Tag Archives: Märchen

#20Bücher – Tag 4

Auf Mastodon läuft gerade die Challenge #20books bzw. #20Bücher.

Book Challenge: 20 Bücher, die dich geprägt haben. Ein Buch pro Tag, 20 Tage lang. Keine Erklärungen, keine Bewertungen, nur Buchcover.

Tag 1, Tag 2, Tag 3

Tag 4:

Die Auswahl für ein Astrid Lindgren Buch fiel mir echt schwer. Hat mich nicht doch die neugierige Madita am meisten beeinflusst? Oder die freche, großzügige Pippi – nein ich glaub nicht, die war mir immer zu großspurig. Aber vielleicht die Sommererlebnisse der Kinder aus Bullerbü? Oder waren wir zuhause nicht doch am ehesten die Kinder aus der Krachmacherstraße? Und wie kann ich nur die tapferen Brüder Löwenherz vergessen?

Am Ende habe ich wohl Astrid Lindgrens Märchen am öftesten gelesen. Sie spiegeln so wunderbar die vielen Varianten ihres Erzählens. Viele Kinder erinnern an die bekannten Figuren – aber quasi immer kommt ein magisches Element hinzu. Ich kann mich gar nicht entscheiden, welche Geschichte meine Liebste ist. Der wunderbare Kuckuck Lustig, der zwei kranken Kindern Geschenke bringt uns sie mit Tricks unterhält? Die Prinzessin, die nicht spielen wollte bis sie eine Freundin ohne 1000 Spielzeuge aber mit Phantasie findet? Die Puppe Mirabell, die aus einem Samenkorn wächst und spricht? Die zauberhafte Elfe mit dem Taschentuch, die so dringend ein Ballkleid braucht? Nils Karlsson Däumling, der mir Puppenmöbeln ausgestattet wird? Auf jeden Fall ein der freundlichen, heiteren, vielleicht ein bisschen melancholischen Geschichten, aber keine der herzzerreißenden, traurigen.

Ganz besonders zauberhaft sind wie in den meisten Lindgren-Büchern die Illustrationen. Wobei mir schon immer die nicht-colorierten Zeichnungen am besten gefallen haben.

Apropos zauberhaft, vielleicht – und das fällt mir erst jetzt auf, wo ich über meine Lesebiographie nachdenke – sind diese Geschichten der Start für meine anhaltende Liebe zu allen Phantasiewelten mit magischen und zauberhaften Elementen.

Vom Märchenleser zum Serienjunkie (8)

Kontexte und Rezeptionswissen: Von Großmutters Schoß zu Kino und Fernsehen

Die Ever After High Filme sind „intertextuell“ und intermedial. Zum einen greifen sie das Genre des High-School-Movies auf, zum anderen werden Märchencharaktere aus dem Medium des Märchens in das des Films übertragen. Die Figuren können im Film nur erkannt werden, weil das kulturell notwendige Kontextwissen vorhanden ist.

Erzählungen wird häufig der Aspekt von Tradierung und Tradition zugeschrieben. Allerdings gibt es keine „reine“ Tradition, wie sie auch in der Wissenschaft bis in die ‘60er angenommen wurde, da es auch keine „Originaltexte“ gibt. Texte werden beim erzählen immer verändert, neu geformt, verlängert, gekürzt. Jedes Vortragen eines Textes macht diese Performanz zu einem ephemeren Original. Erst mit der Veränderung der Medien, die Texte haltbar und reproduzierbar machen, entsteht überhaupt die Frage nach dem Copyright und damit die nach dem Original eines Textes.

Typische Rezeptionskontexte sind die Familie oder die Bühne. Wird in der Familie erzählt, ist das intime Setting und das Zuhören wichtiger, als die Herkunft der Geschichte. Die Erzählstimme wechselt zwischen verschiedenen Personen und im Gespräch wird häufig erst Ausgehandelt, was die richtige Geschichte ist. Im Gegensatz dazu schaffen Bühnen eine Hierarchie zwischen Zuschauern und Sprechern, die Autorität über das Erzählte haben. Allerdings gibt es auch hier Formen, bei denen die Interaktion zwischen Publikum und Performierenden gewünscht ist, wie beispielsweise im Kasperletheater.

Durch Leinwände und Bildschirme werden die Körper der Zuhörenden diszipliniert. Kinos haben den Anspruch Filmtheater zu sein und zwingen die Körper des Publikums in eine bestimmte formelle Haltung, die auf die Leinwand ausgerichtet ist (Gleichzeitig schaffen sie aber mit Popcorn und Cola ein informelleres Setting, bei dem beim Genuss einer Erzählung gleichzeitig Essen konsumiert werden darf.) Mit der zunehmenden Alltagsintegration von Bildschirmen durch die Allgegenwart von Computern und Smartphones wird der Rezeptionskontext von medialen Inhalten zunehmend informeller. Auch hier lässt sich eine Gleichzeitigkeit im Konsum von Geschichten und Nahrung beobachten. Wie sich diese geteilte Aufmerksamkeit auf Rezeptionsverhalten und Interaktion mit anderen auswirkt, ist allerdings noch nicht erforscht.

Wie Bachtin, Barthes und Kristeva in ihren Arbeiten zu Intertextualität herausstellen, sind Texte nicht ohne andere Texte vorstellbar. Alle Texte greifen immer auf andere Texte zurück. Dies kann strukturell, inhaltlich oder stilistisch geschehen. Aber auch die Performanz oder Inszenierung eines Textes kann auf andere Performanzen und Inszenierungen verweisen. Diese intertextuellen Bezüge sind dabei nicht immer positiv, sondern können auch als Abgrenzung vorhanden sein.

Der Begriff der Intermedialität ist die logische Erweiterung des Begriffs der Intertextualität. Nun geht es nicht nur um Bezüge zwischen Texten, die im selben Medium vorliegen, sondern zwischen Erzählungen, die in unterschiedlichen Medien präsentiert werden. Geschichten können Medienwechsel durchmachen, wenn zum Beispiel aus einem Comic ein Film wird. Wenn gewisse ästhetische Aspekte gekoppelt werden, werden die Anspielungen auf ein anderes Medium deutlicher. Die Shrek-Filmreihe ist ein gutes Beispiel für intermediale Übernahmen: Märchenfiguren werden aus Buchmärchen in den Film geholt, die Filme sind als Parodie auf die Disney-Märchenfilme zu sehen und es werden jede Menge Figuren aus anderen Erzählungen „ausgeliehen“. Durch solche intermedialen Verknüpfungen entsteht ein Sehgenuss speziell für Erwachsene, da zu ihrem Erkennen ein bestimmtes Vorwissen vorhanden sein muss.