Bahnhofsimpression

Ein Umsteigebahnhof im unterfränkischen Niemandsland. Sechs Gleise, die genau zwei mal pro Stunde befahren werden – immerhin sind die Züge auf einander abgestimmt: gerade kommen drei auf einmal an, warten aufeinander… Aber der einzige Passagier, der sich an diesem Bahnhof länger aufhält, um umzusteigen, bin ich.

Es ist Ende Februar, durchschnittskalt und grau-bewölkt und als ich mein Gepäck Richtung Bahnhofsgebäude schleppe, bin ich erstaunt, dass es hier tatsächlich eine Bahnhofshalle zu geben scheint und noch erstaunter, als die Tür dazu sich tatsächlich öffnen lässt. Auch meine Befürchtungen bezüglich der Sauberkeit treffen nicht ein. Offensichtlich möchten sich hier noch nicht mal irgendwelche Jugendlichen des Nachts aufhalten. Es gibt immerhin eine Bank und verschlossene Toiletten (“WC nur im Zug”). Möglichkeiten sich die Zeit zu vertreiben bleiben allerdings wenige. Der Bäcker am Bahnhofsvorplatz hat geschlossen, immerhin ist Sonntag, und selbst der Gasthof sieht nicht sonderlich frequentiert aus. Noch nicht mal eine tickende Bahnhofsuhr. Dafür gibt es Vogelgezwitscher, einen vorbeirauschenden Güterzug und summende Leuchtstoffröhren.

An der Tür des ehemaligen Bahnhofskiosks – was für Zeiten, als man noch an sämtlichen Bahnhöfen Deutschlands mit Essen und Getränken und Zeitschriften und Sitzplätzen versorgt wurde – klebt noch das Windowcolor-Schild des letzen Mieters: Ristaurante – Pizzeria und das Bild eines Zuges, darunter, das wirkt als hätte jemand ausschließlich die Kindervorlage abgemalt. Im Guckkasten daneben die Ausschreibung zur Neuvermietung. Letzer Stand: 05.09.2006. Falls also jemand Interesse hat: Man kann die Gaststätte ausschließlich mit der zugehörigen Pächterwohnung mieten. Biervertrag inclusive.

Andererseits, warum sollte man ausgerechnet hier einen neuen Bahnhofskiosk eröffnen? Ich bin, bis die nächsten drei Züge mit Ankommenden beziehungsweise für Wegwollende kommen, die einzige Person, die sich überhaupt an diesem Bahnhof aufhält. Besonders gewinnversprechend ist das ja nicht gerade.