Lying to be perfect

Beim stöbern in youtube – das kommt in meinem fernsehfreien Haushalt häufiger mal vor, wenn mir langweilig ist – stieß ich durch Zufall auf Lying to be perfect. Und was soll ich sagen:
Ein Film mit dicken! Frauen! Gutaussehenden dicken Frauen.

Nola und ihre beiden Freundinnen sind toughe dicke Frauen, die leider, leider ihr Dicksein als etwas empfinden, hinter dem ihr wahres Selbst nicht zum Vorschein kommen kann. Also beschließen sie abzunehmen. Das ist etwas schade, schließlich sind sie eigentlich sehr erfolgreich und es wäre irgendwie schöner, würden sie ihr Selbstbewusstsein auf andere Art und Weise steigern. Aber Film und Fernsehen sind nunmal leider nicht für Bodyacceptance bekannt.

Immerhin wird das Abnehmen auch durch eine innere Entwicklung begleitet, in der die drei Frauen andere Probleme aufarbeiten, die selbstbewusstes Auftreten verhindern. Denn – und für den Zuschauer wird das recht schnell klar, für Nola leider erst ganz am Ende des Films – egal wie sie aussieht: Nola ist intelligent und kann das, was sie tut richtig gut, ganz egal, wie ihr Körper aussieht.

http://www.youtube.com/watch?v=-Cw-K3fsr-E&feature=youtube_gdata_player

Bachdel-Test: Auf jeden Fall bestanden.

dOCUMENTA (13)

Wenn man in der Nähe von Kassel wohnt und auch nur einigermaßen an Kultur und Kunst interessiert ist, lohnt es sich auf jeden Fall zur dOCUMENTA (13) zu fahren. Denn bei der dOCMENTA wird alle fünf Jahre zeitgenössische Kunst aus allen Ländern der Welt nach Kassel gebracht. Noch bis zum 16. November kann man die verschiedenen Ausstellungen besuchen.

Moderne Kunst

Dabei muss man sich natürlich noch einmal ins Bewusstsein rufen, was zeitgenössische Kunst eigentlich ist: es geht nicht mehr um Schönheit und Ästhetik, sondern darum eine Botschaft zu vermitteln. Dabei können immer noch schöne, ästhetische Werke entstehen. Häufig aber ist das, was man Betrachtet bedrückend und verstörend.

Zum Kunstbegriff der dOCUMENTA gehören neben klassischen Gemälden und Skulpturen auch Videoinstallationen und Projekte, die den Besucher einbeziehen.

Um besser zu verstehen, was man da eigentlich vor sich hat, lohnt es sich auf jeden Fall das dOCUMENTA-Begleitbuch für 24€ zu kaufen. Da die dOCUMENTA eher eine Galerie als ein Museum ist, gibt es kaum Tafeln und Erklärungen zu den Objekten und Künstlern. Deshalb kann das Begleitbuch mit Infos zu den Künstlern, ihrem Werk und den ausgestellten Kunstwerken weiterhelfen.

dOCUMENTA (13)

Seit dem 09.06. werden für 100 Tage in ganz Kassel verschiedene Objekte gezeigt. Hauptpunkte bilden:

  • Das Fredericianum, mit einer Ausstellung zur Geschichte der dOCUMENTA.
  • Die documenta-Halle, in der es um moderne Ansätze von Malerei geht.
  • Die Neue Galerie,
  • Die Karlsaue, wo durch den gesamten Park verschiedene Künstler ihre Projekte ausstellen.

Bei meinem Besuch haben wir die documenta-Halle, die Neue Galerie besucht. Außerdem sind wir durch die Karlsaue geschlendert, wo man aber auch bei besonders gutem Willen nur einen Teil der Kunstwerke ansehen kann, weil sie so weitläufig ist.

Leider tritt auch bei der dOCUMENTA das gleiche Phänomen auf, wie bei vielen anderen Museen und Ausstellungen: Nach zwei bis drei Stunden ist der Kopf voll, die Aufnahmefähigkeit zu Ende und eine Pause dringend nötig. Um Geld zu sparen, begibt man sich dann am Besten in die Karlsaue und nimmt ein mitgebrachtes Picknick ein.

Auch von dem Gedanken, an nur einem Tag auch nur ansatzweise einen Überblick über alles was ausgestellt wird zu bekommen, verabschiedet man sich am besten. Für einen solchen Überblick muss man mindestens zwei Tage einplanen. Und falls man tatsächlich vor hat, jedes Kunstwerk intensiv zu studieren, zieht man am besten nach Kassel und kauft sich eine Dauerkarte. Überhaupt empfiehlt es sich für alle, die die Möglichkeit dazu haben, die dOCUMENTA während der Woche zu besuchen. Denn am Wochenende bilden sich überall  lange Warteschlangen, die man so umgehen kann. Dann kommt man auch in besonders beliebte Räume, ohne vorher eine halbe Stunde anzustehen.

Zur dOCUMENTA gibt es eine Website, die viele Bilder, Informationen zu den Ausstellungsorten, Künstlern und weiteren Veranstaltungen bietet.

Rezensiert: Corpus Delicti

Als ich ich Juli Zehs Buch in zuerst Händen hielt, war ich zunächst äußerst skeptisch. Immerhin handelt es sich dabei um ein Buch das “Corpus Delicti” heißt und noch dazu den kafkaesken Untertitel “Ein Prozess” trägt. Und mit Kafkas “Prozess” konnte ich noch nie viel anfangen – für meinen Geschmack viel zu bedrückend.
Doch dann habe ich doch noch die ersten Sätze gelesen – und war sofort gefesselt. Durch verschiedene, schnörkellose Sprachstile zieht Zeh den Leser sofort in den Bann: Das Buch beginnt mit einem “Vorwort”, in dem gleich der erste Satz das Konzept des neuen Staates definiert:

Gesundheit ist ein Zustand vollkommenen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlbefindens – und nicht bloße Abwesenheit von Krankheit.

Die Dystopie eines Staates, der dem Gesundheitswahn verfallen ist und Gesundheit zur neuen Religion erhebt, fesselt. Nicht mehr der Glauben an einen Gott oder die Unterwerfung unter einen Markt bestimmen das Leben und deshalb halten sich die Menschen für frei. Doch aus der Fürsorge um die Gesundheit wächst ein neuer totalitärer Überwachungsstaat. Dieser ist fehlerlos, schließlich hat er nur das Beste für die Bevölkerung im Sinne. Und die Bevölkerung wird überwacht, damit niemand die Gesundheit der anderen gefährdet.

Und während der Leser erkennt, dass auch Gesundheit und Fitness zum neuen Glaubenssystem werden können, halten die meisten Figuren ihre Welt für ideal und ideologielos.

Mia Holl, die Hauptfigur, war lange genug selbst systemtreu. Als jedoch ihr Bruder – wie sie zu wissen glaubt – unschuldig verurteilt wird, beginnt für Mia eine Spirale aus Trauer und kritischem Nachdenken, die sie zum Widerstand gegen das System bringt. Und je mehr Mia versucht Unrecht aufzuzeigen und das System zu kritisieren, umso stärker wird deutlich, dass dieses scheinbar demokratische System ein Überwachungsstaat ist, der vor keinerlei Methoden zurückschreckt. Mia soll gefügig gemacht werden und dazu ist jedes Mittel recht.

Doch Mia lässt sich nicht so einfach brechen – und als Leser hofft man dass sie schließlich doch dem System entkommen wird.

 

Juli Zeh Corpus Delicti. Ein Prozess erschien bei Schöffling & Co. und kostet gebunden 19,90€, als Taschenbuch 9,95€.

dOCUMENTA (13) – Karlsaue

“Einige kleine freistehende Gebäude mit künstlerischen Projekten, die Märchen der Gebrüder Grimm, Ästhetik und Politik und wie man getrennt zusammen sein kann. Ein Aufenthaltsort für Schriftsteller im Restaurant Dschingis Kahn am Ende der Karlsaue. Ein Verweis auf den Monte Verità, eine kurzlebige experimentelle Künstlerkolonie, die 1900 in der Nähe von Ascona gegründet wurde.”

So wird im Begleitbuch der “Ausstellungsort” Karlsaue beschrieben.
Tatsächlich ist es nicht so einfach die Karlsaue als eine Ort zu sehen. Eigentlich finden sich hier viele verschiedene Projekte, die jedes für sich einen eigenen abgeschlossenen Ort bilden. Häufig wird dies noch betont, indem extra für die Projekte Holzhäuser gebaut wurden, so dass sie vom Park abgegrenzt sind. Und doch sind sie durch den strukturierten Park auf besondere Weise zusammengehalten und bilden so einen einheitlichen Ort

Unser Spaziergang durch den Park diente nach Documenta-Halle und Neuer Galerie auch der Erholung. Deshalb haben wir nur einen sehr kleinen Teil der dort ausgestellten Kunstwerke gesehen.

Unsere Erkundung des Parks begann in der Nähe der Neuen Galerie. Das erste Projekt auf das wir aufmerksam wurden, war Chiara Fumais Moralisches Ausstellungshaus. Hier zeigt die feministische Künstlerin aufgetürmte Werke großer Philosophen, die festgenagelt und von Spiegelscherben umgeben sind.

documenta 13: Chiara Fumai – Moralisches Ausstellungshaus

Die nächste Station war Christian Philipp Müllers Mangoldfähre. Queer über einen der Kanäle in der Karlsaue sind drei Boote des THW befestigt, auf denen in großen Kisten Mangold angepflanzt ist. Sie bilden so eine zusätzliche Brücke, die zwar ein wenig schwankt, dafür aber wunderschön begrünt ist.

documenta 13: Christian Philipp Müller – Mangoldfähre 1

documenta 13: Christian Philipp Müller – Mangoldfähre 2

Weiter ging es durch den Park, bis schließlich auf einer großen Lichtung das Sanatorium von Pedro Reyes sichtbar wird. Hier kann man sich – nach Anmeldung, Voruntersuchung und Diagnose – therapieren lassen. Dazu stehen verschiedene Räume zur Verfügung. Dabei wird gerade auf künstlerische Methoden Wert gelegt: Kunst als Therapie.

documenta 13: Pedro Reyes – Sanatorium

 

Groß angekündigt und mit jedem Schritt unheimlicher war diese Statue:

documenta 13: Apichatpong Weerasethakul – The Importance of Telepathy

Apichatpong Weerasethakul hat sie für seine Installation The Importance of Telepathy mit dem Hubschrauber anfliegen lassen. Zur Installation gehören aber auch – weit weniger unheimlich – eine Reihe von Hängematten. In diese dunkelgrünen und sehr unauffälligen Hängematten, können sich die Besucher legen und werden fast von ihnen verschluckt. In einem solchen Kokon lässt es sich mit Blätterrauschen gut entspannen. Unter Umständen träumt man dann auch von Geistern.

 

Auch bedrücken war die nächste Installation. Sam Durant beschäftigt sich mit amerikanischen Hinrichtungen und hat für die documenta 13 verschiedene Galgen im Originalmaßstab zusammengebaut. Dieses Gerüst kann man nun, beinahe wie ein Klettergerüst, besteigen und die Galgen prominenter zu Tode verurteilter Amerikaner betrachten.

documenta 13: Sam Durant – Galgen

 

Zur Erholung lädt in der Karlsaue schließlich ein Café, das in einem der Gewächshäuser eingerichtet wurde. Drinnen oder draußen lässt sich dort sehr leckeres Essen, das allerdings auch sehr teuer ist, verspeisen.

documenta 13: Café im Gewächshaus

 

Nach einem langen Tag auf der documenta 13 war diese Station auch schon beinahe unsere letzte. Satt und entsprechend müde, liefen wir in Richtung Orangerie und Innenstadt zurück. Das letzte Kunstwerk, das uns dabei begegnete war Song Dongs Doing Nothing Garden. Ein Mitten auf dem Rasen vor der Orangerie aufgeschütteter Erdhügel, der einfach sich selbst überlassen bleiben durfte. Und gerade deswegen voller Leben ist.

documenta 13: Song Dong – Doing Nothing Garden

 

 

 

dOCUMENTA (13) – Neue Galerie

Die Künstler

In der neuen Galerie werden neben Teilen der Dauerausstellung im Erdgeschoss die Werke verschiedener Künstler gezeigt:

  • Khadim Ali
  • Grodon Bennett
  • Rossella Biscotti
  • Andrea Büttner
  • Emily Carr
  • Geoffrey Farmer
  • Susan Hiller
  • Sanja Ivekovic
  • Hassan Kahn
  • Adriana Lara
  • Aníbal López
  • Maria Martins
  • Zanele Muholi
  • Roman Ondák
  • Füsun Onur
  • Margaret Preston
  • Stuart Ringholt
  • Wael Shawky

Da die Neue Galerie bereits die zweite Station auf unserer documenta-Tour war, fällt die Fotoausbeute deutlich geringer aus als die für die Documenta-Halle.

Videos von Wael Shawky

Unsere Besichtigung der Ausstellung begann mit den Kellerräumen. Hier befinden sich neben einer Reihe von Alltagsfotos des Künstlers Roman Ondák, die wie gerahmte Zeitungsausschnitte wirken, die Videoinstallationen von Hassan Kahn und Wael Shawky. Letzterer verarbeitet in seinen Aufnahmen mit Marionetten vor allem religiöse Konflikte. So zeigt eines seiner beiden Videos nachgespielte Szenen des ersten Kreuzzuges. Die grotesken Marionetten mit hervorquellenden Augen verstärken nur die von Musik und Szenerie hervorgerufene Beklemmung. Nachdem die Videos Wael Shawky, wie bereits die Videos in der Dockumenta-Halle erneut brutale und bedrückende Szenen darstellten, muss ich gestehen, dass ich die von Hassan Kahns nicht mehr angesehen habe.
Im ersten Stock ist die Stimmung dagegen ganz anders. Dies liegt auch daran, dass die Neue Galerie seit dem Umbau 2011 lichtdurchflutet und hell ist. So wirken die Kunstwerke, die sich auch hier häufig mit Gewalt, Verfolgung und Benachteiligung auseinandersetzen, völlig anders. Es werden hier 15 Künstler ausgestellt. Für mich waren dabei die folgenden am Auffälligsten:

Maria Martins

documenta 13: Maria Martins – O impossível

Maria Martins Skulpturen werden im Katalog als “unausgewogene Gebilde, die sich um eine leere und manchmal sogar höhlenartige Mitte gruppieren” beschrieben. Ein Foto kann niemals vermitteln, wie stark der Eindruck von Sehnsucht und gleichzeitigem Nicht-Erreichen-Können ist, den die Skulptur O impossível vermittelt. Die Tentakel, die die Köpfe der beiden Figuren ersetzen streben aufeinander zu, doch sie können sich nicht im Kuss vereinigen.

Gordon Bennett

Von Gordon Bennett werden drei oder vier großformatige Bilder aus der Serie Home Décor gezeigt. Sie sind klar gegliedert und fallen durch ihre starken Farben auf.

documenta 13: Gordon Bennett – Teil der Serie Home Décor

Susan Hiller

Die Klanginstallation Die Gedanken sind frei nimmt einen ganzen Raum in der Neuen Galerie ein. An die Wand wurden verschiedene Liedtexte geschrieben, die das Thema von die Gedanken sind frei aufnehmen und weiterführen. Dazu kommen eine Jukebox, mit verschiedenen Interpretationen des Liedes und eine Reihe von Hörstationen, an denen man diese still hören kann.

documenta 13: Susan Hiller – Die Gedanken sind frei

Zanele Muholi

Zanele Muholi portraitiert für ihre Arbeit Menschen mit verschiedenen Geschlechtsidentitäten. Für die documenta werden vor allem lesbische und Transmenschen vorgestellt.

Diese Arbeit ist damit die erste, die mir auf der documenta begegenet, die sich mit der Brechung von Geschlechtsstereotsypen beschäftigt.

documenta 13: Zanele Muholi – Porträts

Geoffrey Farmer

Die Collage Leaves of Grass von Geoffrey Farmer trägt zur Schlangenbildung auf der documenta bei. Um die etwa 20m lange Collage zu sehen, muss man zumindest am Wochenende Geduld haben. Allerdings lässt sich ein kleiner Blick auch über ein Durchgangsfenster erhaschen. Was da zu sehen ist, ist beeindruckend. Tausende von Einzelbildern wurden ausgeschnitten und gruppiert und ergeben so ein eindrucksvolles Gesamtbild. Es gibt unendlich viel zu entdecken und vermutlich könne man Stunden damit zubringen nur dieses Werk zu betrachten.

documenta 13: Geoffrey Farmer – Leaves of Grass

 

dOCUMENTA (13) – Documenta-Halle

In der documenta-Halle werden laut Begleitbuch “einige Kunstwerke, die durchdenken, was Malerei heute ist” gezeigt. Ausgestellt werden folgende Künstler

  • Etel Adnan
  • Thomas Bayrle
  • Nalini Malani
  • Julie Mehretu
  • Gustav Metzger
  • Moon Kyungwon und Jeon Joonho
  • Yan Lei

Gustav Metzger

Die Ausstellung beginnt mit den Bildern von Gustav Metzger. Seine Kreidezeichnungen liegen in abgedeckten Virtrinen, so dass die Besucher erst die Deckel anheben müssen, bevor sie seine Werke sehen können. Metzger ist heute ein Vertreter der sich selbst autodestruktiven Kunst. Seine aktuellen Werke sind so aufgebaut, dass sie aus sich selbst zerstört werden (so zum Beispiel eine Installation von Autos, die in ihren eigenen Abgasen explodieren). In Kassel wird jedoch sein Frühwerk ausgestellt: Zeichnungen in Schwarz- und Rottönen, die sehr düster wirken. Häufig stellen sie eng verschlungene Paare dar.

Julie Mehretu

documenta 13: Julie Mehretu – Gemälde 1

documenta 13: Julie Mehretu – Gemälde 2

Julie Mehretus auf riesigen Leinwänden gezeichnete Bilder, ähneln vor allem Bauskizzen. Sie entstanden, indem sie Stadtpläne und architektonische Skizzen auf die Leinwände projezierte und dort nachzeichnete. So entstanden vielschichtige Graphiken, vor denen man unendlich lange stehen und immer wieder Neues entdecken könnte.

Etel Adnan

documenta (13): Etel Adnan – Malerei

Von Etel Adnan werden Landschaftsmalereien in Primärfarben ausgestellt. Im völlig weißen, lichtdurchfluteten Raum, wirken die kleinen Leinwände mit den starken, leuchtenden Farben besonders faszinierend.

Über ein Nadelör, an dem sich der Besucherstrom stark staut, gelangt man zur unteren Ebene. Für den Stau verantwortlich ist die lange Schlange der Besucher, die in den Raum mit Yan Leis Bildern gelangen möchte. Dort werden 300 Bilder ausgestellt, die in einem Jahr entstanden sind. Jeden Tag suchte Yan Lei ein Bild im Internet, das auf Leinwand realisiert wurde. Während der Dauer der documenta werden nun jeden Tag einige der Bilder abgenommen und monochrom übermalt. Schon jetzt fallen die einfarbigen Flächen zwischen den bunten Bildern auf.

 Thomas Bayrle

Im Untergeschoss wird die große Halle von Thomas Bayrles Werken eingenommen. Zwei riesige Bilder an der Wand fallen auf. Besonders das Flugzeug, das aus kleineren Flugzeugen besteht, die aus kleinen Flugzeugen bestehen, fasziniert.

documenta 13: Thomas Bayrle – Flugzeug 1

documenta 13: Thomas Bayrle – Flugzeug 2

Daneben wird das Erlebnis in diesem Raum vor allem vom unglaublichen Lärm bestimmt, den eine Reihe von Automotoren machen. Unterstützt werden diese Geräusche durch Lautsprecher, mit denen gregorianische Gesänge abgespielt werden. Auch die Unterhaltungen des Publikums tragen dazu bei. Auch die schrille Trillerpfeife, mit der Besucher gehindert werden zu nahe an das Flugzeug heran zu treten, verstärkt den Krach.

documenta 13: Thomas Bayrle – Motoren

Nalini Malani

Durch einen dunklen, abschüssigen Gang gelangt man zu dem Raum mit Nalini Malanis Videoinstallation. Video und Schattenspiel zugleich, zeigt diese Installation ein Bild von Gewalt. Durch die Erzählstimme und die musikalische Begleitung wird dieser Eindruck noch verstärkt.

documenta (13): Nalini Malani – Videoinstallation 1

documenta (13): Nalini Malani – Videoinstallation 2

 

Ähnlich bedrückend ist auch die filmische Dystopie von Moon Kyungwon und Jeon Joonho. Auf zwei Leinwänden werden gleichzeitig eine sterile Zukunft und ein einsamer Künstler gezeigt. Auch hier tragen die Geräuschkulisse und die Dunkelheit des Vorführraums eindeutig zur niederdrückenden Stimmung bei.

Was machen eigentlich Literaturwissenschaftler?

Wer Literatur nicht einfach nur genießen und lesen möchte, sondern sie sich auch gerne über die Oberfläche hinaus erschließen, dem stehen verschiedene Wege dazu offen. Neben der klassischen literaturwissenschaftlichen Analyse nach Form und Inhalt gibt es auch die Möglichkeit zu überlegen, ob im Text bestimmte Themen besonders wichtig sind. Die Theorie ist, dass es in allen Gesellschaften “Kulturthemen” gibt, die sich auch in ihren jeweiligen Ltiteraturen wiederspiegeln. Solche Themen sind zu Beispiel: Geburt und Tod, Gewalt, aber auch alltäglicher erscheinende Dinge, wie Arbeit und Familienleben. Sehr viele solcher Themen sind vorstellbar. Findet man eines dieser Themen nun immer und immer wieder in der Literatur, so kann man davon ausgehen, dass es besonders präsent und wichtig für eine Gesellschaft ist. Die unterschiedliche Verarbeitung in der Literatur lässt dann auch Rückschlüsse auf die Situation der Gesellschaft an sich zu.

Ein Beispiel: Das Kulturthema “Arbeit”

Kathrin Röggla: Wir schlafen nicht

Im Buch kommen sieben verschiedene Personen zu Wort, die alle für eine bestimmte Firma auf einer Messe sind. Scheinbar in Interviews erzählen sie von bestimmten Aspekten des Stresses bei ihrer Arbeit. Businessslang bestimmt die hektischen, sich ständig wiederholenden Äußerungen. Durch konsequente Kleinschreibung und die phrasenhaften Wiederholungen macht das Buch die gestresste Atmosphäre, in der die Protagonisten leben deutlich.

Die völlig verrückte und unnatürliche Situation erinnert übrigens stark an Martin Suters Business Class.

Annette Pehnt: Mobbing

Der Mann der Erzählerin ist bei der Stadt angestellt. Eine typische Kleinfamilie der deutschen Mittelschicht. Doch mit der neuen Chefin ändert sich alles: Der Mann hat das Gefühl in der Arbeit gemobbt zu werden. Da jedoch seine Frau die Erzählerin ist, wissen wir schnell nicht mehr, was Wahrheit und was nur Angst ist. Die doppelte Vermittlung der Ereignisse lässt jede “Wahrheit” undurchschaubar werden. Die beiden Erwachsenen befinden sich in einer Spirale aus Angst vor Arbeitsverlust und Harz4 und gegenseitigem Misstrauen. Alle Lösungsversuche scheitern, so dass sogar die Kommunikation miteinander immer unmöglicher wird. Auch hier ist der große Vorteil des Buches, dass die Sprachlosigkeit, Angst und der zunehmende Verlust des Partners nachvollziehbar wird. Am Ende angekommen, ist man sehr froh wieder in einer weniger bedrückenden Realität angekommen zu sein.

Karen Duve: Taxi

Taxi ist der längste und konventionellste der hier vorgestellten Texte. Die Ich-Erzählerin Alex weiß nach dem Abitur nichts mit sich anzufangen und beschließt auf eine Annonce hin Taxifahrerin zu werden. Zunächst ist der neue Job ein großes Abendteuer: sie fährt nachts und erlebt eine unendliche Zahl  verrückter Begegnungen mit den unterschiedlichsten Menschen. Doch schließlich wird Alex von der quälenden Unentschlossenheit, die sie schon zum Taxi fahren gebracht hat, eingeholt. Die Kollegen zitieren frauenfeindliche Philosophen und drängen sie so in die Position der unterlegenen Kollegin. Alex wird von einer schrecklichen Müdigkeit ergriffen, die sie am aufstehen und Arbeiten hindert. Letztendlich wird das Taxifahren für Alex genauso zum Gefängnis, wie sie es von einem Schreibtischjob befürchtet hat.

Das Thema Arbeit in den Texten

Die drei Texte setzen sich auf völlig unterschiedliche Art und Weise mit dem Thema Arbeit auseinander: Die Hektik einer Messe, die Angst vor dem Verlust der Arbeit, der scheiternde Versuch aus dem vorgeschriebenen Lebenslauf auszubrechen. Doch genau damit spiegeln die Texte eine wichtige Thematik in der deutsche Gesellschaft wider: Wir erleben eine zunehmende Entgrenzung von Arbeit und Beruf. Immer mehr Menschen arbeiten von Zuhause und auch noch nach “Feierabend”. Die Harz4-Gesetzgebung hat die Angst vor dem Abrutschen in die Arbeitslosigkeit verstärkt und das Problem von Arbeitslosigkeit nicht gelöst. Auch die Frage nach “Erfüllung” durch den Beruf steht immer noch im Raum. Immer mehr Menschen arbeiten in kreativen Berufen, die von traditionellen Erwerbsbiographien (lebenslanges Arbeiten für einen Betrieb) weit entfernt sind. Gleichzeitig erleben sie, dass die versprochene Selbstverwirklichung auch durch diese Berufe nicht immer möglich ist.

Die Besonderheit der Verarbeitung solcher Themen in der Literatur ist, dass das Geschilderte nachfühlbar wird. Anders als Zeitungsberichte – in denen die Themen naturgegeben auch auftauchen – kann Literatur auf einer direkten emotionalen Basis vermitteln. Beim Lesen sind wir gewissermaßen für eine kurze Zeit die Personen, von denen die Geschichten handeln. Wir können in Rollen schlüpfen, die wir im realen Leben nie einnehmen könnten oder wollten. Und auch wenn die Erlebnisse, die wir in diesen Rollen machen nicht real sind: Sie hinterlassen ihre Spuren, sind Erkenntnisgewinn und Bereicherung und somit durchaus echt. Sie fördern das Verständnis für diejenigen, die unter Umständen solche Erfahrungen tatsächlich machen müssen. Denn: wir haben die Situation ja schon einmal selbst “erlebt”.

Challenge Roth

Am Sonntag, den 08. 07. fand die Challenge Roth, treffenderweise in Roth, statt.

Challenge Roth ist der jedes Jahr wieder stattfinde Triathlon in Roth, bei dem sich mehrere Tausend Menschen, aus verschiedenen Ländern, durch 3,8 km Schwimmen, 180 km Rad fahren und 42 km Laufstrecke quälen.

Dieses Jahr war ich Teil der Challenge Roth. Allerdings nicht als Triathletin, sondern als Teil des Helfer-Teams. Genauer genommen als Teil des Massage-Teams: Die Schüler*innen im ersten Ausbildungsjahr der Berufsfachschule für Physiotherapie und Massage Kybalion sind so gut wie jedes Jahr mit dabei als Masseure*innen bei der „Challenge Roth“.

Start der ersten Teilnehmer*innen war um 6:30 Uhr.

Treffen der Kybalion-Schüler*innen und Beginn zur Massage: 15 Uhr. Allerdings war ich schon eine Stunde vorher da, um mich zurecht zu finden und noch einmal kurz umzusehen.

Die Massagen haben in einem großen Zelt stattgefunden, in dem Biertische im Abstand von ca. 1,5 m aufgestellt waren. Auf den Tischen lagen je eine Bundeswehrdecke und ein weißes Laken, das laut Anweisung erst dann gewechselt werden sollte, wenn es total eingesaut sei. Das hieß also Laken falten und drehen und wenden, um das Ganze wenigstens einiger maßen hygienisch zu gestalten.Und natürlich wurde uns auch Massageöl zur Verfügung gestellt. So gegen 15 Uhr wurden auch schon die ersten vor Erschöpfung Zusammengebrochenen ins Zelt zu den Sanitäter*innen gebracht und auch vereinzelte Läufer*innen kamen schon zur Massage. Als um 17 Uhr das Hauptfeld ankam, hatten wir auch schon alle Hände voll zu tun. An den Seiten des Zeltes saßen wartende Triathlet*innen und immer mehr neue kamen ins Zelt. Kaum war man mit einer Massage fertig, lag schon der*die nächste bereit auf dem Tisch. Das ganze ging so etwa bis 21 Uhr, zu dem Zeitpunkt flaute der Ansturm endlich ab. Die Lehrer*innen gaben bekannt, dass wir um halb Zehn dann alle gehen dürfen. Naja, manche von uns waren da allerdings schon längst über alle Berge.

Für mich war der Tag insgesamt einfach grandios. Die Stimmung auf dem Gelände war so ansteckend und begeistert, dass mich die Menschenmassen nicht einmal groß störten.

Zwar waren die 6,5 Stunde Massieren sehr anstrengen. Aber zu hören wie toll man das ganze doch mache und dass man ein Engel sei, gleichen die ganze Anstrengung und die erschöpften Hände wieder aus. Da fiel uns auch gar nicht groß auf, dass es schon 21:45 Uhr war, als ich ich dann mit zwei Mitschüler*innen zum Bahnhof in Roth aufbrach. Zu unserem Zug, der laut Fahrplan schon um 22:03 abfuhr.

Hurra! Meine Uni hat gebaut!

Endlich wird er eröffnet! Der Neubau “Kulturwissenschaftliches Zentrum” der Uni Göttingen ist fertig und bezogen. Die offizielle Pessemitteilung findet man hier – und kann sogar einen sechsminütigen Werbefilm sehen.

Im Büro

Doch ist wirklich alles Friede-Freude-Eierkuchen? Die Mängelliste am Gebäude ist lang, die Bauarbeiten tatsächlich noch lange nicht abgeschlossen und die Mitarbeiter*innen zunehmend genervt. Muss es wirklich sein, dass es in einzelnen Büros bei schönem Wetter auch mal 40° C heiß wird? Denn nach allem was man als Student so an Gerüchten hört, ging der Uni bei Baukosten von 25,2 Millionen Euro am Ende doch das Geld aus, so dass das Flachdach nicht mehr isoliert werden konnte. Doch nicht nur das: Die engen Treppen machen es beinahe unmöglich, dass zwei Personen sie gleichzeitig nutzen. Oft genug steht man also abwartend am Treppenabsatz, dem entgegenkommenden Kollegen*innen im Einverständnis über die nervige Situation zulächelnd.

Im Seminarraum

Doch nicht nur die neuen Büros sind gewöhnungsbedürftig. An 60 x 120 cm kleinen Tischen in den Seminarräumen ist es nicht nur nahezu unmöglich entspannt nebeneinander zu sitzen, auch die für Geisteswissenschaftler*innen eher typische Menge an Unterlagen ist darauf nur mit großem Ordnungsgeschick angemessen unterzubringen.

Die anhaltenden Bauarbeiten rund um das Gebäude machen die gesprächsintensiven Seminare auch nicht einfacher. Lange waren noch letzte Arbeiten an der Außenfassade umzusetzen und an den Grünanlagen wird immer noch mit schweren Maschinen gearbeitet. Der Lärmpegel draußen ist hoch, doch ohne geöffnete Fenster ist drinnen die Luft vom vielen Denken viel zu schnell verbraucht. Ein Teufelskreis.

Hinzu kommt, dass es im Erdgeschoss mit immerhin 9 großen Seminarräumen keine einzige Toilette gibt, die für die öffentliche Benutzung gedacht ist. Der dreifache Gang zur Toilette aus Nervosität vor dem nächsten wichtigen Referat ist also umständlich und führt dazu noch in den Keller.

Großartige Bibliothek

Zugegeben: die Bibliothek dagegen, die 23 Teilbibliotheken der Kulturwissenschaften zusammenführt, ist großartig! Endlich nicht mehr durch die ganze Stadt fahren müssen, um ein Buch zu besorgen. Doch Moment: obwohl es wirklich viele Arbeitsplätze gibt, hat sich wohl schnell herumgesprochen, dass es hier sehr leise und hell ist und wirklich große Arbeitstische zur Verfügung stehen. Studierende aller Fachrichtungen kommen inzwischen um hier in Ruhe arbeiten zu können. So wird es zu den Stoßzeiten schon mal schwierig einen Arbeitsplatz zu bekommen. Das Konzept der unterschiedlichen Arbeitsplätze geht offensichtlich auf: mietbare Arbeitskabinen, Tageskabinen, Einzelarbeitsplätze und Räume für Gruppenarbeit sind schneller belegt als man gucken kann. Student*innen und Dozenten*innen schätzen die gut strukturierte Bibliothek mit den schnell auffindbaren Büchern offensichtlich.
Das gleiche Temaraturproblem wie im ganzen Haus gibt es überigens in abgemilderter Form auch in der Bibliothek: mit jedem Stockwerk das man erklimmt, steigt schon nach wenigen Sonnentagen die Temparatur derart, dass der Gedanke an Bademode und Pools in der Bibliothek unglaublich verlockend wird.

Behindertengerecht?

Doch der offensichtlichste Mangel: für einen Neubau ist das Kulturwissenschaftliche Zentrum erschreckend wenig barrierefrei. Die Eingangstür lässt sich von einer Person, die im Rollstuhl sitzt, trotz Türöffner auf keinen Fall benutzen. Immerhin muss man seitlich neben die Tür fahren, den Türöffner betätigen und bekommt dann auch schon die schwere Türe in den Weg. Die Behindertentoilette des Erdgeschosses, lässt sich nur über den Aufzug erreichen, denn sie liegt auf einer über drei Stufen zu erreichenden Zwischenebene. Darüber hinaus kann man die Türe zur Toilette noch nicht mal abschließen. Die Ansagen im Aufzug sind übrigens nicht verständlich, da Etagenansage und Hinweis auf das Öffnen der Tür nahtlos ineinander übergehen. Wie man als Rollstuhlfahrer*in die sehr schweren Zwischentüren im gesamten Gebäude öffnen können soll, ist mir darüber hinaus auch ein Rätsel.

Die Eröffnungsfeier

Heute Morgen wurde dieses Neubau mit den “guten Arbeitsbedingungen” feierlich eröffnet. Hochkarätige Gäste (die Bundesministerin für Bildung und Forschung, Prof. Dr. Annette Schavan; die Niedersächsische Ministerin für Wissenschaft und Kultur, Prof. Dr. Johanna Wanka) und Unileitung trafen sich dazu jedoch unter sich: Mitarbeiter*innen wurden nur eingeladen, wenn sie eine Halbzeitstelle hatten und mussten sich zudem per Formular anmelden, um eine Eintrittskarte zu bekommen. Dass sich die Universität nur bedingt für Studierende interessiert, ist diesen bekannt. Enttäuschend ist es jedoch trotzdem jedes Mal wieder, einfach so übergangen zu werden. Immerhin wird in der Öffentlichkeit ja gerne betont, dass das Kulturwissenschaftliche Zentrum ein hervorragender Ort zum Lernen sei.