Selbst gemachte Musik spielt in meinem Leben ja schon so lange ich denken kann eine Rolle. Als ich ganz klein war, gab es bei uns eine Heimorgel, die nach einem Umzug aus Platzgründen durch ein Klavier ersetzt wurde. Mit sechs Jahren habe ich angefangen Blockflöte zu spielen – nachdem mein Bruder und ich vorher schon jahrelang mit Stricknadeln die Zauberflöte dirigierten und mit besonderer Vorliebe im Auto die Arie der Königin der Nacht schmetterten.
In der ersten Klasse wollte ich schließlich Geige lernen – ein Instrument bei dem ich mit unterschiedlichem Übe-Eifer bis heute geblieben bin. Sehr viel später, die Geige klang für sich so alleine, alle anderen in meiner Klasse am musischen Gymnasium spielten es eh, kam dann noch das Klavier hinzu. Ebenfalls mit stark schwankendem Engagement, was das Üben betraf. Denn leider ist es ja so: Ich möchte weder Geige noch Klavier üben. Ich möchte Geige und Klavier spielen. Nicht hervorragend, schon gar nicht professionell, aber mit akzeptablem Mittelmaß so, dass es Spass macht. Gerne auch zusammen – bloß nicht so, dass ich alleine damit auftreten muss.
Ich liebe Musik. Aber ich höre kein Radio, kaum die Lieder in meiner iTunes-Bibiliothek, außer ein bisschen Bach, wenn ich mich konzentrieren muss, aber eigentlich ganz unkonzentriert bin. Zu viele Geräusche um mich rum machen mich hibbelig und ich konnte mich eigentlich noch nie gut konzentrieren, wenn irgendwas nebenher läuft. Ich werde allerdings – und das habe ich gerade mal wieder ganz besonders stark gemerkt – auch hibbelig und nervös, unausgeglichen und gestresst, wenn ich keine Musik mache.
Manchmal bedauere ich ja sehr, dass das, was früher Hausmusik war, mit dem Aufkommen von Schallplatten, Radio und allen anderen Methoden professionelle Musik aufzuzeichnen und distribuieren, irgendwie ausgestorben ist. Dass es nicht mehr nötig ist, sich zusammenzusetzen und gemeinsam zu singen und zu musizieren, damit Musik ins Leben der Menschen kommt. Dass die wenigsten Leute, die ich kenne, sich spontan hinsetzen und mehrstimmig stundenlang singen können. Aus dem Kopf. Natürlich ist das eine wunderbare Bereicherung für alle, denen es nicht möglich wäre selbst zu lernen, wie man musiziert. Natürlich gibt es immer noch genug Menschen, die sich hinsetzten und gemeinsam Musik machen. Und natürlich ist es mein besonderes Spezialproblem, dass ich mich nur selten mit Pop und Rock erwärmen kann und schon allein bedingt durch die Wahl meiner Instrumente, eher am klassischen Repertoire interessiert bin. Dass ich kein Bandmitglied bin und auch nie eines sein wollte. Aber manchmal bedauere ich doch, dass ich so wenig Menschen kenne, die nur für das persönliche Vergnügen, ohne den Ehrgeiz perfekt und schnell aufführungsreif zu sein Musik machen möchten.
Natürlich spiele ich trotzdem im Orchester (und singe im Chor), aber dabei geht es doch immer um die nächste Aufführung als Antrieb und Motivation. Und wenn etwas nicht klappt, nicht perfekt genug ist, dann sinkt schnell die Frustrationstoleranz und die Stimmung. Dann wird vergessen, dass das gemeinsame Zusammenspiel in jeder viel wichtiger ist, als die eine Aufführung am Ende des Semesters (und auch viel effektiver, wenn es darum geht, dass das Endprodukt schön und gefällig wird).
Ich möchte Stücke spielen und gemeinsam oder abwechselnd immer wieder an der selben Stelle scheitern. Drüber hinweg spielen. So lange von vorn anfangen, bis es doch ganz gut klingt. Gemeinsam spielend üben, statt stur alleine in meiner Kammer zu sitzen. Lieblingsstellen haben, die nur im Zusammenspiel herzzerreißend schön klingen. Ich möchte, dass egal sein darf, wenn sich eine auch nach dem 100. Mal noch immer verspielt. Ich möchte gemeinsam drüber lachen, dass wenn eine die Stelle endlich kann, sich promt die andere verspielt. Ich möchte keine Konzerte geben, nicht stundenlang üben müssen, bevor ich mich überhaupt mit jemandem treffen kann, um zusammenzuspielen. Ich möchte Musik machen und nicht üben. Gemeinsam. Denn das mit der Geige kann ich leider besser, aber alleine klingt sie mir nicht harmonisch genug. Gemeinsam. Denn auch wenn ich kein Publikum brauche: Es ist viel schöner, wenn nicht nur man selbst sich hört, wenn man sich nicht nur selbst hört. Ich möchte Stücke spielen, die leicht genug sind, dass sie irgendwie vom Blatt spielbar sind, so dass man zusammen dran arbeiten kann, dass sie auch schön werden. Die nicht die Technik herausfordern, sondern das Gefühl für Zusammenspiel und Klang.
Ich möchte gemeinsam Musik machen. Weil gemeinsam glücklich macht. Weil Musik machen glücklich macht.