Author Archives: Lisseuse

Museum: Bachhaus Eisenach

Das Bachhaus in Eisenach war die dritte Einrichtung, die wie mit unserem Seminar “Was ist ein Museum? Was ist eine Gedenkstätte?” besucht haben. Die Blogeinträge für nummer eins und zwei verbergen sich unter den Links.
Da es zum Einen mein zweiter Besuch im Bachhaus, zum anderen aber auch die Exkursion mit der schlechtesten Organisation war, so dass wir kein richtiges Gespräch mit einer Person des Museums führen konnten, wird mein Bericht wohl viel kürzer Ausfallen.

Das Bachmuseum befindet sich, wohl wie viele Personalmuseen, in einem Gebäude, von dem nicht völlig geklärt ist, ob und wie Johann Sebastian Bach in diesem gelebt hat. Im geführten ersten Teil der Ausstellung wurde jedoch ausdrücklich betont, dass es zur Tradition des Museums gehört, das Bachhaus als Geburtshaus Bachs darzustellen und dass fehlende schriftliche Quellen dafür durch die lange mündliche Tradierung, dass dies der Fall sei, ausgeglichen werde.

Bachhaus Eisenach (via Wikipedia)

Die Ausstellung des Bachhauses gliedert sich in vier Teile. Zunächst betritt man mit der Sammlung historischer Musikinstrumente, den einzigen Teil mit Führung. Hier werden immer zur vollen Stunde einzelne Instrumente vorgeführt und außerdem auch einige Hintergrundinformationen zu Bach und der Ausstellung gegeben. Anschließend werden die Museumsbesucher in den Bereich der Sonderausstellung geführt. Hier gibt es in bisher unregelmäßigen Abständen wechselnde Sonderausstellungen. Die aktuelle, noch bis November 2011 laufende Sonderausstellung beschäftigt sich mit der Bachinterpretin Wanda Landowska. Neben Texttafeln mit vielen Fotos wird dieser Teil der Ausstellung durch iPod-Hörstationen interessant, an denen man einzelne Aufnahmen Landowskas anhören kann. Dabei sind Texte und Musikausschnitte aufeinander abgestimmt und ergänzen sich gegenseitig. So sind meist auch keine ganzen Werke Bachs im Zusammenhang zu hören, sondern nur einzelne Stücke. Der dritte Teil der Ausstellung befindet sich im historischen Gebäude und zeigt neben der Geschichte der Familie Bach auch, wie eine (Musiker-)Familie zu Lebzeiten Bachs gelebt haben könnte. Der interessanteste Teil der Ausstellung ist jedoch der vierte, der sich im modernen Neubau befindet. Hier wendet sich der Fokus der Ausstellung von der Person Bachs weg, hin zu seiner Musik. Neben der sehr verständlichen Erklärung vieler musiktheoretischer Probleme, die für Bachs Musik wichtig sind (hier kann auch der Laie verstehen, wie der Contrapunkt funktioniert und warum das “Wohltemperierte Klavier” so besonders ist) gibt es hier erneut jede Menge Hörstationen, an denen einzelne Stücke erklärt werden.

Zudem gibt es in diesem Teil auch die Möglichkeit an Spielstationen vieles selbst auszuprobieren oder sich am Computer noch einmal selbst genauer über Johann Sebastian Bach und seine Musik zu informieren.

Das Bachhaus ist – trotz des missglückten Exkurisonsbesuchs – eines der besten Museen, die ich bisher besucht habe. Man kann darin problemlos einen verregneten Nachmittag damit verbringen schöne Musik zu hören und sie besser zu verstehen.

Der Link zur Homepage des Bachhauses: http://www.bachhaus.de/

Rezensiert: Die besondere Traurigkeit von Zitronenkuchen

Die besondere Traurigkeit von Zitronenkuchen beginnt mit der Entdeckung der neunjährigen Hauptfigur Rose, dass sie aus Essen die Gefühle derjenigen herausschmecken kann, die es zubereitet haben. So schmeckt der Geburtstagskuchen, den ihre Mutter aus frischen Zutaten für sie backt, für Rose nicht nur nach frisch gebackenem, leckeren Zitronenkuchen, sondern auch nach Traurigkeit. Als jedoch versucht mit ihrer Mutter über dieses Erlebnis und die Traurigkeit, die sie geschmeckt hat zu sprechen, nimmt sich diese kaum die Zeit ihrer Tochter richtig zu zuhören. So versteht sie auch überhaupt nicht, was das Problem der Tochter ist. Ähnlich wiederholt sich das Geschehen beim Abendessen mit der ganzen Familie. Als Rose erneut mit den Gefühlen kämpft, die sie im Essen schmeckt, macht sich niemand die Mühe verstehen zu wollen, was sie beschäftigt. Diese seltsame Unverbundenheit und mangelnde Teilnahme in der Familie zieht sich dabei durch das ganze Buch und wirkt beim Lesen immer wieder stark irritierend. Die einzige Person, mit der Rose im Lauf der Erzählung über ihre Erfahrung sprechen kann, ist ein Freund ihres älteren Bruders, George, der von diesem aber eifersüchtig bewacht wird. In der Folge bleibt auch dieser Kontakt Roses seltsam lose und unbeendet.

Um den Gefühlen der anderen, und besonders denen ihrer Mutter, im Essen zu entgehen, verlegt sich Rose darauf ausschließlich Nahrungsmittel zu sich zu nehmen, die so industriell wie möglich hergestellt wurden. Schon nach den ersten Experimenten mit George, die dazu dienen herauszufinden, ob Rose aus allen Lebensmitteln Gefühle herausschmecken kann, beginnt sie mit niemandem mehr über das Problem zu sprechen. Dabei scheinen aber auch alle Instanzen in Roses Umfeld zu versagen. Weder in ihrer Familie noch in der Schule versucht ein Erwachsener wirklich mit Rose zu sprechen, um herauszufinden, wie es ihr geht. Dabei wird jedoch in der ganzen Erzählung kein Grund dafür gegeben, weshalb alle Protagonisten unfähig sind soziale Beziehungen einzugehen. Stattdessen wird das Geschehen als natürlich dargestellt und nicht problematisiert.

Besonders irritierend an Die besondere Traurigkeit von Zitronenkuchen ist jedoch, dass mit Ende des ersten Drittels plötzlich nicht mehr Rose sondern ihr Bruder zur Hauptperson wird, obwohl weiterhin stets aus Roses Perspektive erzählt wird. Dabei gleitet die Erzählung zudem völlig ins Phantastische ab, ohne dass dieser Bruch vorbereitet würde. Während es im Bereich des Vorstellbaren liegt, dass Rose Gefühle aus Essen schmecken kann (diese Fähigkeit scheint eher synästhetischer Natur zu sein), zieht ihr Bruder sich absurderweise aus der Welt zurück, indem er sich in einen Stuhl verwandelt. Mit dem ersten unerklärten Verschwinden des Bruders, wird dessen Abwesenheit zum Hauptthema. Auch hier zeigt sich, dass niemand in der Familie bereit ist, wirklich über Probleme zu sprechen. Es gibt keinen Versuch das Geschehen zu ändern oder mit den sonderbaren Vorkommnissen aktiv umzugehen. Diese Passivität der Figuren ist zusammen mit dem sonderbaren Abdrehen der Handlung so anstrengend und verstörend, dass man etwa ab der Hälfte des Buches nur noch weiterliest, um herauszufinden, ob es nicht doch noch vielleicht eine Lösung des Problems geben wird. Statt eines positiven Ergebnisses bricht Roses Familie jedoch auseinander. Ihr Bruder verschwindet endgültig. Ihre Eltern leben weiter an einander vorbei. George löst sich durch seine Heirat völlig aus Roses Lebenskreis. Rose selbst findet ein Restaurant, in dem ihr das Essen einigermaßen schmeckt. Sie beginnt dort zu arbeiten – nimmt aber weiterhin so viel Automatenessen wie nur möglich zu sich. Auf 298 Seiten schafft Rose es nicht, mit ihrer Fähigkeit umzugehen zu lernen, stattdessen nutzt sie ausschließlich Ausweichmanöver, um kein von Menschen zubereitetes Essen zu sich zu nehmen.

Auch die Sprache des Buches ist seltsam gebrochen. Der Versuch die Sprache eines Kindes nachzuahmen missglückt. Dies liegt u.a. daran, dass Rose aus der Retospektive erzählt und ungefähr 20jährig ist. Dennoch wird die Handlung erzählt, als ob Rose in dem jeweiligen Alter wäre, das erzählt wird. In der Folge kommt es zu einer Vermischung von kindlichem Stil und Worten und Phrasen, die eher Erwachsene benutzen würden. Dies zeigt sich besonders in der verwendeten Bildlichkeit: die verwendeten poetischen Bilder scheinen übertrieben, oder werden sofort gebrochen, so dass sie überwiegend negativ und störend auffallen.

Die besondere Traurigkeit von Zitronenkuchen von Aimee Bender ist in der deutschen Ausgabe 2011 im Bloomsbury Verlag in Berlin erschienen und kostet in der Hardcoverausgabe 19,90€. Übersetzt wurde das Buch von Christiane Buchner und Martina Tichy.

Museum: Schillerhaus Weimar

Unsere zweite Exkursion führte uns nach Weimar. Der erste Teil der Miniserien über die Museumsexkursionen findet sich hier.

Um 1800 bildete das Herzogtum Sachsen-Weimar unter der Regentschaft von Herzogin Anna-Amalia einen Raum, in dem sich die intellektuellen Größen der Zeit versammeln konnten. Dies lag unter anderem daran, dass im Herzogtum eine relativ großzügige Zensur gehandhabt wurde, so dass es nicht nur Goethe und später Schiller, sondern auch Herder und Wieland dorthin zogen. Hinzu kam, dass die am geistigen Leben interessierte Herzogin diesen Männern auch Anstellungen an ihrem Hof bieten konnte. In der Folge ist Weimar heute voller Gedenkorte und Museen, die Personen thematisieren, die dort um 1800 gelebt haben.

Schiller selbst lebte nur von Oktober 1799 bis zu seinem Tod 1804 in Weimar und bewohnte dort überdies mehrere Wohnungen. Dass wir ausgerechnet das Schillerhaus besuchten, liegt am Kult der bereits im 19. Jahrhundert um Schiller und dessen Wohnhaus entstand. Im identifikationsbedürftigen 19. Jahrhundert begann, im Zusammenhang mit der Nationalstaatbewegung die Suche nach Identifikationsfiguren. Mit dem vorläufige Scheitern der Nationalbewegung verstärkte sich dieses Bedürfnis nach Figuren der nationalen Identifikation noch. Dass ausgerechnet Schiller zu einer der deutschen Identifikationsfiguren des 19. Jahrhunderts wurde liegt daran, dass er nicht nur als “der deutsche Autor” galt, dessen Texte zur Allgemeinbildung beinahe aller Bevölkerungsgruppen gehörte, sondern auch seine Lebensgeschichte zur “Heilsgeschichte” umgedeutet wurde. Während seine Texte, die nach heutigem Verständnis keineswegs national, sondern garadezu europäisch sind (man betrachte nur einmal die Handlungsorte seiner Dramen), als Ausdruck der nationalen Revolution gedeutet wurden, wurde Schiller selbst zur “Christusgestalt”. Dabei wurde sein künstlerisches Schaffen als “hohe Begabung” mit “heiligem Ernst” gedeutet und seine immer wieder aufkeimende Krankheit mit dem Leiden Christus’ gleichgesetzt. In diesem Zusammenhang entstanden nun nicht nur zahlreiche Schillerdenkmäler, sondern auch das Schillerhaus. Dieses wurde 1847 und damit am Vorabend der Revolution von 1848/49 als nationale Gedenkstätte eingerichtet.

Schillerhaus Weimar (via Wikipedia; Urheber: Andreas Trepte)

Diese ursprüngliche Gestaltung des Schillerhauses als Gedenkstätte und Ort der Schillerverehrung spiegelt sich noch im heutigen Museum. Obwohl der Innenhof mit einem Neubau gestaltet wurde, in dem sich neben Kasse, Museumsshop und sanitären Anlagen auch mehrere Funktions- und Ausstellungsräume befinden, gibt es keine wirkliche Thematisierung Schillers und seines Werkes. Stattdessen ist die Hauptattraktion seine Wohnstätte, in der versucht wurde, die Inneneinrichtun so originalgetreu wie möglich wiederherzustellen. Dabei gibt es jedoch in den Räumen selbst keine Hinweise darauf, dass es eben dennoch kaum Originaleinrichtungsgegenstände mehr gibt. Gleichzeitig bleiben die Räume seltsam seelenlos. Nur mit viel Phantasie kann der Besucher sich vorstellen, dass überhaupt jemand in ihnen gelebt haben soll.

Da wir ein Führung durch den Dozenten bekommen haben, kann ich zudem leider nicht beurteilen, ob in den Führungen des Museums oder im Audioguide die Einrichtung problematisiert und die Geschichte des Schillerhauses besser erzählt wird. Die Erklärungen, die wir zumindest zum Audioguide bekommen haben, deuten jedoch darauf hin. Für einen Besuch, empfehle ich daher diesen zu benutzen, auch wenn ich selbst keine Erfahrungen mit diesem Audioguide gemacht habe.

Kurze Linkliste:

Die Klassikstiftung zu Schillers Wohnhaus
Die Klassikstiftung zum Schiller-Museum

Museum: Luthergeburtshaus in Eisenach

In diesem Semester besuche ich die Verantaltung Was ist eine Gedenkstätte? Was ist ein Museum?. Bevor es hier im Blog hauptsächlich um die drei Exkursionen gehen wird, die wir in verschiedene Einrichtungen des Personengedenkens gemacht haben, werde ich zum besseren Verständnis kurz die Unterschiede zwischen den beide. Typen erläutern:
Eine Gedenkstätte ist immer an einen historischen Ort gebunden; dabei wird davon ausgegangen, dass auch Orte ein “Gedächtnis” an Ereignisse haben, die an ihnen bewahrt bleiben. Solche Orte werden “Gedenkort” genannt. Eine Gedenkstätte entsteht nun, wenn an einem solchen Ort eine Institution entsteht, die an diese Ereignisse besonders erinnern möchte. Ein Museum dagegen ist an keinen Ort gebunden und zeichnet sich besonders durch eine Sammlung zu einem bestimmten Thema aus. Zum Umgang mit dieser Sammlung gibt es bestimmte internationale Museumsregeln. Unter anderem beinhalten diese, dass die Sammlung sachgemäß bewahrt, erforscht und damit erschlossen werden muss. Der Hauptpunkt ist jedoch das Zeigen der Exponate in einer Ausstellung, bei der es vor allem darum gehen soll, wissen über die Gegenstände zu vermitteln.

Das erste Museum, das wir besucht haben, war das Luthergeburtshaus in Eisleben.

Luthers Geburtshaus in Eisleben (via Wikipedia)

Luthers Geburtshaus in Eisleben (via Wikipedia)

In den ersten Räumen des Museums, das sich vor allem in einem seit 2007 existiernden Neubau befindet, wird besonders auf die Verbindung Luthers zur Stadt Eisleben und die Geschichte der Stadt in der Lutherzeit eingegangen. Dabei wechseln sich Räume zur Sozialgeschichte Eislebens mit solchen zur Familie Luther ab. In kurzen Tafeln wird jeweils erläutert, was das Thema des jeweiligen Raumes ist. Die Ausstellungsstücke bleiben ansonsten unkommentiert. Zum besseren Verständis der Funktion vieler Einzelstücke sind jedoch immer wieder Modelle aufgebaut, in denen die Gegenstände “benutzt” werden. Gerade bei den Räumen zum Eislebener Bergbau (Luthers Vater war dort Arbeiter) sind diese sehr hilfreich. Hinzu kommen in allen Räumen kleine Tafeln, auf denen Originalzitate von Martin Luther zum Thema des jeweiligen Raumes stehen. Diese verbinden als “roter Faden” nicht nur die einzelnen Räume untereinander, sondern auch alle Räume mit dem Überthema “Luther”.

Da die Familie Luther nur wenige Jahre in Eisleben verbracht hat, gibt es dort besonders wenige Exponate, die in einer Ausstellung gezeigt werden könnten. Zudem steht das Museum in Konkurrenz zum Luthersterbehaus, dem Luthermuseum in Eisenach und der Wartburg. Aus diesen Gründen wird in Eisleben, neben der bereits geschilderten Einbindung in die Stadtgeschichte, besonders der historische Ort als Geburtshaus dargestellt. Da sich das Museum dabei jedoch vor das Problem gestellt sieht, dass zwar einerseits Luther tatsächlich in einem Haus an dieser Stelle geboren wurde, andererseits aber das Originalhaus im Stadtbrand von 1689 abbrannte, muss auch mit dieser Inszenierung vorsichtig umgegangen werden. Dies wurde gelöst, indem in dem historischen Gebäude, das aus dem Jahr 1693 stammt, Räume zum anfassen und ausprobieren gestaltet wurden. Originalgetreu nachgebaute Stücke zeigen einen Schlafraum, eine Stube und eine Küche, wie sie in der Lutherzeit typisch waren. Während so zwar der historische Bruch reflektiert wird, verliert der Ort gleichzeitig die Aura des “Nachempfindens”. Das “Gedenken” an die historische Persönlichkeit Martin Luther geht zusammen mit jeder religiös-andächtigen Stimmung verloren. Seitens des Museums, das sich ausdrücklich als solches und nicht als Gedenkstätte versteht, ist dieser Effekt jedoch durchaus gewünscht. Höhepunkt der Ausstellung sind jedoch die Bildergalerie mit den Reformatoren und Fürsten, die sich um die Reformation verdient gemacht haben. Diese exisiert im “schönen Saal” seit dem Wiederaufbau des Lutherhauses. Hinzu kommt eine Luther-Gedenktafel, die seit dem späten 16. Jahrhundert auf das Luthergeburtshaus aufmerksam macht.

Die Organistatoren im Luthergeburtshaus haben ein tolles Konzept für ihre Ausstellung entwickelt, das leider an zwei Punkten scheitert: Durch das Bemühen, die Gemachtheit des Ortes zu zeigen, geht das Gefühl für den Ort zu einem großen Teil verloren. An wenigstens einem Punkt der Ausstellung wäre ich gerne betrogen worden, um weigstens ein Mal das Gefühl haben zu können: Hier stand Luther. Zum Dritten befindet sich das Museum an einem Ort, in dem ein Drittel der Häuser leer stehen. Dies schlägt sich deutlich auf die Stimmung im Ort nieder. Dennoch bietet Eisleben, gerade wenn auch das Luthersterbehaus 2012 mit neuem Konzept wiedereröffnet werden wird, eine gute Ergänzung zum größeren Lutherrummel in Eisenach.

kurze Linksammlung:
Das Geburtshaus auf martinluther.de 

Das Geburtshaus auf der Homepage der Stadt Eisleben

 

Die richtige Art den Kuchen zu teilen

Was gibt es schöneres als ein wundervoll sonniges Wochenende mit lieben Menschen in einem schönen Café ausklingen zu lassen?

So saßen wir letzten Sonntag zu siebt im wundervollen Jugendstilcafé der “Maurer Kaffeewelten” in Offenburg. Die Terasse war, des schönen Wetters wegen, leider völlig besetzt, so dass uns nichts übrig blieb, als innen zu sitzen. Im lichtdurchfluteten Cafésaal mit Stuckdecke, klassizistischem Alkoven und wundervoll hellfarbigen Butzenglasfenstern haben wir, bei weit geöffneten Türen, das Draußensein allerdings nicht vermisst.

Doch nun zum eigentlichen Thema: der richtigen Art den Kuchen zu teilen. Um der Kuchenauswahl gerecht zu werden, fanden wir es, wie immer im Falle reichlich vorhandener leckerer Torten, am angemessensten verschiedene Wahl zu treffen und miteinander zu teilen. So kamen wir zu viert in den Genuss dreier Kuchenstücken: Käse- und Marmorkuchen, wie Schokoladentorte waren äußerst lecker und wurden redlich aufgeteilt. Dass wir dabei die komplizierteste Methode wählten und die Kuchenteller, nach je einer Gabel voll, kreisen ließen, war der Tatsache geschuldet, dass schließlich niemand die ganze Zeit warten sollte. Zudem war auf diese Weise am sichersten gestellt, dass alle ungefähr den gleichen Anteil an jedem Kuchenstück bekamen. Immerhin hätten wir sonst komplizierte Berechnungen zur Aufteilung von Kuchenstückchen anstellen müssen, ein Messer leihen, den Kuchen teilen… Stattdessen leisteten wir, über unseren Kuchengenuss hinaus, auch einen Beitrag zur Erheiterung der übrigen Tischgenossen, die sich nur auf  Tee und Eiskaffee beschränkt hatten und die Sinnhaftigkeit unseres Kuchenteilens nur bedingt nachvollziehen konnten.

Dabei ist der Konsum dreier verschiedener Kuchenstücke doch viel genussvoller, als die Beschränkung auf ein einziges… Durch das Teilen mit anderen wurde es überhaupt erst möglich, denn keiner von uns hätte an diesem Nachmittag noch je drei Stück Kuchen essen mögen: So haben wir bei maximalem Kitzel der Geschmacksnerven gleichzeitig Geldbeutel und Magen geschont und einen wundervollen Wochenendabschluss genossen.

Sophie Mereau – ein biographischer Abriss

Im Zuge einer Hausarbeit beschäftige ich mich gerade mit Sophie Mereau. 1770 geboren ist ihr Leben für eine Frau ihrer Zeit sehr ungewöhnlich. Da ist zum Einen die Tatsache, dass sie mit zwanzig Jahren ihr erstes Gedicht, eine Hymne auf die Freiheitsbewegung der Französischen Revolution, in Schillers Thalia veröffentlichen kann und Schiller in der Folge immer wieder Gedichte von ihr in seinen Zeitschriften veröffentlicht und sie auch mit Ratschlägen und Verbesserungen bezüglich ihrer literarischen Arbeit unterstützt. Da ist zum Andern ihr Streben nach Freiheit auch für sie als Frau, das von Aufklärung und Französischer Revolution inspiriert ist und das den Vorstellungen der Männer ihrer Zeit über das angemessene Verhalten von Frauen, entgegensteht. So weit es ihr in den engen Grenzen der Zeit möglich ist, versucht sie diese Vorstellungen auch in ihrem eigenen Leben umzusetzen. Ihren späteren Mann Friedrich Carl Mereau hält sie sechs Jahre lang hin und heiratet ihn 1793 schließlich nur, weil der Druck der Familie immer größer wird und sie auf die finanzielle Absicherung angewiesen ist. Zudem verfügt Carl Mereau in Jena über gute Kontakte zu den schriftstellerischen Größen und Verlegern der Zeit. Er vermittelt den ersten Kontakt zu Schiller und sorgt immer wieder dafür, dass die Werke seiner Frau veröffentlicht werden. Sophie Mereau nutzt die Zeit ihrer Ehe, um ihre schriftstellerische Tätigkeit voranzutreiben. Sie selbst vertieft den Kontakt mit Schiller, korrespondiert mit ihm über ihre Arbeit und trifft sich auch immer wieder für persönliche Gespräche darüber. Dabei ist das Verhältnis zwischen Schiller und Mereau nicht ausschließlich das von Schülerin und Lehrer, sondern durchaus kollegial.

Sophie Mereau veröffentlicht Gedichte und Erzählungen in den wichtigen Zeitschriften ihrer Zeit, wird zur Gefragten Mitarbeiterin u.a. in Schillers Horen und übernimmt schließlich selbst die Herausgabe von Zeitschriften (u.a. des Göttinger Musen-Almanachs). Ihr eigenes Zeitschriftenprojekt dagegen kann sie vorläufig noch nicht durchführen.

Die Ehe der Mereaus ist von mangelnder Liebe seitens Sophie belastet, die sich in verschiedene Liebschaften und Affären stürzt, deren Existenz der Jenaer Öffentlichkeit durchaus bekannt sind. Dabei nimmt sie wenig Rücksicht auf  Schicklichkeitsvorstellungen und unternimmt mit einem ihrer Liebhaber sogar eine Berlinreise. Für damalige Verhältnisse ein Skandal, wurde von Frauen doch erwartet, dass sie zu Hause bleiben oder wenigstens nur mit dem eigenen Ehemann, Familienangehörigen oder Anstandsdame reisen. Das erstaunlichste daran ist jedoch, dass diese Affären keine Auswirkung auf die Rezeption ihres schriftstellerischen Schaffens hat, sondern dieses anscheinend völlig unabhängig von ihrem persönlichen Verhalten und nur auf Basis des literarischen Wertes beurteilt wurde. So nimmt Schiller, der im Urteil anderen Frauen gegenüber durchaus abfällig werden konnte, auch dann noch keinen Anstoß an ihrem Verhalten, als sie ihm selbst davon berichtet.

Sophie Mereau treibt ihre Schriftstellerei auch deshalb voran, um im Falle der von ihr immer stärker angestrebten Trennung ein finanzielles Auskommen zu haben. Ab 1800 zieht sie sich immer mehr von ihrem Mann zurück und wird schließlich im Juni 1801 von Mereau geschieden. Im Gegensatz zu anderen Frauen, die sich in dieser Zeit scheiden lassen, geht sie jedoch nicht sofort die nächste Beziehung ein, die ihr Auskommen sichert, sondern bleibt zunächst allein. Ihren Lebensunterhalt sichert sie dabei, neben einer kleinen jährlichen Pension, die ihr geschiedener Mann ihr zahlen muss, durch ihre Schriftstellerei.

Clemens Brentano, mit dem Sophie Mereau bereits vor der Scheidung eine Zeit lang liiert war, erfährt über Umwege von der Trennung und versucht den Kontakt wieder aufzunehmen. Der acht Jahre jüngere Brentano hatte sich bereits beim ersten Treffen in Mereau verliebt und sie mit seiner ungestümen Liebe bedrängt. Mereau scheint einem erneuten Kontakt zunächst ablehnend gegenüber zu stehen, beginnt aber schließlich einen Briefwechsel mit ihm, in dem er sie wortgewandt von seiner Liebe überzeugen und zu einem Wiedersehen überreden kann. Das Zusammentreffen führt nun auch bei Sophie Mereau zu einem Wechsel der Gefühle: auch sie verliebt sich heftig. Dennoch besteht sie auf ihrer Unabhängigkeit. Sie willigt zwar ein mit Brentano zusammenzuleben möchte jedoch keine Ehe eingehen. Als sie jedoch schwanger wird, kann auch die so ungebundene, selbstsichere Sophie Mereau ihre Freiheit nicht länger bewahren: ein uneheliches Kind ist sogar für sie unvorstellbar. Die im November 1803 geschlossene Ehe der Brentanos ist stürmisch und konfliktreich. Besonders der Verlust der Kinder belastet die Beziehung. Sophie Mereau wird in den drei Ehejahren vier Mal schwanger, dabei sterben drei der Kinder sterben wenige Wochen nach der Geburt, das vierte ist eine Fehlgeburt. Hinzu kommt, das Clemens Brentano, der in seinem Roman Godwi das Bild einer unabhängigen Frau beschworen hat, von seiner eigenen Ehefrau konventionell-bürgerliches und ganz auf ihn ausgerichtetes Verhalten fordert. Anscheinend auf ihren Erfolg eifersüchtig, möchte er, dass sie die Schriftstellerei aufgibt. So kommt es, dass Sophie in der Zeit ihrer zweiten Ehe nur dann arbeitet, wenn Brentano auf Reisen ist. Sie fertigt jetzt vor allem Übersetzungen, Gedichte und kurze Erzählungen an. Als sie 1806 im Kindbett stirbt, ist sie erst 36 Jahre alt und hat für die knapp 15-jährige Spanne ihres Schaffens ein erstaunlich umfangreiches literarisches Werk hinterlassen.

 

Weiterführende Literatur:

Zur Situation der Frauen um 1800 im Allgemeinen:

  • Marie-Claire Hoock-Demarle: Die Frauen der Goethezeit. Aus dem Französischen von Renate Hörisch-Helligrath. München 1990.
  • Julia di Bartolo: Selbstbestimmtes Leben um 1800. Sophie Mereau, Johanna Schopenhauer und Henriette von Egloffstein in Weimar-Jena. Heidelberg 2008.

Die momentan einzige Mereau Biographie:

  • Dagmar von Gersdorff: Dich zu lieben kann ich nicht verlernen. Das Leben der Sophie Brentano-Mereau. Insel 2006.

Ausgaben von Mereaus Werk:

  • Sophie Mereau-Brentano: Wie sehn‘ ich mich hinaus in die freie Welt. Tagebuch, Betrachtungen und vermischte Prosa. Hersg. und kommentiert von Katharina von Hammerstein. München 1996.
  • Sophie Mereau-Brentano: Das Blütenalter der Emfpindung. Amanda und Eduard. Romane. Hersg. und kommentiert von Katharina von Hammerstein. München 1996.
  • Sophie Mereau-Brentano: Ein Glück, das keine Wirklichkeit umspannt. Gedichte und Erzählungen. Hersg. und kommentiert von Katharina von Hammerstein. München 1996.

Auf Wikisource lassen sich einige von Sophie Mereaus Gedichten online lesen:

Auf Zeno.org finden sich die beiden Romane:

 

Bahnhofsimpression

Ein Umsteigebahnhof im unterfränkischen Niemandsland. Sechs Gleise, die genau zwei mal pro Stunde befahren werden – immerhin sind die Züge auf einander abgestimmt: gerade kommen drei auf einmal an, warten aufeinander… Aber der einzige Passagier, der sich an diesem Bahnhof länger aufhält, um umzusteigen, bin ich.

Es ist Ende Februar, durchschnittskalt und grau-bewölkt und als ich mein Gepäck Richtung Bahnhofsgebäude schleppe, bin ich erstaunt, dass es hier tatsächlich eine Bahnhofshalle zu geben scheint und noch erstaunter, als die Tür dazu sich tatsächlich öffnen lässt. Auch meine Befürchtungen bezüglich der Sauberkeit treffen nicht ein. Offensichtlich möchten sich hier noch nicht mal irgendwelche Jugendlichen des Nachts aufhalten. Es gibt immerhin eine Bank und verschlossene Toiletten (“WC nur im Zug”). Möglichkeiten sich die Zeit zu vertreiben bleiben allerdings wenige. Der Bäcker am Bahnhofsvorplatz hat geschlossen, immerhin ist Sonntag, und selbst der Gasthof sieht nicht sonderlich frequentiert aus. Noch nicht mal eine tickende Bahnhofsuhr. Dafür gibt es Vogelgezwitscher, einen vorbeirauschenden Güterzug und summende Leuchtstoffröhren.

An der Tür des ehemaligen Bahnhofskiosks – was für Zeiten, als man noch an sämtlichen Bahnhöfen Deutschlands mit Essen und Getränken und Zeitschriften und Sitzplätzen versorgt wurde – klebt noch das Windowcolor-Schild des letzen Mieters: Ristaurante – Pizzeria und das Bild eines Zuges, darunter, das wirkt als hätte jemand ausschließlich die Kindervorlage abgemalt. Im Guckkasten daneben die Ausschreibung zur Neuvermietung. Letzer Stand: 05.09.2006. Falls also jemand Interesse hat: Man kann die Gaststätte ausschließlich mit der zugehörigen Pächterwohnung mieten. Biervertrag inclusive.

Andererseits, warum sollte man ausgerechnet hier einen neuen Bahnhofskiosk eröffnen? Ich bin, bis die nächsten drei Züge mit Ankommenden beziehungsweise für Wegwollende kommen, die einzige Person, die sich überhaupt an diesem Bahnhof aufhält. Besonders gewinnversprechend ist das ja nicht gerade.