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Was ich programmieren würde…

… wenn ich programmieren könnte

Nachdem ich im vergangenen Wintersemester mich aus Gründen erst mal drauf konzentriert habe, mich persönlich weiter zu entwickeln, Menschen kennen zu lernen, zu reden, zu kochen, fernzusehen und viele echte neue Freunde zu finden, sitze ich seit zwei Wochen endlich, endlich konzentriert an meiner Masterarbeit. Dass ich ursprünglich mal den Plan hatte JETZT damit fertig zu sein, vergesse ich einfach sofort wieder. Denn dass das nicht klappt, war schon im Dezember absehbar und ich denke, dass es wirklich wichtig für mich war im letzten Vierteljahr eben nicht zu hundert Prozent auf mein Studium konzentriert zu sein, sondern sehr viele andere Dinge zu tun, die ich dafür in den drei Jahren Bachelorstudium nicht in diesem Ausmaß getan habe. Gut, das mit dem Timing war irgendwie schlecht, aber man kann sich so was ja jetzt auch nicht gerade aussuchen.
Dass ich gerade eigentlich jeden Tag mindestens zwei Stunden produktiv lese, normalerweise aber tatsächlich vier bis fünf Stunden Arbeitszeit komme, fühlt sich leider nur jeden einzelnen Tag nach NICHT GENUG an. Dabei zeigen leidvolle Erfahrungen aus meinem bisherigen Studium durchaus, dass fünf Stunden konzentriertes Lesen und Denken am Tag immer noch dazu führen, dass ich sehr genau darauf achten muss, mich genug an der frischen Luft zu bewegen, genug Pausen zu machen, Abschalt-Tage einzuplanen, um nicht am Ende völlig denkunfähig und überlastet zu sein. Mein Gehirn ist leider eine kleine Festplatte, die regelmäßig neu gestartet werden muss, um alle Daten richtig abzuspeichern. Und leider meint Neustart nicht, mal eben schlafen, sondern es braucht echte Ruhetage.
Nun sitze ich aber hier vor vier unterschiedlichen thematischen Bücherstapeln und obwohl ich jeden Tag bestimmt 100 Seiten ganz unterschiedlich schwieriger Texte lese (und die meisten sind doch eher anstrengend), habe ich das fiese Gefühl nicht vorwärts zu kommen. Möchte mir nicht bitte eben mal jemand eine App schreiben, die anhand von Seitenangaben in meinen Exzerpten berechnet, wie viele Seiten ich gelesen habe. Der ich im Idealfall auch noch sagen kann, ob es sich um schwer oder leicht zu lesende Bücher handelt. Eine App, die mir am Ende des Tages sagt: „Heute hast du sooooo viel gelesen. Das ist ganz wunderbar von Dir.“ Denn: ich lese seit gefühlten Jahren die selben vier Bücher und es fühlt sich nicht so an, als würde ich demnächst mit neuen anfangen können.

Vom Märchenleser zum Serienjunkie (10)

Formen des “Fortsetzens”

Ein Gastvortrag von Daniel Stein über Comics und Formen des Fortsetzens oder Rezeption ist Produktion ist Rezeption.

Üblicherweise wird angenommen, dass die Rezeption und die Produktion von Erzählungen streng voneinander getrennt sind. Tatsächlich sind beide jedoch normalerweise miteinander verbunden.

Die wissenschaftliche Beschäftigung mit Populärkultur beginnt mit Horkheimer und Adorno und der kritischen Theorie. Dort werden populäre Produkte als Ideologie, Verdummung, Berieselung und Indoktrination für die Massen gesehen. Die britischen Cultural Studies mit Fiske und Hall sehen populäre Kulturen dagegen als einen Prozess der Rezeption durch Umdeutung für eigene Interessen, während die amerikanischen Cultural Studies, vertreten durch Jenkins, popular culture als participatory culture betrachten. Das Interesse der Fans und ihr Umgang mit den Erzählungen führt zu neuen Inhalten.

Schon seit dem 19. Jahrhundert sind serielle Formen und Populärkultur eng miteinander verbunden. Durch das offene Ende können die Erzählungen beeinflusst werden (feedback loops). Das Rezeptionsverhalten von Fans kann Einfluss auf die Fortführung der Erzählung haben. Auch in der Literaturwissenschaft wird von Chabon, Bachtin und Kristeva zunehmend die generelle Intertextualität von Literatur herausgestellt (“all novels are sequels”).
In seriellen Erzählungen werden alle Faktoren, die Variierungen zulassen (Orte, Figuren, Handlungen…) auch variiert. Dabei wird das Erzählen mit längerer Laufzeit immer schwieriger, weil die Variationsmöglichkeiten zunehmend begrenzt werden. Der Rückgriff auf Varianten ist aber nötig, damit die Geschichte erkennbar bleibt. Das große Interesse an den immer gleichen Inhalten und Erzählstruckturen zeigt auch die große Menge der Spinn-offs und Remakes.

Comics sind multimediale Zeichensysteme. Sie erzählen ihre Handlung in Sequenzen/Panels. Die meisten Comics werden in Form von Serien erzählt. Die ersten Comics erschienen dabei in den 1930er Jahren. 2014 sind Superhelden im Alltag angekommen und überall zu finden. Grund dafür sind die Serialität von Comics und die besonders enge Verflechtung von Produktion und Rezeption. Die Produktion serieller Erzählungen ist dazu auch eine Form der Selbstrezeption, indem verschiedene Möglichkeiten des Handlungsverlaufs durchgespielt werden. Häufig haben Serien dabei auch den Drang sich selbst oder Konkurrenz zu überbieten. Durch die ständige Wiederholung entstehen Klisches, die Anlass zu Parodien oder Spoofs bieten.

In den 60er Jahren werden in Comics Leserbriefe abgedruckt, in denen die Leser alle Aspekte kommentieren, die für die Erzählung der Comics relevant sind. Für die Produzenten entsteht damit eine wichtige Quelle von Feedback. Hinzu kommt, dass diese Leserbriefe Theorien zur Serie produzieren. Dieses Expertenwissen führt wiederum zu neuen Serienformaten, denn auch die gesteigerten Erwartungen müssen erfüllt werden.

Serien-Rezeption ist häufig eine Form von Immersion. Serien prägen die Identität und den Lebensstil ihrer Fans. Sie führt zu (imaginären) Formen von Vergemeinschaftung und institutionalisierter Fan-Kultur.

Vom Märchenleser zum Serienjunkie (9)

Unterhaltung im Medientakt: Zeitstrukturen und Meidenkonsum

Alltagsleben völlig ohne Struktur ist quasi unmöglich. Allein Essen und Schlafen brauchen eine gewisse Regelmäßigkeit. Auch der Jahres-, Monats-, Wochen- und Tageslauf stellen eine „natürliche“ Struktur des Lebens dar. Erzählungen sind mit dem Jahreslauf und (religiösen) Ritualen verbunden. Trotz Säkularisierung sind solche Erzählungen auch immer noch gesellschaftlich präsent. Darüber hinaus können Erzählungen Arbeitsrhythmen, Unterhaltungs- und Ruhephasen strukturieren. So gehört das Erzählen von Geschichten z.B. eher in die dunkle Jahreszeit. Durch Medien wird diese Taktung des Alltags verdichtet. Künstliches Licht und Uhren veränderten die traditionellen Rhythmen von Arbeit und Erholung. Durch den Buchdruck und weitere Medien wurde dann der Medienkonsum zwar zur Sache des Einzelnen, gleichzeitig war aber eine neue Form der Vergemeinschaftung damit verbunden. Diese entstand dadurch, dass durch die Medien feste Strukturen geschaffen wurden, an denen viele Menschen partizipierten. So waren Tageszeitung, Tagesschau und bestimmte Serien bis zur flächendeckenden Nutzung des Internets, wo Nachrichten und Unterhaltung jederzeit für jeden verfügbar sind, Formen, die breite Bevölkerungsschichten miteinander verbanden.
Mediale Angebote führten also lange zu einer Verdichtung der Strukturierung des Alltags, die sahen feste Konsumzeiten vor und lieferten verlässlichen Gesprächsstoff. Durch Smartphones und Tablets wird der Konsum von medialen Inhalten zwar zeitlich unabhängiger, dennoch sind gewisse (alte) Rituale des Medienkonsums (noch) habitualisiert und strukturieren weiterhin den Alltag.

Ob dieser Wandel in der medialen Landschaft auch Auswirkungen auf die Aufnahmefähigkeit hat, ist noch nicht geklärt. C. Hayles unterscheidet zwischen Tiefen- und Hyperaufmerksamkeit. Diese sind aber nicht an den Konsum bestimmter Medienarten gekoppelt. Auch Computerspiele verlangen Tiefenaufmerksamkeit und Lesen kann Hypernetze generieren. Schon in alten Quilts (mit unterschiedlichen Stoffen und Mustern, die nur von Experten entziffert werden können), werden „Hyperlinks“ gesetzt. Neu ist vor allem das Tempo, die Vielfalt und die Art der Datenträger von Hyperverbindungen. Während einerseits immer mehr Berufe Hyperaufmerksamkeit zwingend notwendig machen, gibt es andererseits zunehmend Versuche mit Handarbeit, Yoga und Meditation Gegenkulturen zu schaffen, um Pausen von der Übersimulation zu ermöglichen. Gerade Online-Spiele bieten allerdings eine Form der digitalen Vernetzung, die dem Bild vom vereinzelten Nerd entgegensteht.

Die tiefen Gräben zwischen „Hoch-“ und „Populärkultur“ werden nur langsam aufgebrochen. Die Analyse des seriellen Erzählens trägt dazu ebenso bei, wie das Entstehen neuer medialer Formen durch das Internet. Gerade der hohe Distinktionswert von Smartphones spielt dabei eine Rolle. Hinzu kommt, dass durch Fernsehen und Radio schichtgebundene Unterhaltung immer mehr aufgehoben wurde und die Trennung in „hohe“ und „niedere“ Unterhaltung in den Medien zunehmend erschwert wurde. Auch Werbung trägt zu diesem Prozess bei, besonders weil hochkulturelle Werbung schwierig zu machen ist.
Bis in die 70er Jahre steht „U-Kunst“ unter hohem Rechtfertigungsdruck. Auch die Wissenschaft beschäftigt sich lange nicht mit Massenunterhaltung. In der Kulturanthropologie wird dieses Tabu erst durch Hermann Bausinger und besonders Kaspar Maase aufgebrochen. Maase kommt dabei das Verdienst zu, die „Schmutz- und Schunddebatte“ aufgearbeitet und „das Recht der Gewöhnlichkeit“ verteidigt zu haben. „Schundliteratur“ hat zwar einerseits einen erstaunlich hohen Leserkreis, andererseits zeigt die Klassifikation ein Bedürfnis Geschmack zu disziplinieren. Besonders deutlich sieht man solche Prozesse heute an der Auseinandersetzung um Computerspiele.
Insgesamt kann gesagt werden, dass Populärkultur ein essentielles Handlungsfeld der Moderne ist, dessen Analyse mehr Aufschluss über die Gesellschaft gibt, als die Analyse von Hochkultur und mündlicher Tradition.

Serielles Erzählen ist keine Erzählform, die im Zusammenhang mit technischen Entwicklungen steht. Schon die Geschichten aus 1001 Nacht, Epen oder das ritualisierte Vorlesen einzelner Kapitel einer Geschichte zum Einschlafen sind seriell. Etwa seit den 1860er Jahren werden in Printmedien serielle Erzählungen abgedruckt.
Beim seriellen Erzählen gibt es eine starke gegenseitige Beeinflussung von Produktion und Konsumption. Einerseits beeinflusst die Erzählung das Alltagsverhalten der Konsumenten, indem zum Beispiel sehnsüchtig auf den Erscheinungstermin des nächsten Teils gewartet wird, andererseits führt das Beharren der Konsumenten auf das Einhalten von Erscheinungsterminen auch zu veränderten Produktionsbedingungen. Hinzu kommt, dass die regelmäßigen Aufträge eine finanzielle Absicherung für Autoren darstellen.

Frank Kelleter stellt verschiedene Thesen zur Serialität als Erzählprinzip auf:

  • Befriedigung der Nicht-Abgeschlossenheit, weil durch das aufgeschobene Ende ein Versprechen auf Fortsetzung besteht
  • Negatives Figurendoppel, denn was wäre der Held ohne einen Gegenspieler?
  • Serialität verändert im 20. Jahrhundert kulturelle Sphären signifikant
  • Figurenkonstanz und Schematisierung der Produktion
  • arbeitsteilige Produktion der Erzählung
  • hohe Marktabhängigkeit
  • starke Intermedialität und Setzen auf Wiedererkennungseffekte (bspw. Schauspieler, die aus anderen Serien erkannt werden)

Zwei Links zu Forschungsprojekten, die sich mit populärer Serialität beschäftigen:
Sonderforschungsbereich 240 (1985-2000) „Ästhestik, Pragmatik und Geschichte der Bildschirmmedien“

DFG Forschergruppe 1091 (2010-). „Ästhetik und Praxis populärer Serialität“

Vom Märchenleser zum Serienjunkie (8)

Kontexte und Rezeptionswissen: Von Großmutters Schoß zu Kino und Fernsehen

Die Ever After High Filme sind „intertextuell“ und intermedial. Zum einen greifen sie das Genre des High-School-Movies auf, zum anderen werden Märchencharaktere aus dem Medium des Märchens in das des Films übertragen. Die Figuren können im Film nur erkannt werden, weil das kulturell notwendige Kontextwissen vorhanden ist.

Erzählungen wird häufig der Aspekt von Tradierung und Tradition zugeschrieben. Allerdings gibt es keine „reine“ Tradition, wie sie auch in der Wissenschaft bis in die ‘60er angenommen wurde, da es auch keine „Originaltexte“ gibt. Texte werden beim erzählen immer verändert, neu geformt, verlängert, gekürzt. Jedes Vortragen eines Textes macht diese Performanz zu einem ephemeren Original. Erst mit der Veränderung der Medien, die Texte haltbar und reproduzierbar machen, entsteht überhaupt die Frage nach dem Copyright und damit die nach dem Original eines Textes.

Typische Rezeptionskontexte sind die Familie oder die Bühne. Wird in der Familie erzählt, ist das intime Setting und das Zuhören wichtiger, als die Herkunft der Geschichte. Die Erzählstimme wechselt zwischen verschiedenen Personen und im Gespräch wird häufig erst Ausgehandelt, was die richtige Geschichte ist. Im Gegensatz dazu schaffen Bühnen eine Hierarchie zwischen Zuschauern und Sprechern, die Autorität über das Erzählte haben. Allerdings gibt es auch hier Formen, bei denen die Interaktion zwischen Publikum und Performierenden gewünscht ist, wie beispielsweise im Kasperletheater.

Durch Leinwände und Bildschirme werden die Körper der Zuhörenden diszipliniert. Kinos haben den Anspruch Filmtheater zu sein und zwingen die Körper des Publikums in eine bestimmte formelle Haltung, die auf die Leinwand ausgerichtet ist (Gleichzeitig schaffen sie aber mit Popcorn und Cola ein informelleres Setting, bei dem beim Genuss einer Erzählung gleichzeitig Essen konsumiert werden darf.) Mit der zunehmenden Alltagsintegration von Bildschirmen durch die Allgegenwart von Computern und Smartphones wird der Rezeptionskontext von medialen Inhalten zunehmend informeller. Auch hier lässt sich eine Gleichzeitigkeit im Konsum von Geschichten und Nahrung beobachten. Wie sich diese geteilte Aufmerksamkeit auf Rezeptionsverhalten und Interaktion mit anderen auswirkt, ist allerdings noch nicht erforscht.

Wie Bachtin, Barthes und Kristeva in ihren Arbeiten zu Intertextualität herausstellen, sind Texte nicht ohne andere Texte vorstellbar. Alle Texte greifen immer auf andere Texte zurück. Dies kann strukturell, inhaltlich oder stilistisch geschehen. Aber auch die Performanz oder Inszenierung eines Textes kann auf andere Performanzen und Inszenierungen verweisen. Diese intertextuellen Bezüge sind dabei nicht immer positiv, sondern können auch als Abgrenzung vorhanden sein.

Der Begriff der Intermedialität ist die logische Erweiterung des Begriffs der Intertextualität. Nun geht es nicht nur um Bezüge zwischen Texten, die im selben Medium vorliegen, sondern zwischen Erzählungen, die in unterschiedlichen Medien präsentiert werden. Geschichten können Medienwechsel durchmachen, wenn zum Beispiel aus einem Comic ein Film wird. Wenn gewisse ästhetische Aspekte gekoppelt werden, werden die Anspielungen auf ein anderes Medium deutlicher. Die Shrek-Filmreihe ist ein gutes Beispiel für intermediale Übernahmen: Märchenfiguren werden aus Buchmärchen in den Film geholt, die Filme sind als Parodie auf die Disney-Märchenfilme zu sehen und es werden jede Menge Figuren aus anderen Erzählungen „ausgeliehen“. Durch solche intermedialen Verknüpfungen entsteht ein Sehgenuss speziell für Erwachsene, da zu ihrem Erkennen ein bestimmtes Vorwissen vorhanden sein muss.

Vom Märchenleser zum Serienjunkie (7)

Angstlust, also das Vergnügen daran sich freiwillig in Situationen zu begeben, in denen Angst empfunden wird, wird von Filmen durch verschiedene Erzählstrategien besonders gefördert. In Psycho wird beispielsweise schon durch die schwarz-weiß Bilder ein Entfremdungseffekt erzielt. Bestimmte Kameraperspektiven steuern die Perzeption des Zusehers. Die Inszenierung und besonders die Filmmusik machen die Erzählung eigentlich erst Angsteinflößend. Dabei wird geschickt mit erzählerischen Steigerungen gespielt, die üblicherweise zu Horrormomenten führen, ohne dass diese Erwartung dann eingelöst wird.

Humor und Aggression

Nach Propp und Jolles haben einfache Formen bestimmte Emotionen zugeordnet. Die Oberflächenstruktur der Erzählung bestimmt die hervorgerufenen Emotionen.
Das Kategorisieren von Erzählgattungen und die dadurch hervorgerufenen Erwartungen hat also eine gewisse Tradition

Bambi war 1942 der erste abendfüllende Tierfilm. Bambi meets Godzilla von 1963 wird bist heute auf der Liste der 50 besten je gemachten Cartoons geführt. Was auch die Menge der davon inspirierten Kurzfilme beweist.

Lachen gehört zu den Emotionen, die Menschen zu Menschen macht. Es ist eine „physische Reaktion auf eine kognitive Erfahrung“. Menschen lachen über Dinge, die ihnen Spass machen, um Konflikte abzuwenden, aus Erleichterung nach Angstsituationen. Lachen kann jedoch auch eine Drohgebärde sein oder Überlegenheit demonstrieren.

Verschiedene Wissenschaftler haben sich theoretisch mit dem Lachen auseinandergesetzt. Henri Bergson versuchte um 1900 eine Theorie des Komischen aufzustellen. Michail Bachtin hat mit seinen Forschungen zum Karneval Mitte des 20. Jahrhunderts das anarchische Potential von Lachen und Humor untersucht. Er stellt den Karneval als Zeit der sozialen Umkehr und der möglichen Tabuverletzungen heraus. Freud dagegen hat sich mit dem Witz als spezifischer Erzählgattung beschäftigt.

Humor wird seit dem 18. Jahrhundert ausgehend von England zur grundsätzlichen Einstellung gegenüber der Welt. Er bildet dabei einen psychischen Ausgleich. Die Fähigkeit Dinge mit Humor zu nehmen ist im Gegensatz zum Lachen allerdings nicht angeboren.

Komik wirkt in Erzählungen vor allem über den Intellekt. So wird zum Beispiel eine Einheit aus Gegensinnigem oder Inkongruentem gebildet oder starke Kontraste zwischen Inhalt und Stil verwendet, die dann verstanden und entschlüsselt werden müssen. Komik wird von Lust und einem positiven Lebensgefühl getragen, kann aber auch Aspekte von Aggression enthalten.

Humorvolle Erzählgattungen wie Witz, Schwank, Seemansgarn oder Lügenmärchen, arbeiten häufig mit Elementen der Statusgefährdung und Untergrabung. So beispielsweise bei der Erzählung von Majestix aus Asterix oder dem verkehrten Herrschaftsverhältnis in Jeeves and Wooster. (Der Trailer ist leider nur auf deutsch verfügbar, aber man sollte Jeeves and Wooster DRINGEND und am besten auf englisch angucken.)

Die Markierung als Witz im performativen Erzählrahmen macht es häufig möglich Dinge zu sagen, die anders nicht sagbar sind und schützt somit vor negativen Konsequenzen. Auch der Verweis darauf, dass mit dem Witz nicht primär eigene Gedanken wiedergegeben werden, hat diese Schutzfunktion.
Witze sind eine recht gut untersuchte Gattung, wie zahlreiche Witzsammlungen, Aufsätze und Publikationen belegen. Im Gegensatz dazu sind allerdings die Erzählkontexte und die Rezeption eher schlecht erforscht.

Psychologie und Psychoanalyse haben sich mit fantasievollen Erzählungen auseinandergesetzt. Freud sieht phantastische Erzählungen als Zeichen von Realitätsverlust und Produkt von Neurosen und Störungen. Das Lachen als Lustgewinn gegenüber unterdrückten (sexuellen) Bedürfnissen. Jung dagegen bewertet Fantasie positiv. Er sieht ihn fantasievollen Geschichten einen kollektiven Fundus angeborener Bilder (Archetypen).
Darüber hinaus wird auch immer wieder der hohe Nutzen von Erzählungen bei der individuellen Reifung betont. Bettelheim weist besonders auf den Nutzen von Märchen hin. Dass Märchen aktuell als besonders brutale Erzählungen angesehen werden können, ist ihm zufolge nicht so relevant, da Kinder diese Brutalität erkennen und verarbeiten könnten.

Vom Märchenleser zum Serienjunkie (6)

Angst und Horror, Rührung und Schmerz

Wie kommt es, dass echte Angst und echter Horror psychisch äußerst anstrengend sind, fiktive Angst und fiktiver Horror dagegen sehr beliebt?

Angst, so die eine These, entsteht durch die Verlusterfahrung, die jeder Mensch bei seiner Geburt macht. Angst, so die anderer These, ist immer die Angst gefressen zu werden. Aus kulturanthropologischer Sicht sind diese beiden Vorstellungen zwar zu weit gegriffen, gesellschaftlich sind sie jedoch durchaus populär. Während also nicht so ganz klar ist, wie Angst ursprünglich entsteht, kann aber beobachtet werden, dass Erzählungen die Möglichkeit bieten, Angst sekundär zu erleben. Die menschliche Fähigkeit sich Emotionen vorzustellen und fast identisch zu erleben, macht es möglich, dass Emotionen erlernt werden können.

Menschen tendieren darüber hinaus dazu, bewusst nach Formaten zu Suchen, die bestimmte Emotionen hervorbringen.

Allerdings sind unterschiedliche Emotionen unterschiedlich leicht öffentlich auszuführen: Lachen ist beispielsweise eine deutlich einfachere und akzeptierte Emotion als Weinen. Hinzu kommt, dass durch Erzählungen hervorgerufene Tränen und Rührung gleichzeitig das Gefühl hinterlassen, der Geschichte auf den Leim gegangen zu sein.

Bestimmte erzählerische Genres haben besonders ausgeprägte gesellschaftliche Funktionen. Mythen beispielsweise erzählen vom Ursprung der Welt und machen die Zukunft ertragbar, indem sie ritualisierende Wiederholungen einbauen und Tod und Nachleben erklären.

In der Folge wird in gesellschaftlichen Auseinandersetzungen häufig auf Erzählungen zurückgegriffen, als wären die in den Erzählungen transportierten Inhalte absolute Wahrheiten, um so bestimmte Positionen zu begründen.

Unterhaltung ist häufig nur die oberflächliche Funktion von Erzähltem. Stattdessen geht es darum bestimmte kulturelle Praxen zu validieren, Institutionen und Regeln zu erklären und legitimieren. Erzählungen haben also gewisse erzieherische Funktionen, indem sie Alltagswerte und Verhaltensweisen vermitteln. Diese verschiedenen Funktionsebenen von Erzählungen sind aber miteinander verschlungen und häufig nicht so einfach isolierbar.

Erzählungen die Angst hervorrufen, um somit Strategien der Angstbewältigung zu vermitteln, sind sowohl historisch als auch aktuell sehr populär. Ob es sich um Sagen von schlechten Herrschern, gefährlichen Berufen und Monstern oder um die Gefahr neuer Technologien und gefährlichen fremden Kulturen handelt, als Konstante bleibt immer die Warnung vor Sittenverfall und Blamage.

Vom Märchenleser zum Serienjunkie (5)

Technische Innovationen und Sinnesarbeit

Durch Medien werden Erzählungen verändert.

Im Kommunikationsmodell nach Jacobson steht zwischen dem Sender und dem Empfänger einer Nachricht nicht nur die Nachricht selbst, sondern auch ihr Kontext, ihr Übermittlungskanal und ihr Code. Erst aus dem Zusammenspiel der verschiedenen Vermittlungsaspekte ergibt sich die eigentliche Botschaft.

Durch den Druck verändert sich so zum Beispiel auch, wie Geschichten vorgetragen werden:

Die Zuhörer können jetzt nicht nur der Geschichte zuhören und eigene Bilder im Kopf haben, sondern bekommen Illustrationen mitgeliefert. Aus heutiger Sicht mag dies banal und wenig imposant wirken, aber historisch gesehen sind in einer Zeit der Bilderarmut solche Geschichten mit gelieferten werden sehr einprägsam.

Mit dem Buchdruck wird schließlich der Zugang zu Wissen für breite Bevölkerungsschichten revolutioniert. Neben Enzyklopädien und der Bibel ist plötzlich auch Literatur leichter zugänglich. Kolporteure verbreiten Volksbücher und andere Geschichten als Hausierer. Die Zensurbehörden versuchen dabei mit pädagogischen Maßnahmen auf die verbreiteten Inhalte einzuwirken. Gleichzeitig werden als minderwertig verschrieene Bücher aber auch von einer intellektuellen Oberschicht interessiert gelesen.
Die Kritik am billigen Massenvergnügen endet dabei allerdings nicht mehr, sobald sie einmal begonnen hat. Während früher besonders Unterschiede zwischen „hoher“ und „populärer“ Literatur gezogen wurden (oder dem literarisch wertvollen Drama im Gegensatz zum „Schundroman“), wird Medienkritik heute besonders am Fernsehkonsum sichtbar. Allerdings ist auch hier ein Umbruch zu spüren: Etwa seit 2000 entsteht „Quality TV“, wo bestimmte Serien als besonders herausragendes Erzählen interpretiert werden. Dies gilt zum Beispiel für Sorpanos, Mad Men oder auch Sherlock. Man könnte nun unterstellen, dass dieser Aufwertungsprozess hauptsächlich das Ziel hat, auch hochkulturell-positionierten Fernsehkritikern zu ermöglichen ohne schlechtes Gewissen Serien zu konsumieren.

Das steigende Tempo in der Produktion von neuen Geschichten (Serien!!) verändert die Erwartungen der Konsumenten an Geschichten.
http://www.youtube.com/watch?v=YlrP2IR58

Zitate aus der Wissenschaft 5

Ich sehe zum Beispiel zu, wie mein Schwager meinen eigenen ungezogenen Sprößling verprügelt, und weiß, daß es sich dabei um einen Fall von Verprügeln handelt, einen auch zwischen anderen Onkeln und Neffen üblichen Vorgang, ja, geradezu um die Regel in einer matrilinearen Gesellschaft. Nur wenn das letztere der Fall ist, nimmt der einzelne Vorgang einen gesellschaftlich selbstverständlichen Verlauf: als leiblicher Vater ziehe ich mich diskret von der Szene zurück, um die legitime Ausübung von Onkelpflichten nicht zu stören.

Zitat aus Berger/Luckmann Die gesellschaftliche Konstruktion der Wirklichkeit. Berger und Luckmann beschreiben welche Prozesse nötig sind, damit Gesellschaft (und das, was wir als Wirklichkeit wahrnehmen) entstehen können. So im großen und ganzen ist das alles auch sehr einleuchtend. Aber auf jeder dritten Seite kommen dann leider Beispiele zur Illustration der Thesen, die insgesamt vielleicht nicht ganz so brutal sind, wie das obige, aber doch eher verwirrend. Gerade sitze ich vor dem Buch und denke vor allem WTF?!?!!!!

Ich hätte einfach nach folgendem Zitat aus dem Vorwort doch das Buch wieder zuklappen sollen:

Es ist bei obwaltendem Anlaß üblich, auch der unwägbaren Hilfe von Ehefrauen, Kindern und etwas zweifelhafteren Angehörigen genüge zu tun […] danken wir Brigitte Berger und Benita Luckmann – mehr noch als für wissenschaftlich irrelevante private Rollen-Auffassung – für Kritik als Soziologinnen und für die standhafte Weigerung, sich leicht beeindrucken zu lassen.

An dieser Stelle habe ich mich das erste Mal gefragt, ob Berger/Luckmann überhaupt zu irgendwelcher Selbstreflexion fähig sind, wie die beiden Gattinnen das mit der Rollenverteilung sehen und wie blind Patriarchat eigentlich macht…

Vom Märchenleser zum Serienjunkie (4)

Vorlesen und Lesen – Bild, Schrift und Performanz

Fiction has two uses. Firstly, it’s a gateway drug to reading. The drive to know what happens next, to want to turn the page, the need to keep going, even if it’s hard, because someone’s in trouble and you have to know how it’s all going to end … that’s a very real drive. And it forces you to learn new words, to think new thoughts, to keep going. To discover that reading per se is pleasurable. Once you learn that, you’re on the road to reading everything. And reading is key.
Neil Gaiman im Guardian

Die Fähigkeit zu Lesen ist eine Schlüsselqualifikation. Nicht nur, weil man sich ohne lesen zu können nicht in unserer Welt zurecht findet, sondern auch, weil das Lesen fiktiver Texte die Phantasie und Vorstellungskraft fördert.

Schrift stellt die erste Revolution für die menschliche Begeisterung für Geschichten und Erzählungen dar. Denn nun können Geschichten festgehalten werden und “verschwinden” nicht mehr direkt, nachdem sie erzählt wurden. Tatsächlich stellen Geschichte und Geschichten neben Gesetzestexten die ersten aufgeschriebenen Texte dar. Die zweite Revolution ist dann der Buchdruck. Bald sind Geschichten nicht mehr nur einer kleinen Minderheit sondern für die breite Masse zugänglich.

McLuhan (the medium is the message) beschreibt, wie durch die Form des Mediums, in dem eine Botschaft transportiert wird, sich diese selbst verändert. Dabei spielt besonders die Halbarkeit von Trägermedien (Pergament vs. CD-Rom) und der Einfluss des Mediums auf die körperlichen Aspekte der Rezeption (Buch in der Hand vs. Reader) eine Rolle.
Die Verschriftlichung und die Möglichkeit des Alleine-Lesens kann dabei als erster Schritt zu Individualismus (oder negativer ausgedrückt zu Vereinzelung) gesehen werden. Durch die Rezeption fiktiver Texte für sich allein wird ein Ausbruch aus der Gemeinschaft möglich.

Walter Ong sieht in der Entwicklung der Medien keinen Übergang von Mündlichkeit zur Schriftlichkeit, sondern betont, dass geschriebene Texte mündlich vorgetragene ergänzen.
Er stellt einerseits die Dynamik des Mündlichen heraus, in der Formeln und Erinnerungshilfen gebraucht werden, um einen sich immer verändernden und niemals gleichen Text vorzutragen. Andererseits zeigt er, wie durch Schreiben als technologischem Entfremdungsprozess Bewusstseinsveränderungen entstehen und analytisches Denken geschult wird.

Die Gewöhnung an neue Medien ist dabei nicht immer ganz einfach:
User-Helpdesk im Mittelalter from Jonas Köhne on Vimeo.

Lesen als kulturelle Praxis ist eine Fähigkeit die sich nur langsam verbreitet hat. Lange war die Fähigkeit zu lesen nur wenigen vorbehalten und zudem ein Akt der “Vermündlichung”. Denn es wurde nicht leise für sich, sondern laut für viele gelesen. Viele Texte spielen deshalb auch lange mit dem Zwischenstadium von geschriebenem und gesprochenem Text. Im Gegensatz zur Geschichte des Mediums Buch ist allerdings auch die Geschichte der Praxis des Lesens nur schlecht erforscht. Dies liegt unter anderem daran, dass es nur wenige geeignete Quellen gibt, anhand derer die historische Entwicklung des Lesens untersucht werden könnte.