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Der richtige BH – Teil 1

Wie funktionieren BH-Grössen überhaupt?

Je nach Quelle variieren die Zahlen, aber angeblich tragen über 80% aller Frauen den falschen BH. Betrachtet man jedoch die angebotenen Größen, stellt sich die Frage, ob die Zahl nicht noch viel höher liegt. Das Hauptproblem ist wohl, dass viele Frauen nicht einmal wissen, wie sie den richtigen BH finden.

Wie wichtig das Thema „der richtige BH“ ist, zeigen nicht nur diverse Frühstücks-TV-Shows, sondern auch der Wikipedia-Artikel zu BHs. Dort wird unter anderem mit „Häufigen Irrtümern“ aufgeräumt:

Viele Frauen [und Männer und Menschen im Allgemeinen, Anm. von mir] denken in Kategorien A = kleine Brust, B = mittelkleine Brust, C = mittelgroße Brust, D = große Brust, E und größer = sehr große Brust. Wenn ihnen 75C im Körbchen zu klein ist, weichen sie daher nicht auf 75D, sondern auf 80C aus. Da die BH-Größen vieler Hersteller aber nicht den offiziellen Tabellengrößen entsprechen, sind bei passenden BHs kleine Brüste in Bereich um Körbchengröße D zu finden und große Brüste etwa bei Körbchengröße K[13]

Der Brustumfang ist kein direktes Maß für die Brustgröße. Der Brustumfang 90 wird oft mit Üppigkeit assoziiert und gilt weithin als Schönheitsideal. Tatsächlich aber ist dieser Wert ohne Aussagekraft, da er, je nach Unterbrustweite, den völlig unterschiedlichen Brust- und BH-Größen 70D, 75B oder 80AA entsprechen kann.

Die Körbchengröße ist kein direktes Maß für die Brustgröße. Gleiche Differenzen der Umfänge von Brust und Unterbrust ergeben zwar gleiche Cup-Bezeichnungen, dennoch (oder deswegen) ist die Körbchengröße nur ein relatives Maß. Körbchen gleicher Bezeichnung fassen mit zunehmender Unterbrustgröße auch ein größeres Volumen, so dass trotz „gleicher“ Körbchengröße eine Brust mit 75B effektiv kleiner als eine mit 85B, bzw. eine von der Bezeichnung kleinere Körbchengröße kann effektiv größer sein, als es der nominal größere Buchstabe suggeriert.

Weder Brustumfang noch Cupgröße sagen etwas über die Größe der Brust aus. Stattdessen zeigt der Artikel jedoch wie die Größe des Körbchens berechnet wird: Die Cupgröße wird durch die Differenz von Brustumfang und Unterbrustumfang bestimmt.

Diese Größen werden auch in einer EU-Norm bestimmt. An die sich die Hersteller jedoch nicht halten, so dass sämtliche Größentabellen immer nur Richtwerte sind beziehungsweise ausschließlich für die Marke gelten, zu der sie gehören. Hinzu kommt, dass es außerdem gerade zwischen englischen und französischen Dessous große Unterschiede gibt: Während in England Cups eher groß ausfallen, sind sie in Frankreich eher kleiner. Außerdem wurden die Größenangaben für Unterwäsche – im Gegensatz zu denen für Oberbekleidung in den letzten Jahren weit weniger stark angepasst. In der Folge hat passende Unterwäsche eine größere Größe als passende Oberbekleidung.

TEIL 2

TEIL 3

CD und Filmtipp: “Tanzt, tanzt sonst sind wir verloren”

Ein Film über eine außergewöhnliche Tänzerin und ihre Companie hätte es werden sollen. Wim Wenders trug die Idee zum Film schon lange in sich, setzte sie aber nicht um mangels geeignetem Medium, da ein normaler Film viele Dimensionen des Tanzens gar nicht zeigen kann. Nachdem er 2007 den 3D-Film von U2 über ihre Tour sah, war er begeistert und wollte den Film mit Pina Bausch in 3D umsetzen.

Nachdem 2008 gemeinsam die Vorarbeiten mit Pina begonnen hatten, d.h. die Stücke ausgewählt wurden und Anfang 2009 das Filmprojekt sich zu konkretisieren begann, starb Pina Bausch unerwartet am 30. Juni 2009. Trotz des großen Verlusts begann Wim Wenders die geplanten Stücke zu filmen und ergänzte die durchchoreographierten Stücke wie “Le Sacre du Printemps” oder “Cafe Müller” um persönliche Stücke von Pinas Ensemble: tänzerische Antworten auf die Frage “Was hat Pina für dich bedeutet? Was hat sie dir mitgegeben?”. Dadurch entsteht ein persönlicher Blick auf Pina Bausch, der jedoch viel intensiver ausfällt, weil im Tanz, Pinas Element, viel mehr gesagt werden kann, als nur mit Worten.

Wunderbar sind auch die Musikstücke, zu denen sich die Tänze abspielen, z.T. extra für den Film komponiert, drücken sie fast immer eines aus: Sehnsucht. Und diese Sehnsucht nach Pinas Person spürt man nicht nur in der Musik sondern auch in der ihr gewidmeten Tänzen. Sei es das Paar, das scheinbar schwerelos auf Treppen spazierengeht, wobei die Frau alle paar Schritte radikal senkrecht nach vorne fällt – und ihr Partner sie 3 Zentimeter vor dem Boden auffängt. Oder sei es eine Tänzerin, die jauchzend über Stühle geht und im Umfallen der Stühle einen Moment der Schwerelosigkeit darstellt. Es gibt auch einen Soundtrack mit den herrlichen Stücken.

Neben den berührenden, aber auch teils unverständlichen Tänzen, ist auch die Wahl der Orte ungewöhnlich: Man meint Tanz müsse immer auf einer Bühne stattfinden, dabei bietet eine Stadt viel interessantere und abwechslungsreichere Orte, wie eine Straßenbahn, eine Straßenkreuzung, ein Glashaus im Park oder eine Kohleabbaugebiet. Es ist gerade auch die Kulisse Wuppertals, die den Tanz eine zusätzliche Dimension verleiht.

Nicht zuletzt prägen die Personen selbst ihre Tänze: Wer nur das Schema drahtiger junger Männer und junger Frauen im Kopf hat, wird “enttäuscht”: Pina Bauschs Ensemble bietet alle Alterstufen auf und durch die Filmtechnik des 3D kommt man den Menschen unglaublich nahe und sieht die Zeit in ihrer Haut, aber auch die Erfahrung in ihren Bewegungen.

Mittlerweile ist der Film auf DVD erschienen und durch die Zweidimensionalität geht viel von der Unmittelbarkeit des Films verloren, ist aber dennoch sehenswert.

Mehr Informationen unter: www.pina-film.de

 

Ausflug in die Gastronomie

Der erste Abschnitt des Studiums ist geschafft. Nennt mit Bakkelaurea :). Dieser (Etappen-)Sieg muss natürlich angemessen begangen werden. Und was bietet sich dafür besser an als ein opulentes Festmahl? Anbetracht der den Ansprüchen nicht genügenden gastronomischen Situation Göttingens und den kulinarischen Fähigkeiten im erweiterten Familienkreis, planten wir ursprünglich eine mittelgroße Kochorgie im privaten Kreise. Als dann jedoch kurzfristig jegliche Raumplanung zunichte gemacht wurde, herrschte erst mal großes Chaos. Neuen Personen passen nun mal nicht zum Kochen und Essen in ein Einzimmerapartment. Außerdem ist im durchschnittlichen Studentenhaushalt ja nicht mal genügend Geschirr und Besteck vorhanden. Das Chaos wurde also noch größer. Erhitzte Diskussionen über das angemessene Ausweichrestaurant drehten sich im Kreise. Mehrfach. Schließlich wurden Top-3 bestimmt. Dann brachten Nachfragen im Freundeskreis einen Insidertipp und der Besuch einer Kundschafterin im Restaurant  führe zu sofortiger Reservierung.

Und so fanden wir uns Samstag Abend, Diskussionen vergessend und voller Vorfreude im Planea Basic ein.

Und was soll ich sagen, die “natürlich, regionale” Küche hat uns nicht nur auf dem Papier überzeugt. Und vegetarische Sonderwünsche waren fast zu einfach zu erfüllen. Angefangen beim ganz besonders leckeren, frischen und warmen Kartoffelbrot mit Dipps (allein die Erinnerung), über den Gruß aus der Küche, die hervorragend zubereiteten Hauptgänge und die wunderbaren Nachspeisen – unser schweigendes Schlemmen sprach für sich. Außerdem wurden wir vom Team ganz hervorragend umsorgt, so dass kein Wunsch offen blieb.

Und obwohl die Preise meinem üblichen Budget nicht ein mal gerade so noch entsprechen, steht das Planea Basic auf meiner Liste für den nächsten Restaurantbesuch mit besonderem Anlass definitiv ganz weit oben.

Filmtipp: Alles was wir geben mussten – ein Horrorfilm ohne Monster

Regie: Mark Romanek

Drehbuch: Alex Garland, basierend auf Kazuo Ishiguros Buch

mit Carey Mulligan, Keira Knightley und Andrew Garfield

Wer mal wieder Lust hat auf einen ergreifenden, aber auch entsetzenden Kinofilm, sollte in Mark Romaneks Verfilmung von Kazuo Ishiguros Sciene-Fiction-Roman „Alles was wir geben mussten“ gehen.

Der Film beginnt mit dem Rückblick von Kathy H., die auf ihre glückliche Kindheit Mitte des 20 Jahrunderts in Hailsham zurückblickt – alles scheint unbeschwert; ein englisches Internat in typischen Backsteinstil, große Schlafsäle und strenge Erzieherinnen.

Gegen diese scheinbare Idylle spricht die erste Szene – Kathy H., die melancholisch auf einen Mann blickt, der gleich operiert wird. Dieses anfängliche Unbehagen wird beim Zuschauer subtil gesteigert, durch Beobachtung der wöchentlichen Gesundheitsuntersuchung, die streng durchgeführt wird oder der morgendlichen Einnahme von gesundheitsfördernden Mittel.

Regelmäßig kommt auch eine Frau, die Bilder für ihre Galerie auswählt – die besten Werke aus dem Kunstunterricht, was auch für die Kinder eine besondere Ehre bedeutet.

Erst als eine progressivere Aufsicht, Miss Lucy ihrer Klasse, worin Kathy mit ihren Freunden Tommy und Ruth sitzt, die Wahrheit über ihre Existenz verständlich erklärt, wird Sinn und Zweck von sportlicher Betätigung und ärztlichen Untersuchungen klar: Alle Hailsham-Schüler sind im Grunde nichts anderes als Organspender – nur aufgezogen, um als Ersatzteillager für andere Menschen zu dienen.

Nach Abschluss der Schule kommen Kathy, Ruth und Tommy gemeinsam auf die Cottages, ein Bauernhof, wo sie ab und an mitarbeiten müssen, sonst aber im Großen und Ganzen sich selbst überlassen sind. Die Dreiecksbeziehung zwischen den drei wird hier am schwierigsten für Kathy: Ruth und Tommy sind ein Paar, obwohl Kathy viel früher auf Tommy zugegangen ist, als er noch von allen in der Schule gehänselt wurde, weil er weder im Sport noch im Kunstunterricht gut war.

Nachdem Ruth Kathy unmissverständlich klar gemacht hatte, dass sie sich nie von Tommy trennen würde, bewirbt sich Kathy für einen Freiwilligendienst, der für die „Organspender“ angeboten wird – sie wird Betreuerin von anderen Organspendern und begleitet diese vor und nach den Organspenden. Dies ist auch der erste Bruch zwischen den dreien – kurze Zeit später scheitert auch die Beziehung zwischen Ruth und Tommy. Sie verlieren sich aus den Augen.

Nur über Zufall trifft Kathy Ruth wieder – als Ruth im selben Krankenhaus wie eine ihrer betreuten Patienten liegt, nach ihrer zweiten Organspende. Ruth möchte auch Tommy sehen, gemeinsam mit Kathy, nur um sich bei den beiden zu entschuldigen, dafür, dass sie Tommy und Kathy bewusst voneinander ferngehalten hat. Als Wiedergutmachungsangebot gibt sie den Beiden die Adresse, wo Paare, die in Hailsham zur Schule gegangen sind, angeblich noch einen Aufschub bekommen können – vor ihren Organspenden. Die kurze Hoffnung wird enttäuscht und Tommy „vollendet“ mit seiner dritten Organspende, d.h. er stirbt während dieser.

Besonders schockierend an dem Film ist die Tatsache, dass er so realistisch gestaltet ist, da er einmal im 20 Jahrhundert spielt, aber auch nahe an den tatsächlichen Möglichkeiten der Menschheit unserer Zeit ist. Das Gedankenspiel, dass andere Menschen „aufgezogen“ werden, um als Ersatzteillager funktionieren, scheint auf den ersten Blick absurd. Andererseits wird es in kleinen Maß bereits betrieben: Mithilfe der Gentechnik sind schon Kinder mit fast exakt gleichen Genen gezeugt worden, damit sie später als Organspender für den krebskranken Bruder oder schwerkranke Schwester dienen. Im Prinzip ist dies ein ähnliches Verfahren, nur noch optimiert, da ein direkt passender Organspender geschaffen wird. Welche Problematik dadurch entstehen kann, ist im Film „Beim Leben meiner Schwester“ erzählt worden.

Neben der spannenden Geschichte, ist auch die Umsetzung bemerkenswert: Kurze Einblendungen von einem Sonnenuntergang oder der Stille auf einem Feld wirken wir filmische Vorboten für die folgenden Handlung. Zwar wird aus Kathys Sicht erzählt, aber der Zuschauer bekommt dennoch einen Einblick in das Innenleben der anderen Protagonisten durch kleine Szenen, die subtil die Filmrealität erklären; beispielsweise als die Organentnahme bei einem dem Zuschauer unbekannten Organspender gezeigt wird, der während der OP „vollendet“, wie es euphemistisch heißt. Fast ohne Mitgefühl wird der Sauerstoffschlauch abgesteckt, schnell die Organe weggebracht und die Tote liegt mit offenen Bauch würdelos und verlassen im OP-Saal.

Insgesamt vielleicht keine leichte Sommerunterhaltung, dafür aber ein anregender Film.

Museum: Bachhaus Eisenach

Das Bachhaus in Eisenach war die dritte Einrichtung, die wie mit unserem Seminar “Was ist ein Museum? Was ist eine Gedenkstätte?” besucht haben. Die Blogeinträge für nummer eins und zwei verbergen sich unter den Links.
Da es zum Einen mein zweiter Besuch im Bachhaus, zum anderen aber auch die Exkursion mit der schlechtesten Organisation war, so dass wir kein richtiges Gespräch mit einer Person des Museums führen konnten, wird mein Bericht wohl viel kürzer Ausfallen.

Das Bachmuseum befindet sich, wohl wie viele Personalmuseen, in einem Gebäude, von dem nicht völlig geklärt ist, ob und wie Johann Sebastian Bach in diesem gelebt hat. Im geführten ersten Teil der Ausstellung wurde jedoch ausdrücklich betont, dass es zur Tradition des Museums gehört, das Bachhaus als Geburtshaus Bachs darzustellen und dass fehlende schriftliche Quellen dafür durch die lange mündliche Tradierung, dass dies der Fall sei, ausgeglichen werde.

Bachhaus Eisenach (via Wikipedia)

Die Ausstellung des Bachhauses gliedert sich in vier Teile. Zunächst betritt man mit der Sammlung historischer Musikinstrumente, den einzigen Teil mit Führung. Hier werden immer zur vollen Stunde einzelne Instrumente vorgeführt und außerdem auch einige Hintergrundinformationen zu Bach und der Ausstellung gegeben. Anschließend werden die Museumsbesucher in den Bereich der Sonderausstellung geführt. Hier gibt es in bisher unregelmäßigen Abständen wechselnde Sonderausstellungen. Die aktuelle, noch bis November 2011 laufende Sonderausstellung beschäftigt sich mit der Bachinterpretin Wanda Landowska. Neben Texttafeln mit vielen Fotos wird dieser Teil der Ausstellung durch iPod-Hörstationen interessant, an denen man einzelne Aufnahmen Landowskas anhören kann. Dabei sind Texte und Musikausschnitte aufeinander abgestimmt und ergänzen sich gegenseitig. So sind meist auch keine ganzen Werke Bachs im Zusammenhang zu hören, sondern nur einzelne Stücke. Der dritte Teil der Ausstellung befindet sich im historischen Gebäude und zeigt neben der Geschichte der Familie Bach auch, wie eine (Musiker-)Familie zu Lebzeiten Bachs gelebt haben könnte. Der interessanteste Teil der Ausstellung ist jedoch der vierte, der sich im modernen Neubau befindet. Hier wendet sich der Fokus der Ausstellung von der Person Bachs weg, hin zu seiner Musik. Neben der sehr verständlichen Erklärung vieler musiktheoretischer Probleme, die für Bachs Musik wichtig sind (hier kann auch der Laie verstehen, wie der Contrapunkt funktioniert und warum das “Wohltemperierte Klavier” so besonders ist) gibt es hier erneut jede Menge Hörstationen, an denen einzelne Stücke erklärt werden.

Zudem gibt es in diesem Teil auch die Möglichkeit an Spielstationen vieles selbst auszuprobieren oder sich am Computer noch einmal selbst genauer über Johann Sebastian Bach und seine Musik zu informieren.

Das Bachhaus ist – trotz des missglückten Exkurisonsbesuchs – eines der besten Museen, die ich bisher besucht habe. Man kann darin problemlos einen verregneten Nachmittag damit verbringen schöne Musik zu hören und sie besser zu verstehen.

Der Link zur Homepage des Bachhauses: http://www.bachhaus.de/

Museum: Schillerhaus Weimar

Unsere zweite Exkursion führte uns nach Weimar. Der erste Teil der Miniserien über die Museumsexkursionen findet sich hier.

Um 1800 bildete das Herzogtum Sachsen-Weimar unter der Regentschaft von Herzogin Anna-Amalia einen Raum, in dem sich die intellektuellen Größen der Zeit versammeln konnten. Dies lag unter anderem daran, dass im Herzogtum eine relativ großzügige Zensur gehandhabt wurde, so dass es nicht nur Goethe und später Schiller, sondern auch Herder und Wieland dorthin zogen. Hinzu kam, dass die am geistigen Leben interessierte Herzogin diesen Männern auch Anstellungen an ihrem Hof bieten konnte. In der Folge ist Weimar heute voller Gedenkorte und Museen, die Personen thematisieren, die dort um 1800 gelebt haben.

Schiller selbst lebte nur von Oktober 1799 bis zu seinem Tod 1804 in Weimar und bewohnte dort überdies mehrere Wohnungen. Dass wir ausgerechnet das Schillerhaus besuchten, liegt am Kult der bereits im 19. Jahrhundert um Schiller und dessen Wohnhaus entstand. Im identifikationsbedürftigen 19. Jahrhundert begann, im Zusammenhang mit der Nationalstaatbewegung die Suche nach Identifikationsfiguren. Mit dem vorläufige Scheitern der Nationalbewegung verstärkte sich dieses Bedürfnis nach Figuren der nationalen Identifikation noch. Dass ausgerechnet Schiller zu einer der deutschen Identifikationsfiguren des 19. Jahrhunderts wurde liegt daran, dass er nicht nur als “der deutsche Autor” galt, dessen Texte zur Allgemeinbildung beinahe aller Bevölkerungsgruppen gehörte, sondern auch seine Lebensgeschichte zur “Heilsgeschichte” umgedeutet wurde. Während seine Texte, die nach heutigem Verständnis keineswegs national, sondern garadezu europäisch sind (man betrachte nur einmal die Handlungsorte seiner Dramen), als Ausdruck der nationalen Revolution gedeutet wurden, wurde Schiller selbst zur “Christusgestalt”. Dabei wurde sein künstlerisches Schaffen als “hohe Begabung” mit “heiligem Ernst” gedeutet und seine immer wieder aufkeimende Krankheit mit dem Leiden Christus’ gleichgesetzt. In diesem Zusammenhang entstanden nun nicht nur zahlreiche Schillerdenkmäler, sondern auch das Schillerhaus. Dieses wurde 1847 und damit am Vorabend der Revolution von 1848/49 als nationale Gedenkstätte eingerichtet.

Schillerhaus Weimar (via Wikipedia; Urheber: Andreas Trepte)

Diese ursprüngliche Gestaltung des Schillerhauses als Gedenkstätte und Ort der Schillerverehrung spiegelt sich noch im heutigen Museum. Obwohl der Innenhof mit einem Neubau gestaltet wurde, in dem sich neben Kasse, Museumsshop und sanitären Anlagen auch mehrere Funktions- und Ausstellungsräume befinden, gibt es keine wirkliche Thematisierung Schillers und seines Werkes. Stattdessen ist die Hauptattraktion seine Wohnstätte, in der versucht wurde, die Inneneinrichtun so originalgetreu wie möglich wiederherzustellen. Dabei gibt es jedoch in den Räumen selbst keine Hinweise darauf, dass es eben dennoch kaum Originaleinrichtungsgegenstände mehr gibt. Gleichzeitig bleiben die Räume seltsam seelenlos. Nur mit viel Phantasie kann der Besucher sich vorstellen, dass überhaupt jemand in ihnen gelebt haben soll.

Da wir ein Führung durch den Dozenten bekommen haben, kann ich zudem leider nicht beurteilen, ob in den Führungen des Museums oder im Audioguide die Einrichtung problematisiert und die Geschichte des Schillerhauses besser erzählt wird. Die Erklärungen, die wir zumindest zum Audioguide bekommen haben, deuten jedoch darauf hin. Für einen Besuch, empfehle ich daher diesen zu benutzen, auch wenn ich selbst keine Erfahrungen mit diesem Audioguide gemacht habe.

Kurze Linkliste:

Die Klassikstiftung zu Schillers Wohnhaus
Die Klassikstiftung zum Schiller-Museum

Museum: Luthergeburtshaus in Eisenach

In diesem Semester besuche ich die Verantaltung Was ist eine Gedenkstätte? Was ist ein Museum?. Bevor es hier im Blog hauptsächlich um die drei Exkursionen gehen wird, die wir in verschiedene Einrichtungen des Personengedenkens gemacht haben, werde ich zum besseren Verständnis kurz die Unterschiede zwischen den beide. Typen erläutern:
Eine Gedenkstätte ist immer an einen historischen Ort gebunden; dabei wird davon ausgegangen, dass auch Orte ein “Gedächtnis” an Ereignisse haben, die an ihnen bewahrt bleiben. Solche Orte werden “Gedenkort” genannt. Eine Gedenkstätte entsteht nun, wenn an einem solchen Ort eine Institution entsteht, die an diese Ereignisse besonders erinnern möchte. Ein Museum dagegen ist an keinen Ort gebunden und zeichnet sich besonders durch eine Sammlung zu einem bestimmten Thema aus. Zum Umgang mit dieser Sammlung gibt es bestimmte internationale Museumsregeln. Unter anderem beinhalten diese, dass die Sammlung sachgemäß bewahrt, erforscht und damit erschlossen werden muss. Der Hauptpunkt ist jedoch das Zeigen der Exponate in einer Ausstellung, bei der es vor allem darum gehen soll, wissen über die Gegenstände zu vermitteln.

Das erste Museum, das wir besucht haben, war das Luthergeburtshaus in Eisleben.

Luthers Geburtshaus in Eisleben (via Wikipedia)

Luthers Geburtshaus in Eisleben (via Wikipedia)

In den ersten Räumen des Museums, das sich vor allem in einem seit 2007 existiernden Neubau befindet, wird besonders auf die Verbindung Luthers zur Stadt Eisleben und die Geschichte der Stadt in der Lutherzeit eingegangen. Dabei wechseln sich Räume zur Sozialgeschichte Eislebens mit solchen zur Familie Luther ab. In kurzen Tafeln wird jeweils erläutert, was das Thema des jeweiligen Raumes ist. Die Ausstellungsstücke bleiben ansonsten unkommentiert. Zum besseren Verständis der Funktion vieler Einzelstücke sind jedoch immer wieder Modelle aufgebaut, in denen die Gegenstände “benutzt” werden. Gerade bei den Räumen zum Eislebener Bergbau (Luthers Vater war dort Arbeiter) sind diese sehr hilfreich. Hinzu kommen in allen Räumen kleine Tafeln, auf denen Originalzitate von Martin Luther zum Thema des jeweiligen Raumes stehen. Diese verbinden als “roter Faden” nicht nur die einzelnen Räume untereinander, sondern auch alle Räume mit dem Überthema “Luther”.

Da die Familie Luther nur wenige Jahre in Eisleben verbracht hat, gibt es dort besonders wenige Exponate, die in einer Ausstellung gezeigt werden könnten. Zudem steht das Museum in Konkurrenz zum Luthersterbehaus, dem Luthermuseum in Eisenach und der Wartburg. Aus diesen Gründen wird in Eisleben, neben der bereits geschilderten Einbindung in die Stadtgeschichte, besonders der historische Ort als Geburtshaus dargestellt. Da sich das Museum dabei jedoch vor das Problem gestellt sieht, dass zwar einerseits Luther tatsächlich in einem Haus an dieser Stelle geboren wurde, andererseits aber das Originalhaus im Stadtbrand von 1689 abbrannte, muss auch mit dieser Inszenierung vorsichtig umgegangen werden. Dies wurde gelöst, indem in dem historischen Gebäude, das aus dem Jahr 1693 stammt, Räume zum anfassen und ausprobieren gestaltet wurden. Originalgetreu nachgebaute Stücke zeigen einen Schlafraum, eine Stube und eine Küche, wie sie in der Lutherzeit typisch waren. Während so zwar der historische Bruch reflektiert wird, verliert der Ort gleichzeitig die Aura des “Nachempfindens”. Das “Gedenken” an die historische Persönlichkeit Martin Luther geht zusammen mit jeder religiös-andächtigen Stimmung verloren. Seitens des Museums, das sich ausdrücklich als solches und nicht als Gedenkstätte versteht, ist dieser Effekt jedoch durchaus gewünscht. Höhepunkt der Ausstellung sind jedoch die Bildergalerie mit den Reformatoren und Fürsten, die sich um die Reformation verdient gemacht haben. Diese exisiert im “schönen Saal” seit dem Wiederaufbau des Lutherhauses. Hinzu kommt eine Luther-Gedenktafel, die seit dem späten 16. Jahrhundert auf das Luthergeburtshaus aufmerksam macht.

Die Organistatoren im Luthergeburtshaus haben ein tolles Konzept für ihre Ausstellung entwickelt, das leider an zwei Punkten scheitert: Durch das Bemühen, die Gemachtheit des Ortes zu zeigen, geht das Gefühl für den Ort zu einem großen Teil verloren. An wenigstens einem Punkt der Ausstellung wäre ich gerne betrogen worden, um weigstens ein Mal das Gefühl haben zu können: Hier stand Luther. Zum Dritten befindet sich das Museum an einem Ort, in dem ein Drittel der Häuser leer stehen. Dies schlägt sich deutlich auf die Stimmung im Ort nieder. Dennoch bietet Eisleben, gerade wenn auch das Luthersterbehaus 2012 mit neuem Konzept wiedereröffnet werden wird, eine gute Ergänzung zum größeren Lutherrummel in Eisenach.

kurze Linksammlung:
Das Geburtshaus auf martinluther.de 

Das Geburtshaus auf der Homepage der Stadt Eisleben

 

Die richtige Art den Kuchen zu teilen

Was gibt es schöneres als ein wundervoll sonniges Wochenende mit lieben Menschen in einem schönen Café ausklingen zu lassen?

So saßen wir letzten Sonntag zu siebt im wundervollen Jugendstilcafé der “Maurer Kaffeewelten” in Offenburg. Die Terasse war, des schönen Wetters wegen, leider völlig besetzt, so dass uns nichts übrig blieb, als innen zu sitzen. Im lichtdurchfluteten Cafésaal mit Stuckdecke, klassizistischem Alkoven und wundervoll hellfarbigen Butzenglasfenstern haben wir, bei weit geöffneten Türen, das Draußensein allerdings nicht vermisst.

Doch nun zum eigentlichen Thema: der richtigen Art den Kuchen zu teilen. Um der Kuchenauswahl gerecht zu werden, fanden wir es, wie immer im Falle reichlich vorhandener leckerer Torten, am angemessensten verschiedene Wahl zu treffen und miteinander zu teilen. So kamen wir zu viert in den Genuss dreier Kuchenstücken: Käse- und Marmorkuchen, wie Schokoladentorte waren äußerst lecker und wurden redlich aufgeteilt. Dass wir dabei die komplizierteste Methode wählten und die Kuchenteller, nach je einer Gabel voll, kreisen ließen, war der Tatsache geschuldet, dass schließlich niemand die ganze Zeit warten sollte. Zudem war auf diese Weise am sichersten gestellt, dass alle ungefähr den gleichen Anteil an jedem Kuchenstück bekamen. Immerhin hätten wir sonst komplizierte Berechnungen zur Aufteilung von Kuchenstückchen anstellen müssen, ein Messer leihen, den Kuchen teilen… Stattdessen leisteten wir, über unseren Kuchengenuss hinaus, auch einen Beitrag zur Erheiterung der übrigen Tischgenossen, die sich nur auf  Tee und Eiskaffee beschränkt hatten und die Sinnhaftigkeit unseres Kuchenteilens nur bedingt nachvollziehen konnten.

Dabei ist der Konsum dreier verschiedener Kuchenstücke doch viel genussvoller, als die Beschränkung auf ein einziges… Durch das Teilen mit anderen wurde es überhaupt erst möglich, denn keiner von uns hätte an diesem Nachmittag noch je drei Stück Kuchen essen mögen: So haben wir bei maximalem Kitzel der Geschmacksnerven gleichzeitig Geldbeutel und Magen geschont und einen wundervollen Wochenendabschluss genossen.

The King’s Speech

The King’s Speech ist seit langer Zeit der erste Film, den ich im Kino (und nicht auf DvD etc.) gesehen und es nicht bereut habe, Geld für eine Kinokarte aus dem Fenster geworfen zu haben. Dabei bin ich (selbstverständlich zusammen mit meiner werten Blogkollegin) nicht mal einfach so ins nächste Kino gegangen: Es musste schon die Originalfassung sein und da 66,66% der guten Göttinger Kinos in letzter Zeit zugemacht haben, mussten wir nach Hannover fahren und saßen somit etwa genauso lange im Zug wie im Kino.

Allein für die ersten Szenen haben sich die Kinokarte und die Fahrt aber gelohnt: Ein Sprecher der BBC bereitet sich minutiös auf seine drei Sätze lange Ankündigung der Rede des Duke of York vor, die er folgerichtig auch im wunderschönsten BBC Englisch der Filmgeschichte (zumindest meiner persönlichen) von sich gibt. Woraufhin der Duke of York (zukünftiger King George VI, Spitzname Bertie) von enorm hilfreichen Tipps begleitet (“Let the microphone do the work, Sir”) ans Mikrophon tritt und nach einer unendlich langen Pause beginnt, stockend ins Mikrophon zu sprechen, das sein Stottern durch das Echo im Stadion zu verspotten scheint und seine persönliche Qual ins Unermessliche steigert. Seine Frau wischt sich eine Träne aus den Augenwinkeln weiter geht es zur nächsten Szene, in der ein jovialer Arzt den Duke mit Hilfe von Glaskugeln im Mund “heilen” will und die voll des herrlich trockenen Humors ist, der sich durch den ganzen Film zieht.

Schließlich wird Bertie von seiner resoluten Frau zu dem Mittelschichtssprachtherapeuten Lionel Logue geschickt, was wenig überraschend den Beginn einer wunderbaren Freundschaft markiert. Trotz dieses eher ausgelatschten Motivs einer Männerfreundschaft mit ihren Höhen und Tiefen schafft es der Film, echte Menschen zu zeichnen, deren Leben und deren Beziehungen nicht in einem Vakuum stattfinden sondern von den soziohistorischen und politischen Umständen geprägt sind. Der Film zeichnet ein nostalgisches Vorkriegsengland mit gedeckten, an Sepia erinnernden Farben und Dialogen voll feinster Ironie und schafft es gleichzeitig neben der persönlichen Entwicklung Berties auch den dramatischen Wandel der Welt um ihn herum zu verdeutlichen.

Ganz besonders deutlich wird dieser Wandel wohl in seinem Bruder David (King Edward VIII). David/Edward, der für gewöhnlich als romantischer Held, als Kämpfer für die Liebe, der tragischerweise abdanken muss, nur weil er eine geschiedene Amerikanerin heiraten will, dargestellt wird, kommt in dieser Produktion weit weniger gut weg. Hier sehen wir einen egoistischen, unbeherrschten, weinerlichen Menschen, der die Ereignisse um sich herum (weder politisch noch was sein Familie oder Wallis betrifft) niemals richtig zu erkennen scheint und eine Affinität zu den Nazis zeigt (“Herr Hitler will sort it out!”).

Helena Bonham Carter spielt eine wunderbare Queen Mum in spe, die ihren Bertie gut im Griff hat, die kleine Elizabeth erweist sich bereits als die würdevolle Queen in spe, als sie vor ihrem Vater knickst anstatt ihn zu umarmen (was ihn sichtlich erschüttert), und Churchill als Prime Minister in spe ist eine herrliche Karikatur seiner selbst. Geoffrey Rush ist wie immer wunderbar und über die oskargekrönte schauspielerische Leistung von Colin Firth braucht wohl auch nichts weiter gesagt zu werden.

Der Bechdel Test

In dem Film spielen mindestens zwei Frauen mit

– die Namen haben

– ein Gespräch miteinander führen

– und dabei nicht ausschließlich über Männer reden

Leider nicht bestanden. Helena Bonham Carter und Jennifer Ehle (die die jeweilige Ehefrau des Königs und seines Sprachtherapeuten spielen) sprechen zwar ganz kurz miteinander, tauschen aber nur eine Begrüßung und einen Satz über Bertie aus.

Bahnhofsimpression

Ein Umsteigebahnhof im unterfränkischen Niemandsland. Sechs Gleise, die genau zwei mal pro Stunde befahren werden – immerhin sind die Züge auf einander abgestimmt: gerade kommen drei auf einmal an, warten aufeinander… Aber der einzige Passagier, der sich an diesem Bahnhof länger aufhält, um umzusteigen, bin ich.

Es ist Ende Februar, durchschnittskalt und grau-bewölkt und als ich mein Gepäck Richtung Bahnhofsgebäude schleppe, bin ich erstaunt, dass es hier tatsächlich eine Bahnhofshalle zu geben scheint und noch erstaunter, als die Tür dazu sich tatsächlich öffnen lässt. Auch meine Befürchtungen bezüglich der Sauberkeit treffen nicht ein. Offensichtlich möchten sich hier noch nicht mal irgendwelche Jugendlichen des Nachts aufhalten. Es gibt immerhin eine Bank und verschlossene Toiletten (“WC nur im Zug”). Möglichkeiten sich die Zeit zu vertreiben bleiben allerdings wenige. Der Bäcker am Bahnhofsvorplatz hat geschlossen, immerhin ist Sonntag, und selbst der Gasthof sieht nicht sonderlich frequentiert aus. Noch nicht mal eine tickende Bahnhofsuhr. Dafür gibt es Vogelgezwitscher, einen vorbeirauschenden Güterzug und summende Leuchtstoffröhren.

An der Tür des ehemaligen Bahnhofskiosks – was für Zeiten, als man noch an sämtlichen Bahnhöfen Deutschlands mit Essen und Getränken und Zeitschriften und Sitzplätzen versorgt wurde – klebt noch das Windowcolor-Schild des letzen Mieters: Ristaurante – Pizzeria und das Bild eines Zuges, darunter, das wirkt als hätte jemand ausschließlich die Kindervorlage abgemalt. Im Guckkasten daneben die Ausschreibung zur Neuvermietung. Letzer Stand: 05.09.2006. Falls also jemand Interesse hat: Man kann die Gaststätte ausschließlich mit der zugehörigen Pächterwohnung mieten. Biervertrag inclusive.

Andererseits, warum sollte man ausgerechnet hier einen neuen Bahnhofskiosk eröffnen? Ich bin, bis die nächsten drei Züge mit Ankommenden beziehungsweise für Wegwollende kommen, die einzige Person, die sich überhaupt an diesem Bahnhof aufhält. Besonders gewinnversprechend ist das ja nicht gerade.