerade mal wieder mit einem historischen Frauenthema beschäftige: es gibt unzahlige Twitteraccounts zu berühmten historischen Männern. Lasst uns welche zu Frauen starten. Genug interessante Frauen gibt es schließlich!

Ziemlich beste Freunde

Nach langer Zeit war ich mal wieder im Kino – und während ich die meiste Zeit des Jahres beim Blick ins Kinoprogramm denke “Ja nett, aber dafür 5 bis 10 € ausgeben?” habe ich momentan bei einer Reihe von Filmen das Gefühl: “Cool, muss ich sehen!”

Und nach den begeisterten Berichten im Bekanntenkreis habe ich es nun in “Ziemlich beste Freunde” geschafft.

Das wunderbare am Film ist, dass der locker Umgang Driss’ mit dem vom Hals abwärts querschnittsgelähmten Philippe auch die Zuschauer immer wieder vergessen lässt, dass dieser behindert ist. Obwohl er nichts selbständig unternehmen kann, ist er eben doch ein Mensch mit Gefühlen, Bedürfnissen und Gedanken. Und folglich ist es am Besten, wenn man ihn respektvoll und vor allem normal behandelt. Dass Philippe, der unglaublich viel Geld hat, allerdings in einer sehr privilegierten Lage ist, die all das viel einfacher macht thematisiert der Film nicht. Allerdings hat eine behinderte Person, die sich vom Gärtner bis zur persönlichen Assistentin jeden Bediensteten leisten kann, auch keine Probleme, wenn es um die medizinische Versorgung geht. Ärztin, Bewegungstherapeutin und persönlicher Pfleger erleichtern das Leben ungemein.

Und so tragen eben nicht nur Driss’ Umgang mit Philippe und die schlagfertigen Dialoge sondern auch die gesamte Ausstattung des Filmes dazu bei, dass man sehr gerne vergessen möchte, dass Philippe behindert ist.

Den Bechdeltest besteht der Film nicht. Ganz im Gegenteil. Die toughe, selbstbewusste und gut aussehende persönliche Assistentin Magalie, muss sobald sie in Driss’ Blickfeld gerät, dessen anzügliche Blicke und Bemerkungen über sich ergehen lassen.

Verspäteter Nachruf für Wisława Szymborska

Am 1. Februar 2012 verstarb die polnische Nobelpreisträgerin Wisława Szymborska (sprich: Wiswawa Schimborska) in Krakau. Dass sie in Deutschland nicht so bekannt ist, ist sehr schade, da ihre Lyrik (wunderbar übersetzt von Karl Dedecius) unmittelbar ist.

1923 in Bnin bei Posen geboren, zog sie 1931 nach Krakau, wo sie bis zu ihrem Tod lebte. Dort legte sie ihr 1945 ihr Abitur ab, studierte zeitweise Soziologie und polnische Literatur an der dortigen Jagiellonen – Universität, und versuchte sich aber bald als Schriftstellerin. 1945 veröffentlicht sie zum ersten Mal ein Gedicht. Ein erster Gedichtband von ihr wurde abgelehnt, da er der Zensur zum Opfer fiel. Daraufhin verfasste Szymborska systemkonforme Gedichte, im Stil des Sozialistischen Realismus, von denen sie sich später wieder distanzierte.

Erst ab circa 1954 begann sich ihre eigene Lyriksprache mehr herauszubilden. Die Beobachtung des Augenblicks wurde ihre Stärke.

Sie erhielt mehrere Auszeichnungen, darunter den Nobelpreis für Literatur 1996.

Unmittelbar, direkt und einfach sind die Adjektive, die für mich persönlich ihre Gedichte kennzeichnen. Sie sind reimlos (sowohl im Polnischen als auch im Deutschen), aber was vor allem beeindruckt, ist die Wortwahl und der Inhalt.

Sie berühren den Leser, auch wenn sie scheinbar nur Alltagssituationen einfangen. Oft haben ihre Gedichte einen leicht melancholischen Ton, und das abstrahieren von Alltag auf Lebensphilosophie geschieht eher beiläufig.

Wer Lust hat ihre Gedichte einmal selbst zu lesen, findet hier eine kleine Bibliographie ihrer erschienen Werke und Sekundärliteratur.

Warum Literaturwissenschaftler keine Kulturwissenschaftler sind

Mit dem Beginn meines Masterstudiums habe ich mein zweites Studienfach gewechselt. Statt Kulturanthropologie und Germanistik studiere ich nun Kulturanthropologie und Komparatistik. In der Kulturanthropologie wurden wir bereits im Bachelorstudium – unter anderem ein einem eigenen Seminar “Kulturtheorie” – ausführlichst mit den Theorien und Methoden der Kulturwissenschaften gedrillt. Darüber hinaus spielen die Theorien zu den behandelten Themenfeldern auch in allen anderen Seminaren eine bedeutende Rolle. Die meisten Seminare beginnen damit, dass in den ersten Sitzungen des Semesters grundlegende Texte zum jeweiligen Thema erarbeitet werden. Auch auf die allgemeineren, in den Kulturtheorien vermittelten, Theorien wird immer wieder Bezug genommen. Ich wage also zu behaupten, dass ich eine gewissen Kompetenz in Kulturtheorien mitbringe.

Und nun studiere ich also Komparatistik.Das Fach wurde in Deutschland erst in den 1950er Jahren institutionalisiert und ist folglich an den Philosophischen Fakultäten noch relativ jung. Darüber hinaus steht es in großer Konkurrenz zu den Einzelphilologien und muss sich beständig abgrenzen und in seiner Existenz rechtfertigen. Als große Vorteile des Faches werden besonders die sprach-, literatur-, medien- und künsteübergreifende Analyse von Literatur hervorgehoben. Dass folglich der “cultural turn” und kulturwissenschaftliche Methoden von großer Bedeutung für die Komparatistik sind, scheint offensichtlich. So wird sowohl in Einführungsveranstaltungen als auch in der  Einführungsliteratur immer wieder betont, wie wichtig die kulturwissenschaftlichen Methoden und Ansätze auch für die Komparatistik sind. Dennoch steht die Komparatistik auch hier vor dem Problem der Abgrenzung. Ebensowenig wie sie reine Literaturwissenschaft sein möchte, möchte sie echte Kulturwissenschaft werden. Zwischen den Fächern schwankend wird drüber gesprochen, wie wichtig neue Ansätze wären, während gleichzeitig weiterhin im Großen und Ganzen die alten Methoden verwendet werden. Wie wenig sich die Komparatisten tatsächlich auf kulturwissenschaftliche Ansätze einlassen, zeigt sich immer wieder daran, dass diese nur in groben Auszügen rezipiert werden. So werden zum einen nicht die am Besten umsetzbaren Methoden sondern die bekanntesten ins Fach geholt. Beispielhaft dafür steht die Zitation der Foucaultschen Diskursanalyse als Methode – die als solche auch gelernten Kulturwissenschaftlern Schwierigkeiten bereitet – statt als Erklärungssystem des Ablaufes von Wissensorganisation. Zum anderen fehlt die gründliche Verortung der Methoden. Kulturwissenschaftliche Ansätze werden nicht auf ihre Ursprünge verfolgt oder gar im – übertrieben formuliert – im Original gelesen. Statt eine Methode zunächst in ihrer eigentlichen Funktion zu verstehen und erst anschließend auf ihre Übertragbarkeit zu prüfen, werden vielversprechend klingende Ansätze sofort für die Literatur adaptiert. In der Folge scheinen dem Kulturwissenschaftler viele kulturwissenschaftliche Ansätze in der Komparatistik seltsam verdreht. Hinzu kommt natürlich, dass für die Komparatisten, die trotz allem immer noch Literaturwissenschaftler sind, die Literatur  allen und nicht die Literatur im Zusammenhang mit der Kultur im Vordergrund des Erkenntnisinteresses steht. In der Folge sind viele Fragestellungen, die über die Literatur hinausgehen tabu – und dies trotz der im Fach propagierten Offenheit. Gerade Fragen nach den Aussagen, die Literatur über Kultur und Gesellschaft trifft, werden so ausgeklammert – obwohl gerade sie es sind, die hervorragend mit einer Kombination aus kulturwissenschaftlichen und literaturwissenschaftlichen Methoden (und dem Ansatz der Diskursanalyse) beantwortet werden könnten.

Literaturwissenschaftler als Kulturwissenschaftler? Ein schöner Traum.