Ausstellung “100 Ideen von Glück”

Wenn @bookstardust auf Mastodon von der Ausstellung “100 Ideen von Glück” erzählt, für die das koreanische Nationalmuseum im Austausch für Leihgaben der Sächsischen Kunstsammlungen Ausstellungsstücke nach Dresden gegeben haben, dann springt da wohl schon mal ein sehr spontaner Kurzurlaub raus.

Screenshot eines Mastodonposts von @bookstardust, der Auf die Ausstellung "100 Ideen von Glück hinweist" und zwei Bidler aus der Ausstellung zeigt.

Wir sind also nach Dresden gefahren um die Ausstellung zu sehen. tl;dr: Es werden einige wirklich schöne Objekte gezeigt, aber Präsentation und Marketing lassen zu wünschen übrig. Am Ende stand ich mit mehr Fragen da als vorher.

Es fängt damit an, dass die Ausstellung unfassbar schlecht beworben ist – selbst in Dresden hängen quasi kaum Plakate dafür – UND in der Residenz noch schlechter ausgeschildert wird – es ist nicht deutlich in welchen Räumen die Objekte zu sehen sind und dass es in mehreren Etagen Ausstellungsräume gibt, habe ich auch erst spät verstanden. Am Ende habe ich mich gefragt, wie genau die Kooperation der Museen wohl ausgesehen hat. Wer hat die Texte geschrieben? Wer die Gestaltung gemacht? Wer war für die Beleuchtung zuständig? Warum wird die Ausstellung so stiefmütterlich behandelt? Gab es kein Budget?

Der größere Teil der Ausstellung befindet sich in den Paraderäumen der Residenz. In jedem Raum gibt es ein loses Überthema, allerdings wiederholen sich Aspekte. Die Ausstellung startet mit Hanboks, traditionellen koreanischen Kleidern. Das erste Objekt, mit dem Besuchende in der Ausstellung begrüßt werden, ist ein Zeremoniengewand der Königin. Der Ausstellungstext zu Füßen der Besuchenden verrät, wenn man sich die Mühe macht sich vor dem Kleidungsstück zu verneigen, um den Text zu lesen, dass es sich um ein Replikat handelt. Natürlich sind Textilien immer schwierige Objekte, die ganz besondere Anforderungen an Lagerung, Präsentation, Licht, Temperatur und Luftfeuchtigkeit stellen, aber ich war ein bisschen war ich enttäuscht.

Auch die weiteren ausgestellten Kleider sind wirklich schön und ich habe viel Zeit im Ausstellungsraum verbracht – aber es sind alles moderne Stücke einer Designerin, die sich von historischen Modellen inspirieren ließ. Was völlig fehlt sind Informationen zur Bedeutung von Kleidung in der koreanischen Kultur. Warum eröffnet die Ausstellung ausgerechnet mit dieser Objektgruppe? Weil sie ein wichtiges Statussymbol waren? Wer trug und trägt solche Kleidung? Welche Bedeutung hat Kleidung in Korea heute (über den Trachteneffekt hinaus)? Selbst zur Geschichte des Hanboks erfährt man hier nur wenig, denn die historischen Kleidungsstücke fehlen. Ich verstehe, dass Textilien schwierige Leihgaben sind (siehe oben), aber ich hätte mir doch ein oder zwei historische Stücke gewünscht. Ebenfalls gewünscht hätte ich mir eine Hands-On Station, an der verschiedene verwendete Textilien angefasst werden dürfen – come on! ihr könnt mir nicht lauter Textilien mit spannender Struktur vor die Nase knallen und dann meinen haptischen Sinn nicht befriedigen!

Lasst mich kurz zu einem kuratorischen Thema abschweifen und uns über Ausstellungstexte reden: Deutlich zu viele Texte wurden auf Fußhöhe oder über Kopfhöhe präsentiert. (Für eine besucher*innenfreundliche Ausstelle wäre die Zahl der zu hohen oder zu tiefen Texte bei 0.) Die Kontraste waren teilweise nicht ausreichend, weiße Schrift auf mittelrotem Grund lässt grüßen. Für ähnliche Objekte wurde an mindestens einer Stelle die selbe Texttafel einfach zwei Mal in die unterschiedlichen Vitrinen gelegt. Und überhaupt sind die Ausstellungstexte – in der gesamten Ausstellung – sehr kurz, beziehen sich zumeist auf die Materialität oder benennen abgebildete Motive. Hintergründe zur Geschichte, zur Verwendung oder Entstehung der Objekte erfährt man dagegen nur sehr selten. Quasi an jeder Stelle hatte ich nach dem Lesen des Objekttextes mehr Fragen als vorher. Um bei der Kleidung (und speziell einem Hanbok von dem ich kein Bild gemacht habe) zu bleiben: Wie, wann und warum entstanden zum Beispiel die überlangen Überziehärmel, die zu manchen Hanboks gehörten? Wer trug sie? Warum greift man sie für ein modernes Kleidungsstück auf?

Es folgen Räume mit sehr alter Keramik, Bronze-Arbeiten und Porzellan. An irgendeiner Stelle behauptete ein Ausstellungstext, dass die koreanischen Objekte mit den Dresdner Ausstellungsräumen korrespondieren würden – aber spätestens im Thronsaal der Residenz war ich sehr enttäuscht, dass dem prunkvollen sächsischen Thron kein koreanisches Gegenstück gegenübergestellt wurde.

Blick zwischen Vitrinen auf den Thron in der Dresdner Residenz

Besonders gefallen hat mir, dass die Herstellung von mehrfarbigem Porzellan durch Einritzen von Mustern, bedecken mit andersfarbigem Ton und Abkratzen der überflüssigen Schichten, erklärt wurde. Produktionsschritte von Gegenständen finde ich immer spannend. Allerdings war die zweite Hands-On-Station zum Prozess dann doch eher verwirrend, denn die gezeigten Reliefs stellten etwas völlig anderes dar, als auf der vorherigen Tafel mit Text und Bild beschrieben wurde. Eine Filmstation zum Thema Porzellanherstellung war so beliebig und schlecht geschnitten, dass ich es nicht ausgehalten habe länger davor zu stehen. Auch sonst fehlte mir hier wirklich Liebe zum Detail in der Präsentation. Wozu tolle Vasen so beleuchten, dass man sie auch sehen kann?

Apropos lieblose Ausstellungsgestaltung: irgendwie hätte ich mir 3D-Fotos statt der bloßen hochauflösenden Fotos auf den Medienstationen gewünscht, um die drei dimensionalen Objekte dann halt doch so richtig von allen Seiten sehen zu können.

Bevor wir zur meinem Lieblings-Hass-Moment in der misserfolgreichen Gestaltung eines Ausstellungsrundgangs kommen, möchte ich euch noch eine Objektgruppe zeigen, zu der ich mir erstens einen Gruppentext und zweitens ca. drei mal so viele Informationen gewünscht hätte.

Im vorletzten (sagte ich vorletzten?) Ausstellungsraum wurden unter anderem drei Uniformen präsentiert, die auf den ersten Blick fast identisch waren. Mit genauerem Hinsehen wurde dann deutlich, dass es viele kleine Unterschiede gibt. Wer Texte auf Fußhöhe lesen wollte, konnte erfahren, dass in zwei der Uniformen Metallplatten verbaut wurden, die andere also eine reine Uniform für den Hof war. Aber auch hier: So viele offene Fragen: Warum? Was ist mit den ganzen anderen unterschiedlichen Details? Wer? In welchem Kontext? Gibt es Geschichte(n) die hier erzählt werden könnten?

Den Abschluss des Rundgangs bildete ein Raum, in dem ein Objekt aus der völkerkundlichen Sammlung in Dresden. Der mehrteilige Raumschirm wurde in Kooperation mit koreanischen Restauratori*innen mühevoll restauriert. Und gibt der Ausstellung auch den Titel. (Hätte man mit dem Titel VIEL MEHR machen können? Zum Beispiel auch bei anderen Objekten erklären, was sie mit Ideen von Glück zu tun haben? 100 Objekte auswählen statt 180 – oder halt 100 Objekt-Cluster? Das Thema Glück thematisieren, das in Asien ja vielleicht eine ganz andere Bedeutung hat als in Europa? Ich schweife ab)

Ein korenischer bemalter Wandschirm aus mehreren Teilen.

Mit diesem Objekt war für uns die Ausstellung zu Ende. Wir hatten Hunger und sind koreanisch Essen gegangen. Gab es ein Hinweis-Schild, dass die Ausstellung an anderer Stelle im Museum einen zweiten Teil hat? Nein. Hat das Museumspersonal mit dem wir an diversen Punkten über die Ausstellung gesprochen haben, darauf hingewiesen, dass es mehrere Ausstellungsteile gibt? Auch nein. Musste ich also nach dem Mittagessen zufällig heraufinden, dass im Neuen Grünen Gewölbe der Goldschmuck aus den Königsgräbern ausgestellt wurde? Ja. Bin ich immer noch ein bisschen pissig? Auch ja.

Eintritt: regulär 16€, mit Mitgliedsausweis des Deutschen Museumsbunds kostenlos

Öffnungszeiten: täglich 10—17 Uhr, Dienstag geschlossen, Freitag 10—19 Uhr

Laufzeit: 15.03.2025—10.08.2025

Museumsseite: https://gruenes-gewoelbe.skd.museum/ausstellungen/100-ideen-von-glueck-kunstschaetze-aus-korea/

#20Bücher – Tag 12

Auf Mastodon läuft gerade die Challenge #20books bzw. #20Bücher.

Book Challenge: 20 Bücher, die dich geprägt haben. Ein Buch pro Tag, 20 Tage lang. Keine Erklärungen, keine Bewertungen, nur Buchcover.

Tag 1, Tag 2, Tag 3, Tag 4, Tag 5, Tag 6, Tag 7, Tag 8, Tag 9, Tag 10, Tag 11

Zur Halbzeit fällt mir ein, dass ich ja eigentlich auch auf meinen Mastodonthread verlinken könnte: #20Bücher von Lisseuse

Tag 12:

Ich glaube, ich habe schon über meine Liebe zu bildungsbürgerlichen Snobismus geschrieben. Jedenfalls gehöre ich zu den Menschen, die in der Schule irgendwann alle Lektüre längst freiwillig gelesen hatten – und außerdem halt auch den Rest des KANONS. Vermutlich so 2004 war ich mit meiner Großtante exzessiv bei den Freilichtaufführungen von Schillers Wallenstein bei den Altdorfer Wallensteinfestspielen. Ich hatte solchen Spaß, dass ich hinterher das Drama mit allen drei Teilen freiwillig gelesen habe. Zu Weihnachten habe ich dann diese wunderschöne, antiquarische in blaues Leder gebundene Schiller-Ausgabe mit Goldprägung zu Weihnachten bekommen. Und mich riesig darüber gefreut. Und sie gelesen. Naja nicht ganz, ich war mit 16 nicht bereit für die theoretischen Schriften Schillers. Das kam dann später im Studium, wo ich sogar das große Glück hatte, für 14 Tage in Weimar zum Sommerkurs fahren zu dürfen und mich mit anderen Germanistik Nerds den ganzen Tag mit der Weimarer Klassik beschäftigen zu dürfen. Das hat großen Spaß gemacht. Gleichzeitig habe ich mich aber auch weiterentwickelt und zunehmend den Glauben an DEN KANON verloren. Eine große Rolle dabei spielt nach wie vor Frau Frohmann. Das Witzige daran ist, dass ich ihr Denken als super aufklärerisch empfinde, womit sie für mich in genau dieser klassischen Denktradition steht, die durch ihr Denken kritisiert und weiterentwickelt wird.

Präraffaelitische Girls erklären

#20Bücher – Tag 11

Auf Mastodon läuft gerade die Challenge #20books bzw. #20Bücher.

Book Challenge: 20 Bücher, die dich geprägt haben. Ein Buch pro Tag, 20 Tage lang. Keine Erklärungen, keine Bewertungen, nur Buchcover.

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Zur Halbzeit fällt mir ein, dass ich ja eigentlich auch auf meinen Mastodonthread verlinken könnte: #20Bücher von Lisseuse

Tag 11:

Irgendwann in meinem Studium habe ich mich ziemlich gleichzeitig im einen Fach mit feministischer Theorie und im anderen mit Literatur von Frauen am Rand des deutschen Kanons beschäftigt. Das eine Thema war ungefähr so deprimierend wie das andere. Beide Themen ziehen sich seitdem durch meine Biographie.

Sophie Mereaus Fall fand ich immer besonders deprimierend. Ich habe 2011 und 2012 schon mal über sie geschrieben. Wie in vielen anderen Fällen stellte ich fest, dass auch Mereau einer dieser Fälle ist, wo man die Bücher wirklich gut einfach so weglesen kann, es aber niemand tut, weil keine davon weiß.

Irgendwann im Anschluß habe ich den Beschluss gefasst, mein Leseverhalten zu ändern und sehr genau darauf zu achten, ob ich Bücher von Männern oder von Frauen lese und ersteres einzuschränken. Beim Posten der Bücher, die mich beeinflusst haben, fällt mir immer wieder negativ auf, wie männerlastig meine Liste dennoch ist. Vielleicht muss ich am Ende der Challenge doch noch ein bisschen mit Zahlen spielen-

#20Bücher – Tag 10

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Zur Halbzeit fällt mir ein, dass ich ja eigentlich auch auf meinen Mastodonthread verlinken könnte: #20Bücher von Lisseuse

Tag 10:

Uh, Kästner, hatten wir den nicht schon gestern? Ganz genau, aber Fabian und die Neue Sachlichkeit sind einfach noch mal ganz anders als die Kinderbücher. Es könnte auch ganz gut Doktor Erich Kästners lyrische Hausapotheke hier stehen. Über Fabian habe ich aber nunmal meine Facharbeit fürs Abi geschrieben. Ehrlich gesagt kann ich mich nicht mal mehr an den Titel der Arbeit erinnern. Und schon mit meiner ersten Uni-Seminararbeit habe ich mich für die viel zu knappe Sekundärliteratur und die schlechte Recherche geschämt. Aber selbst wenn ich diese unter keinen Umständen mehr so schreiben wollen würde, die Auseinandersetzung mit Kästner, Fabian, dem Nationalsozialismus und der Bücherverbrennung, hat etwas mit mir gemacht, das bis heute nachwirkt.

Sidenote: Ich habe die Wörter: nachhaltig, geprägt, beeinflusst, etc. etwas satt, aber genau darum geht es hier ja, also müssen sie wohl doch sein.

Im Studium habe ich mich dann erstmal vom 20. Jahrhundert verabschiedet und bin in die Zeit um 1800 abgetaucht. Nicht dass ich der Meinung gewesen wäre, dass die Beschäftigung mit der Zeit des Nationalsozialismus unbedeutend sei. Aber ich war echt froh ohne Filme, Bilder, Bücher, Geschichte und Geschichten zu dieser Zeit endlich mal keine Albträume mehr zu haben und außerdem in der privilegierten Situation, mir einreden zu können, dass das nun wirklich kein aktuelles Thema sei. Naja, heute weiß ich das wieder besser. Nicht nur der Blick in die Tageszeitung macht, dass die Beschäftigung mit der NS-Diktatur höchst angebracht erscheint. Auch mein Beruf führt mich immer wieder in diese Zeit zurück. Diesmal beschäftige ich ich mich allerdings nicht mit Erich Kästner, zu dem das Urteil “Innerer Emigrant” so schön positiv feststeht, sondern mit Carl Orff, dessen Bild in der öffentlichen Meinung deutlich negativer ist. Mir dagegen scheinen ständig die Parallelen zwischen zwei Männern auf und die Beschäftigung mit dem einen hilft mir immer wieder bei der Einordnung des anderen.

#20Bücher – Tag 9

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Tag 9:

Wie so ein Profi habe ich gerade über den Post drübergeschrieben, statt ihn zu duplizieren. Mal sehen, ob ich ihn reproduzieren kann.

Eigentlich müsste hier ja nicht das Cover des (zugegeben zeitweise auch Lieblings-) Buches abgebildet sein, sondern das der DVD. Beziehungsweise die VHS, auf der meine Großeltern eine Fernsehsendung des Doppelten Lottchens aufgezeichnet haben. Diese habe ich in langen Ferienwochen bei meinen Großeltern bestimmt hunderte Male gesehen. Wie das für diese erträglich war, kann ich heute nicht mehr ganz nachvollziehen, aber vielleicht verstehe ich gerade im Rückblick, warum ich doch zunehmend mit dem Film allein gelassen wurde. Die beste Verfilmung ist natürlich die schwarz-weiße, in der Erich Kästner selbst den Erzähler spricht. Seine angenehme Stimme habe ich noch heute im Ohr. Ansonsten gehört sie auch definitiv auf die Liste der besonders nahe am Original gelungenen Literaturverfilmungen.

Aber auch das Buch habe ich vielfach gelesen. Allerdings könnte, wenn es nur ums Buch ginge, hier genauso gut Das fliegende Klassenzimmer, Emil und die Detektive oder Der kleine Mann stehen. Besonders geliebt habe ich immer Kästners tolle Überschriften, die eigentlich gar keine Überschriften sind, sondern stichwortartige, sehr pointierte Inhaltszusammenfassungen der einzelnen Kapitel. (Bestimmt hat schon jemand Kluges analysiert, was die mit dem Text machen.) Aber überhaupt liegt mir Kästners ironische Erzählweise, die trotzdem nahe an den Figuren bleibt. Auch dass quasi jedes Buch eine Rahmenhandlung hat, in der der Erzähler auftaucht, der sehr viel Ähnlichkeiten mit dem Autoren hat, hat mich schon als Kind fasziniert. Vielleicht ist Kästner im speziellen Schuld daran, dass ich Germanistik und besonders Literaturwissenschaften studiert habe. Denn diese gebrochne Art des Erzählens schreit ja geradezu danach, dass man sie genauer analysiert und auseinandernimmt. Außerdem gehören Kästners Bücher zu denen, die mein Interesse an Geschichte beeinflusst haben. Denn auch wenn alle Bücher in einer anderen Zeit spielten, als meine eigene Kindheit, könnte ich mich mit den Figuren immer identifizieren. Kästner schafft es, bei allen erzählerisch distanzierenden Kniffen, dass seine Figuren nahbar und liebenswert bleiben, so dass ich immer mehr von ihnen lesen wollte.

Gerade fällt mir auf, dass in meiner literarischen Biographie vor allem die Zeit der Klassik und die Zeit der Weimarer Republik eine besondere Rolle spielen. (Oder auch: Der Anfang und das Ende des langen 20. Jahrhunderts, wenn man so will.) Ich glaube, das liegt daran, dass ich beide Erzähl- und Denkweisen besonders geradlinig, strukturiert und schnörkellos empfinde. Wie Bach in der Musik.

#20Bücher – Tag 8

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Tag 8:

Buchcover für Patrick Rothfuss „The Slow Regard of Silent Things“

Ich finde ja wirklich toll, wenn sich Autor:innen sozial engagieren, aber könnte Patrick Rothfuss bitte The Kingkiller Chronicles zu Ende schreiben? Andererseits habe ich ein bisschen das Gefühl, dass es vielleicht auch nicht so ganz einfach ist, die Geschichte zu beenden und wie es möglich sein soll alle offenen Fäden der Erzählung in einem einzigen weiteren Buch fertig zu spinnen, stellt mich vor Rätsel. Alle paar Monate muss ich an die Kvothes Geschichte denken, weil ich doch so gerne endlich das Ende erfahren möchte. Etwa halb so oft recherchiere ich, ob es vielleicht ENDLICH ein Veröffentlichungsdatum für Band 3 gibt. (Stand 11.07.2023: Lol nope)

Naja, dafür gibt es immerhin ein wundervolles Spin-Off über den besten Charakter der ganzen Serie. The Slow Regard for Silent Things ist ein wundervolles Beispiel dafür, dass Literatur nur gut erzählen muss, dann braucht man gar keine spannende Handlung.

Und falls jemand Tipps für tolle Fanfiction hat, die die Geschichte zu Ende erzählt, ich wäre interessiert.

#20Bücher – Tag 7

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Tag 7:

Ich weiß nicht mehr wann und wie ich „Die Flüsse von London“ entdeckt habe. Vielleicht hat mein Mann die Reihe von seinem Buchhändler empfohlen bekommen – traditionell bekomme ich den neuen Band jedenfalls von ihm geschenkt und WEHE! Ich kaufe ihn mir selbst.

Obwohl ich englische Bücher eigentlich gerne auf Englisch lese, bin ich bei den Flüssen von London bei der deutschsprachigen Ausgabe gelandet und dann geblieben. Allerdings verunstalten ein englischer und zwei Softcover-Bände meine schöne Reihe im Buchregal!

Unvollständig ist bisher auch meine zugehörige Graphic Novel-Reihe, ich sollte mal eine entsprechende Andeutung fallen lassen.

Die Flüsse von London haben mir über meine Harry-Potter-schlechte-Laune hinweggeholfen. Peter Grant ist witziger und hat in besseres character developement. Aaronovitch spielt mit tollen populärkulturellen Anspielungen (mir hilft, dass in jedem Band ein mal Harry Potter und ein mal Doctor Who erwähnt werden) und hat sich eine Welt ausgedacht, in der Magie tatsächlich den Gesetzen der Logik folgt und dennoch alles durchdringt. Alle geliebten magischen Tierwesen und wo sie zu finden sind kommen vor und werden auch noch durch genii locii ergänzt. Und wer möchte nicht, dass eine Gottheit, die nächste Wasserquelle vor der eigenen Türe schützt?

#20Bücher – Tag 6

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Tag 6:

Gedichte. Keine Ahnung, wann ich zuletzt Gedichte gelesen habe. (Gestern, weil ich den obigen Band nach dem Fotografieren für die Challenge nicht mehr zurück ins Regal gestellt habe sondern mehrfach drin geblättert habe. Aber zuvor: Keine Ahnung.)

Diesen Band lieb(t)e ich jedenfalls heiß und innig, denn er hat einen wunderschönen himbeerroten Leineneinband, Dünndruckpapier und mehrere ordentliche Register. (Es fehlen nur noch der Goldschnitt und Lesebändchen. Und Frauen! Es fehlt entschieden Lyrik von Frauen!) Wie intensiv ich mich mal damit beschäftigt habe, zeigen die Klebezettel, die ich quasi als Register eingeführt habe. Wie lange es her ist, dass ich nicht mehr richtig rekonstruieren kann, was die unterschiedlichen Farben bedeuten und warum manche der Zettel weiter aus dem Buch herausgucken als andere.

Ich glaube nicht, dass ich ein Lieblingsgedicht oder auch nur einen Lieblingsdichter habe. Aber Lyrik hat entscheidend Mitschuld an meiner Liebe zu Sprache und Sprachspielen.

Außerdem ist sie unschlagbar aktuell:

Über einige Davongekommene
Als der Mensch
Unter den Trümmern
Seines
Bombardierten Hauses
Hervorgezogen wurde,
Schüttelte er sich
Und sagte:
Nie wieder.

Jedenfalls nicht gleich.

Günter Kunert

#20Bücher – Tag 5

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Tag 5:

Meine Liebe zum Lesen ist entscheidend von meiner Großtante mitgeprägt. Tante Friedel war die Schwester meines Großvaters, saß selbst nach einer Polioinfektion querschnittsgelähmt im Rollstuhl und arbeitete als Lehrerin im sonderpädagogischen Bereich. Ich kenne sie bewusst aber nur im Ruhestand. Besuche bei ihr und ihrem Mann, der mit dem Dichter Günther Eich verwandt war, fingen schon immer ganz besonders an. Man betrat die Wohnung nicht etwa durch die nicht-barrierefreie Haustüre, sondern musste über eine laaaange Rampe aus lauter einbetonierten feinen runden Kieseln gehen, die erst im rechten Winkel um ein Stück Rasen führte und dann auf der großen Terrasse endete. Vom Rasenstück und der Straße war die Terrasse durch ein Gitter, das dicht mit rankenden Pflanzen bewacht war, abgeschirmt, so dass wir sofort in einer ganz anderen Welt waren. Durch die große Panorama-Schiebetür gelangte man direkt in das Wohnzimmer, das nicht durch eine Sofalandschaft , sondern den großen Esstisch, einen Schreibtisch und Bücherregale bis unter die Decke geprägt war. Überhaupt Bücherregale!! Neben dem an der Decke befestigten Lift, war die Wohnung durch Bücher und Bücherregale an jeder verfügbaren Wand vom Boden bis zur Decke, zwei- oder gar dreireihig bestückt, mit querliegenden und gestapelten Büchern geprägt. Ein Traum! Man könnte meinen, dass es dort für Kinder fürchterlich langweilig gewesen sei, aber ganz im Gegenteil haben wir es geliebt dorthin zufahren und oft genug einen Abstecher nach dem Besuch bei den Großeltern eingefordert. Es war immer spannend und interessant wir Kinder wurden erst genommen und in die Erwachsenengespräche einbezogen. Nicht dass das in meiner Familie sonst anders gewesen wäre, aber hier waren die Gespräche einfach noch ein bisschen intellektueller, gebildeter, feiner, kultivierter – irgendwie besonders.

Schon das erste Geschenk, das ich von Tante Friedel bekam, war ein Buch. Zu meinem ersten Weihnachten, ich war nicht mal ein halbes Jahr alt, schenkte sie uns einen Sammelband mit Weihnachtsgeschichten, -gedichten und -liedern. Es sollten noch diverse weitere folgen, die ich alle heiß und innig geliebt habe. Neben meiner Puppe, die nie einen anderen Namen als Tante-Friedel-Puppe bekam (ja ich bin SO kreativ, wenn es um die Benennung von Dingen geht), haben sich viele, viele immer und immer wieder gelesene Bücher in meine Erinnerung gebrannt. Es werden in meiner Liste noch weitere folgen.

Mit Tante Friedel durfte ich Briefe schreiben. Nachdem ich ein Buch zu Geheimschriften bekommen hatte, jahrelang sogar in unserer Lieblingsgeheimschrift. Mit Tante Friedel habe ich, als ich größer wurde gelernt, das Um-die-Ecke-gedacht-Kreuzworträtsel aus der Zeit zu lösen. Mit Tante Friedel haben wir zwei wundervolle Besuche im Germanischen Nationalmuseum gemacht. Mit Tante Friedel habe ich Nachmittage lang mit Aquarellfarben gemalt. Und Tante Friedel hat, subtil und erst später voll entwickelt, meine Liebe zu England entfacht. Unter anderem hat sie ihre Liebe für Jane Austen und Stolz und Vorurteil an mich weiter gegeben. Die obige, heißgeliebte und vielgelesene Ausgabe ist ein Geschenk von ihr. Gemeinsam haben wir eine Sommerwoche lang die sechsstündige BBC Miniserie von 1995 angesehen und uns über die wortwörtliche Umsetzung des Buches gefreut.

Als ich in der 11. Klasse war, verstarb Tante Friedel. Sie hat in meinem Leben eine Lücke hinterlassen, die ich noch heute manchmal spüre und die mir erstaunlicherweise umso bewusster wird, je älter ich werde. Unter anderem, weil mir ihre großartigen, immer wunderbar treffenden Büchergeschenke fehlen. Darüber hinaus wurde ich in unfassbar vielen Aspekten, die mich als Person ausmachen von ihr mitgeprägt: Mein Liebe zu Museen und da besonders den alltagshistorischen, mein Hang dazu, mich gerne ein bisschen intellektuell zu geben, meine Art zu Denken, meine Vorliebe für literarische Genres, die Möglichkeit mir ein Leben vorzustellen, das nicht von Mann und Kindern geprägt ist und -– nur für den Zweck dieses Artikels erwähnenswert —der von Jane Austens Darcy und Knightley bestimmte hohe Anspruch an Männer.

#20Bücher – Tag 4

Auf Mastodon läuft gerade die Challenge #20books bzw. #20Bücher.

Book Challenge: 20 Bücher, die dich geprägt haben. Ein Buch pro Tag, 20 Tage lang. Keine Erklärungen, keine Bewertungen, nur Buchcover.

Tag 1, Tag 2, Tag 3

Tag 4:

Die Auswahl für ein Astrid Lindgren Buch fiel mir echt schwer. Hat mich nicht doch die neugierige Madita am meisten beeinflusst? Oder die freche, großzügige Pippi – nein ich glaub nicht, die war mir immer zu großspurig. Aber vielleicht die Sommererlebnisse der Kinder aus Bullerbü? Oder waren wir zuhause nicht doch am ehesten die Kinder aus der Krachmacherstraße? Und wie kann ich nur die tapferen Brüder Löwenherz vergessen?

Am Ende habe ich wohl Astrid Lindgrens Märchen am öftesten gelesen. Sie spiegeln so wunderbar die vielen Varianten ihres Erzählens. Viele Kinder erinnern an die bekannten Figuren – aber quasi immer kommt ein magisches Element hinzu. Ich kann mich gar nicht entscheiden, welche Geschichte meine Liebste ist. Der wunderbare Kuckuck Lustig, der zwei kranken Kindern Geschenke bringt uns sie mit Tricks unterhält? Die Prinzessin, die nicht spielen wollte bis sie eine Freundin ohne 1000 Spielzeuge aber mit Phantasie findet? Die Puppe Mirabell, die aus einem Samenkorn wächst und spricht? Die zauberhafte Elfe mit dem Taschentuch, die so dringend ein Ballkleid braucht? Nils Karlsson Däumling, der mir Puppenmöbeln ausgestattet wird? Auf jeden Fall ein der freundlichen, heiteren, vielleicht ein bisschen melancholischen Geschichten, aber keine der herzzerreißenden, traurigen.

Ganz besonders zauberhaft sind wie in den meisten Lindgren-Büchern die Illustrationen. Wobei mir schon immer die nicht-colorierten Zeichnungen am besten gefallen haben.

Apropos zauberhaft, vielleicht – und das fällt mir erst jetzt auf, wo ich über meine Lesebiographie nachdenke – sind diese Geschichten der Start für meine anhaltende Liebe zu allen Phantasiewelten mit magischen und zauberhaften Elementen.