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Schreiben, um zu leben

Kinder, Küche, Kirche – dieser Slogan beschreibt, welche Rolle Frauen in der zeitgenössischen Vorstellung um 1800 zugewiesen wird. Doch einige Frauen lassen sich davon nicht beeindrucken! In der Reihe »Faszinosum Autorinnen um 1800« wird der Blick auf Frauenfiguren gelenkt, die versuchen aus den vorgeschriebenen Rollen auszubrechen. Heute: Johanna Schopenhauer, die Gesellige.

Johanna Schopenhauer mit ihrer Tochter Adele

Nach dem Tod ihres Mannes 1805 blieb Johanna Schopenhauer als wohlhabende Frau zurück. Der Hamburger Kaufmann Heinrich Floris Schopenhauer hatte ihr und den beiden Kindern Arthur und Adele jeweils ein Drittel seines Vermögens vermacht. Nun unabhängig suchte Johanna Schopenhauer einen neuen Wirkungsort. Nach einigen Überlegungen fiel ihre Wahl auf Weimar. Die »Musenstadt« war durch die zahlreichen intellektuellen Größen, die dort lebten, attraktiv, obwohl die Stadt nur sehr klein war.

Für ihre Ankunft in Weimar hätte Johanna Schopenhauer eigentlich keinen ungünstigeren Zeitpunkt wählen können: Nur wenige Wochen nach ihrer Ankunft wurde Weimar von französischen Soldaten besetzt und vom Krieg überzogen. Doch Johanna Schopenhauer machte das Beste aus der Situation. Als Ortsfremde unter dem Schutz der französischen Besatzer setze sie ihr Vermögen ein, um der Weimarer Bevölkerung durch Nahrungsmittel und Verbandszeug zu helfen. So erhielt sie schnell Zugang zum intellektuellen Bürgertum der Stadt.

Der »Theetisch«

Diese Aufnahme in die Weimarer Gesellschaft nutzte sie geschickt, um den Plan umzusetzen, mit dem sie nach Weimar gekommen war: Bereits im Herbst 1806, nur wenige Wochen nach ihrer Ankunft gründete sie ihren Salon. Ihr »Theetisch« wurde schnell zu dem geselligen Zirkel in Weimar. Dabei half besonders, dass sie sich durch die offene und vorurteilsfreie Aufnahme der frisch mit Goethe verheirateten Christiane Vulpius Goethes Dankbarkeit gesichert hatte. Dieser bildete den Mittelpunkt und Anziehungspunkt ihres Salons. Denn während Johanna Schopenhauer zwar die Räume und Möglichkeiten zum Gespräch zur Verfügung stellte, kamen die Besucher doch vor allem, weil sich hier die Gelegenheit bot, Goethe im ungezwungenen Rahmen kennenzulernen.

Reiseberichte

Der gesellige Rahmen in Johanna Schopenhauers Salon diente jedoch nicht nur dem Gespräch, sondern auch dem künstlerischen Leben. Es wurde musiziert, gezeichnet, aber vor allem über Literatur gesprochen. Der Salon bildete die erste Bühne für literarische Versuche. Auch Johanna Schopenhauer wurde in ihrem eigenen Salon zum Schreiben ermutigt. Zur Unterhaltung ihrer Gäste erzählte sie von ihren Reisen mit ihrem verstorbenen Mann. Mit ihm hatte sie Belgien, Italien, England und Schottland bereist. Nun wurde sie von ihren Gästen aufgefordert diese Erlebnisse auch aufzuschreiben und zu veröffentlichen. Dass sich diese Berichte auch noch erfolgreich verkauften, war ein Glücksfall für Johanna Schopenhauer. Denn 1819 ging das Bankhaus, bei dem sie ihr ganzes Vermögen angelegt hatte Bankrott. Sie verlor einen beträchtlichen Teil ihres Vermögens und war plötzlich auf andere Einkünfte angewiesen. Sie begann erfolgreich Erzählungen und Romane zu veröffentlichen, um Geld hinzu zu verdienen. Dennoch hatte sie nun erhebliche finanzielle Schwierigkeiten, musste ihren Salon auflösen und mehrfach in billigere Städte umziehen.

 

Dieser Artikel erschien zuerst auf: litlog.

Zur Reihe gehört auch: Federkiel statt Kochlöffel

Museum: Schillerhaus Weimar

Unsere zweite Exkursion führte uns nach Weimar. Der erste Teil der Miniserien über die Museumsexkursionen findet sich hier.

Um 1800 bildete das Herzogtum Sachsen-Weimar unter der Regentschaft von Herzogin Anna-Amalia einen Raum, in dem sich die intellektuellen Größen der Zeit versammeln konnten. Dies lag unter anderem daran, dass im Herzogtum eine relativ großzügige Zensur gehandhabt wurde, so dass es nicht nur Goethe und später Schiller, sondern auch Herder und Wieland dorthin zogen. Hinzu kam, dass die am geistigen Leben interessierte Herzogin diesen Männern auch Anstellungen an ihrem Hof bieten konnte. In der Folge ist Weimar heute voller Gedenkorte und Museen, die Personen thematisieren, die dort um 1800 gelebt haben.

Schiller selbst lebte nur von Oktober 1799 bis zu seinem Tod 1804 in Weimar und bewohnte dort überdies mehrere Wohnungen. Dass wir ausgerechnet das Schillerhaus besuchten, liegt am Kult der bereits im 19. Jahrhundert um Schiller und dessen Wohnhaus entstand. Im identifikationsbedürftigen 19. Jahrhundert begann, im Zusammenhang mit der Nationalstaatbewegung die Suche nach Identifikationsfiguren. Mit dem vorläufige Scheitern der Nationalbewegung verstärkte sich dieses Bedürfnis nach Figuren der nationalen Identifikation noch. Dass ausgerechnet Schiller zu einer der deutschen Identifikationsfiguren des 19. Jahrhunderts wurde liegt daran, dass er nicht nur als “der deutsche Autor” galt, dessen Texte zur Allgemeinbildung beinahe aller Bevölkerungsgruppen gehörte, sondern auch seine Lebensgeschichte zur “Heilsgeschichte” umgedeutet wurde. Während seine Texte, die nach heutigem Verständnis keineswegs national, sondern garadezu europäisch sind (man betrachte nur einmal die Handlungsorte seiner Dramen), als Ausdruck der nationalen Revolution gedeutet wurden, wurde Schiller selbst zur “Christusgestalt”. Dabei wurde sein künstlerisches Schaffen als “hohe Begabung” mit “heiligem Ernst” gedeutet und seine immer wieder aufkeimende Krankheit mit dem Leiden Christus’ gleichgesetzt. In diesem Zusammenhang entstanden nun nicht nur zahlreiche Schillerdenkmäler, sondern auch das Schillerhaus. Dieses wurde 1847 und damit am Vorabend der Revolution von 1848/49 als nationale Gedenkstätte eingerichtet.

Schillerhaus Weimar (via Wikipedia; Urheber: Andreas Trepte)

Diese ursprüngliche Gestaltung des Schillerhauses als Gedenkstätte und Ort der Schillerverehrung spiegelt sich noch im heutigen Museum. Obwohl der Innenhof mit einem Neubau gestaltet wurde, in dem sich neben Kasse, Museumsshop und sanitären Anlagen auch mehrere Funktions- und Ausstellungsräume befinden, gibt es keine wirkliche Thematisierung Schillers und seines Werkes. Stattdessen ist die Hauptattraktion seine Wohnstätte, in der versucht wurde, die Inneneinrichtun so originalgetreu wie möglich wiederherzustellen. Dabei gibt es jedoch in den Räumen selbst keine Hinweise darauf, dass es eben dennoch kaum Originaleinrichtungsgegenstände mehr gibt. Gleichzeitig bleiben die Räume seltsam seelenlos. Nur mit viel Phantasie kann der Besucher sich vorstellen, dass überhaupt jemand in ihnen gelebt haben soll.

Da wir ein Führung durch den Dozenten bekommen haben, kann ich zudem leider nicht beurteilen, ob in den Führungen des Museums oder im Audioguide die Einrichtung problematisiert und die Geschichte des Schillerhauses besser erzählt wird. Die Erklärungen, die wir zumindest zum Audioguide bekommen haben, deuten jedoch darauf hin. Für einen Besuch, empfehle ich daher diesen zu benutzen, auch wenn ich selbst keine Erfahrungen mit diesem Audioguide gemacht habe.

Kurze Linkliste:

Die Klassikstiftung zu Schillers Wohnhaus
Die Klassikstiftung zum Schiller-Museum