Category Archives: Literatur

Das Buch, das du zur Zeit liest – Corinna

Es  ist und bleibt ein alter Streit unter den Historikern – inwieweit begrüßten die Österreicher den “Anschluss 1938”  und das Hitler-Regime oder lehnten es ab?

Evan Burr Bukeys Buch “Hitlers Österreich” (2001 im Europaverlag erschienen), erforscht vor allem die Stimmung im österreichischen Volk und zeigt zudem Traditionslinien von geistigen Strömungen auf, die es den Nationalsozialisten vereinfachte, die Mehrheit der Österreicher für sich zu gewinnen bzw. keinen aktiven Widerstand enstehen zu lassen.

Dabei weist Burr Bukey auch auf die Unterschiede hin zwischen ‘Altreich’ und Ostmark und entkräftet durch seine Forschungsergebnisse die reine ‘Opferthese’, die sich nach dem Zweiten Weltkrieg relativ schnell in Österreich gebildet hatte.

Im jeden Falle ein interessantes Buch, dass trotz wissenschaftlichen Thema verständlich geschrieben und gut gegliedert ist.

 

Das Buch, das du als nächstes lesen willst – Charlotte

Das wäre wohl Eine Frau flieht vor einer Nachricht von David Grossmann.

Da ich diese Buch noch nicht gelesen habe, kann ich nicht viel dazu sagen. Ich erhoffe mir aber einiges, da mir Zickzackkind und Wohin du mich führst vom gleichen Autor sehr gut gefallen haben. Beide zählen soweit ich weiß zu Jugendbüchern, stehen aber meiner Erinnerung nach den meisten “Erwachsenenbüchern” in Nichts nach (auch wenn es schon eine Weile her ist…).

Hier jedenfalls ein schöner Artikel über Grossmann und seinen Roman aus der ZEIT: http://www.zeit.de/2009/34/Grossman

Das Buch, das du zurzeit liest – Charlotte

In Wirklichkeit lese ich gerade ziemlich viele Bücher, fast alle fürs Studium. Die meisten davon etwas zu trocken um wirklich spannend zu sein, auch wenn das Endergebnis (BA-Arbeit!) hoffentlich saftiger wird.

Aber abends, wenn ich fertig bin mit den Mühen der Finanzsoziologie und der Armenfürsorge und des Steuerrechts (jetzt denken bestimmt alle, ich würde was Anständiges mit “Wirtschaft” im Namen studieren und nicht so einen Kulturhumbug, der aber einfach unschlagbar toll ist…), dann lese ich momentan

One of our Thursdays is Missing von Jasper Fforde.

Es handelt sich dabei um den sechsten oder siebten Band (je nachdem, wie man zählen möchte) der Thursday Next Reihe, die in einer Welt spielt, in der Literatur und Realität nahtlos ineinander übergehen – und die Realität selbst auch wenig mit der Welt, wie wir sie kennen, zu tun hat: Thursday passt beruflich darauf auf, dass literarische Charaktere nicht aus der Rolle fallen oder Grammatikfehler-monsterchen (wie heißen die nochmal?) nicht zerstören Büchern Grammatik die völlig in. Wales ist eine unabhängige Republik, Thursdays Haustier ein Dodo und ihr Vater reist ständig durch die Zeit und wirft dabei mal eben den Lauf der Geschichte, die Zukunft und alles dazwischen durcheinander. Thursday selbst reist währenddessen in die BookWorld, in der sie Jane Eyre und 1000 andere literarische Charaktere trifft, bekämpft, befreundet und natürlich mit ihnen die Welt/die Literatur/… rettet.

Dies ist ein Buch für Leute, die auch als Erwachsene Figuren aus Büchern aufrichtig hassen oder lieben oder bemitleiden, die Sprache mögen, die sich über falsche Grammatik und falsche Apostroph’s aufregen, und die sich wie Bolle freuen, wenn sie Intertextualität entdecken. Man kann diese Bücher allerdings zugegebenermaßen nur schlecht lesen, wenn man nicht vorher schon viel gelesen hat, vorzugsweise englische Klassiker. Das heißt nicht, dass man Anglistik studiert oder sich durch sämtliche Oxford World’s Classics gelesen haben muss, aber wer weder etwas von Shakespeare noch Jane Austen noch Charlotte Brontë noch sonst irgendwelche englische Literatur je gelesen oder wenigstens grundlegende Vorstellungen davon hat, wird vermutlich völlig verwirrt aus diesen Büchern wieder auftauchen.

Für alle anderen und die oben genannten gilt aber: Die Thursday Next Bände sowie auch alles andere von Jasper Fforde sind extrem lustige und erfrischend wirre, aber keinesfalls gehirnzersetzend blöde Bücher – perfekte Unterhaltung!

PS: Ich hab da noch was gefunden: http://www.jasperfforde.com/tnmovie.swf

Bücher! Stöckchen! Bücherfragebogen!

Um die Postingmoral in diesem Blog mal etwas anzuheben und ganz nebenbei um ein bisschen zu prokrastinieren eröffne ich jetzt mal dieses schon etwas ältere aber trotzdem tolle Bücherstöckchen, das ich entweder bei isabo oder bei Anke Gröner gefunden habe, die es vermutlich direkt oder auf Umwegen bei der Kaltmamsell gesehen hatten, die hat es e13.de, von der die Bearbeitung der ursprünglichen Version stammt, die sie bei holyfruitsalad entdeckt hatte, die die Idee offenbar von Petra A. Bauer hat. Oder so.

  • 1. Das Buch, das du zurzeit liest
  • 2. Das Buch, das du als nächstes liest/lesen willst
  • 3. Dein Lieblingsbuch
  • 4. Dein Hassbuch
  • 5. Ein Buch, das du immer und immer wieder lesen könntest
  • 6. Ein Buch, das du nur einmal lesen kannst (egal, ob du es hasst oder nicht)
  • 7. Ein Buch, das dich an jemanden erinnert
  • 8. Ein Buch, das dich an einen Ort erinnert
  • 9. Das erste Buch, das du je gelesen hast
  • 10. Ein Buch von deinem Lieblingsautor/deiner Lieblingsautorin
  • 11. Ein Buch, das du mal geliebt hast, aber jetzt hasst
  • 12. Ein Buch, das du von Freunden/Bekannten/… empfohlen bekommen hast
  • 13. Ein Buch, bei dem du nur lachen kannst
  • 14. Ein Buch aus deiner Kindheit
  • 15. Das 4. Buch in deinem Regal von links
  • 16. Das 9. Buch in deinem Regal von rechts
  • 17. Augen zu und irgendein Buch aus dem Regal nehmen
  • 18. Das Buch mit dem schönsten Cover, das du besitzt
  • 19. Ein Buch, das du schon immer lesen wolltest
  • 20. Das beste Buch, das du während der Schulzeit als Lektüre gelesen hast
  • 21. Das blödeste Buch, das du während der Schulzeit als Lektüre gelesen hast
  • 22. Das Buch in deinem Regal, das die meisten Seiten hat
  • 23. Das Buch in deinem Regal, das die wenigsten Seiten hat
  • 24. Ein Buch, von dem niemand gedacht hätte, dass du es liest/gelesen hast
  • 25. Ein Buch, bei dem die Hauptperson dich ziemlich gut beschreibt
  • 26. Ein Buch, aus dem du deinen Kindern vorlesen würdest
  • 27. Ein Buch, dessen Hauptperson dein „Ideal“ ist
  • 28. Zum Glück wurde dieses Buch verfilmt!
  • 29. Warum zur Hölle wurde dieses Buch verfilmt?
  • 30. Warum zur Hölle wurde dieses Buch noch nicht verfilmt?
  • 31. Das Buch, das du am häufigsten verschenkt hast

Rezensiert: Die besondere Traurigkeit von Zitronenkuchen

Die besondere Traurigkeit von Zitronenkuchen beginnt mit der Entdeckung der neunjährigen Hauptfigur Rose, dass sie aus Essen die Gefühle derjenigen herausschmecken kann, die es zubereitet haben. So schmeckt der Geburtstagskuchen, den ihre Mutter aus frischen Zutaten für sie backt, für Rose nicht nur nach frisch gebackenem, leckeren Zitronenkuchen, sondern auch nach Traurigkeit. Als jedoch versucht mit ihrer Mutter über dieses Erlebnis und die Traurigkeit, die sie geschmeckt hat zu sprechen, nimmt sich diese kaum die Zeit ihrer Tochter richtig zu zuhören. So versteht sie auch überhaupt nicht, was das Problem der Tochter ist. Ähnlich wiederholt sich das Geschehen beim Abendessen mit der ganzen Familie. Als Rose erneut mit den Gefühlen kämpft, die sie im Essen schmeckt, macht sich niemand die Mühe verstehen zu wollen, was sie beschäftigt. Diese seltsame Unverbundenheit und mangelnde Teilnahme in der Familie zieht sich dabei durch das ganze Buch und wirkt beim Lesen immer wieder stark irritierend. Die einzige Person, mit der Rose im Lauf der Erzählung über ihre Erfahrung sprechen kann, ist ein Freund ihres älteren Bruders, George, der von diesem aber eifersüchtig bewacht wird. In der Folge bleibt auch dieser Kontakt Roses seltsam lose und unbeendet.

Um den Gefühlen der anderen, und besonders denen ihrer Mutter, im Essen zu entgehen, verlegt sich Rose darauf ausschließlich Nahrungsmittel zu sich zu nehmen, die so industriell wie möglich hergestellt wurden. Schon nach den ersten Experimenten mit George, die dazu dienen herauszufinden, ob Rose aus allen Lebensmitteln Gefühle herausschmecken kann, beginnt sie mit niemandem mehr über das Problem zu sprechen. Dabei scheinen aber auch alle Instanzen in Roses Umfeld zu versagen. Weder in ihrer Familie noch in der Schule versucht ein Erwachsener wirklich mit Rose zu sprechen, um herauszufinden, wie es ihr geht. Dabei wird jedoch in der ganzen Erzählung kein Grund dafür gegeben, weshalb alle Protagonisten unfähig sind soziale Beziehungen einzugehen. Stattdessen wird das Geschehen als natürlich dargestellt und nicht problematisiert.

Besonders irritierend an Die besondere Traurigkeit von Zitronenkuchen ist jedoch, dass mit Ende des ersten Drittels plötzlich nicht mehr Rose sondern ihr Bruder zur Hauptperson wird, obwohl weiterhin stets aus Roses Perspektive erzählt wird. Dabei gleitet die Erzählung zudem völlig ins Phantastische ab, ohne dass dieser Bruch vorbereitet würde. Während es im Bereich des Vorstellbaren liegt, dass Rose Gefühle aus Essen schmecken kann (diese Fähigkeit scheint eher synästhetischer Natur zu sein), zieht ihr Bruder sich absurderweise aus der Welt zurück, indem er sich in einen Stuhl verwandelt. Mit dem ersten unerklärten Verschwinden des Bruders, wird dessen Abwesenheit zum Hauptthema. Auch hier zeigt sich, dass niemand in der Familie bereit ist, wirklich über Probleme zu sprechen. Es gibt keinen Versuch das Geschehen zu ändern oder mit den sonderbaren Vorkommnissen aktiv umzugehen. Diese Passivität der Figuren ist zusammen mit dem sonderbaren Abdrehen der Handlung so anstrengend und verstörend, dass man etwa ab der Hälfte des Buches nur noch weiterliest, um herauszufinden, ob es nicht doch noch vielleicht eine Lösung des Problems geben wird. Statt eines positiven Ergebnisses bricht Roses Familie jedoch auseinander. Ihr Bruder verschwindet endgültig. Ihre Eltern leben weiter an einander vorbei. George löst sich durch seine Heirat völlig aus Roses Lebenskreis. Rose selbst findet ein Restaurant, in dem ihr das Essen einigermaßen schmeckt. Sie beginnt dort zu arbeiten – nimmt aber weiterhin so viel Automatenessen wie nur möglich zu sich. Auf 298 Seiten schafft Rose es nicht, mit ihrer Fähigkeit umzugehen zu lernen, stattdessen nutzt sie ausschließlich Ausweichmanöver, um kein von Menschen zubereitetes Essen zu sich zu nehmen.

Auch die Sprache des Buches ist seltsam gebrochen. Der Versuch die Sprache eines Kindes nachzuahmen missglückt. Dies liegt u.a. daran, dass Rose aus der Retospektive erzählt und ungefähr 20jährig ist. Dennoch wird die Handlung erzählt, als ob Rose in dem jeweiligen Alter wäre, das erzählt wird. In der Folge kommt es zu einer Vermischung von kindlichem Stil und Worten und Phrasen, die eher Erwachsene benutzen würden. Dies zeigt sich besonders in der verwendeten Bildlichkeit: die verwendeten poetischen Bilder scheinen übertrieben, oder werden sofort gebrochen, so dass sie überwiegend negativ und störend auffallen.

Die besondere Traurigkeit von Zitronenkuchen von Aimee Bender ist in der deutschen Ausgabe 2011 im Bloomsbury Verlag in Berlin erschienen und kostet in der Hardcoverausgabe 19,90€. Übersetzt wurde das Buch von Christiane Buchner und Martina Tichy.

Museum: Schillerhaus Weimar

Unsere zweite Exkursion führte uns nach Weimar. Der erste Teil der Miniserien über die Museumsexkursionen findet sich hier.

Um 1800 bildete das Herzogtum Sachsen-Weimar unter der Regentschaft von Herzogin Anna-Amalia einen Raum, in dem sich die intellektuellen Größen der Zeit versammeln konnten. Dies lag unter anderem daran, dass im Herzogtum eine relativ großzügige Zensur gehandhabt wurde, so dass es nicht nur Goethe und später Schiller, sondern auch Herder und Wieland dorthin zogen. Hinzu kam, dass die am geistigen Leben interessierte Herzogin diesen Männern auch Anstellungen an ihrem Hof bieten konnte. In der Folge ist Weimar heute voller Gedenkorte und Museen, die Personen thematisieren, die dort um 1800 gelebt haben.

Schiller selbst lebte nur von Oktober 1799 bis zu seinem Tod 1804 in Weimar und bewohnte dort überdies mehrere Wohnungen. Dass wir ausgerechnet das Schillerhaus besuchten, liegt am Kult der bereits im 19. Jahrhundert um Schiller und dessen Wohnhaus entstand. Im identifikationsbedürftigen 19. Jahrhundert begann, im Zusammenhang mit der Nationalstaatbewegung die Suche nach Identifikationsfiguren. Mit dem vorläufige Scheitern der Nationalbewegung verstärkte sich dieses Bedürfnis nach Figuren der nationalen Identifikation noch. Dass ausgerechnet Schiller zu einer der deutschen Identifikationsfiguren des 19. Jahrhunderts wurde liegt daran, dass er nicht nur als “der deutsche Autor” galt, dessen Texte zur Allgemeinbildung beinahe aller Bevölkerungsgruppen gehörte, sondern auch seine Lebensgeschichte zur “Heilsgeschichte” umgedeutet wurde. Während seine Texte, die nach heutigem Verständnis keineswegs national, sondern garadezu europäisch sind (man betrachte nur einmal die Handlungsorte seiner Dramen), als Ausdruck der nationalen Revolution gedeutet wurden, wurde Schiller selbst zur “Christusgestalt”. Dabei wurde sein künstlerisches Schaffen als “hohe Begabung” mit “heiligem Ernst” gedeutet und seine immer wieder aufkeimende Krankheit mit dem Leiden Christus’ gleichgesetzt. In diesem Zusammenhang entstanden nun nicht nur zahlreiche Schillerdenkmäler, sondern auch das Schillerhaus. Dieses wurde 1847 und damit am Vorabend der Revolution von 1848/49 als nationale Gedenkstätte eingerichtet.

Schillerhaus Weimar (via Wikipedia; Urheber: Andreas Trepte)

Diese ursprüngliche Gestaltung des Schillerhauses als Gedenkstätte und Ort der Schillerverehrung spiegelt sich noch im heutigen Museum. Obwohl der Innenhof mit einem Neubau gestaltet wurde, in dem sich neben Kasse, Museumsshop und sanitären Anlagen auch mehrere Funktions- und Ausstellungsräume befinden, gibt es keine wirkliche Thematisierung Schillers und seines Werkes. Stattdessen ist die Hauptattraktion seine Wohnstätte, in der versucht wurde, die Inneneinrichtun so originalgetreu wie möglich wiederherzustellen. Dabei gibt es jedoch in den Räumen selbst keine Hinweise darauf, dass es eben dennoch kaum Originaleinrichtungsgegenstände mehr gibt. Gleichzeitig bleiben die Räume seltsam seelenlos. Nur mit viel Phantasie kann der Besucher sich vorstellen, dass überhaupt jemand in ihnen gelebt haben soll.

Da wir ein Führung durch den Dozenten bekommen haben, kann ich zudem leider nicht beurteilen, ob in den Führungen des Museums oder im Audioguide die Einrichtung problematisiert und die Geschichte des Schillerhauses besser erzählt wird. Die Erklärungen, die wir zumindest zum Audioguide bekommen haben, deuten jedoch darauf hin. Für einen Besuch, empfehle ich daher diesen zu benutzen, auch wenn ich selbst keine Erfahrungen mit diesem Audioguide gemacht habe.

Kurze Linkliste:

Die Klassikstiftung zu Schillers Wohnhaus
Die Klassikstiftung zum Schiller-Museum

Sophie Mereau – ein biographischer Abriss

Im Zuge einer Hausarbeit beschäftige ich mich gerade mit Sophie Mereau. 1770 geboren ist ihr Leben für eine Frau ihrer Zeit sehr ungewöhnlich. Da ist zum Einen die Tatsache, dass sie mit zwanzig Jahren ihr erstes Gedicht, eine Hymne auf die Freiheitsbewegung der Französischen Revolution, in Schillers Thalia veröffentlichen kann und Schiller in der Folge immer wieder Gedichte von ihr in seinen Zeitschriften veröffentlicht und sie auch mit Ratschlägen und Verbesserungen bezüglich ihrer literarischen Arbeit unterstützt. Da ist zum Andern ihr Streben nach Freiheit auch für sie als Frau, das von Aufklärung und Französischer Revolution inspiriert ist und das den Vorstellungen der Männer ihrer Zeit über das angemessene Verhalten von Frauen, entgegensteht. So weit es ihr in den engen Grenzen der Zeit möglich ist, versucht sie diese Vorstellungen auch in ihrem eigenen Leben umzusetzen. Ihren späteren Mann Friedrich Carl Mereau hält sie sechs Jahre lang hin und heiratet ihn 1793 schließlich nur, weil der Druck der Familie immer größer wird und sie auf die finanzielle Absicherung angewiesen ist. Zudem verfügt Carl Mereau in Jena über gute Kontakte zu den schriftstellerischen Größen und Verlegern der Zeit. Er vermittelt den ersten Kontakt zu Schiller und sorgt immer wieder dafür, dass die Werke seiner Frau veröffentlicht werden. Sophie Mereau nutzt die Zeit ihrer Ehe, um ihre schriftstellerische Tätigkeit voranzutreiben. Sie selbst vertieft den Kontakt mit Schiller, korrespondiert mit ihm über ihre Arbeit und trifft sich auch immer wieder für persönliche Gespräche darüber. Dabei ist das Verhältnis zwischen Schiller und Mereau nicht ausschließlich das von Schülerin und Lehrer, sondern durchaus kollegial.

Sophie Mereau veröffentlicht Gedichte und Erzählungen in den wichtigen Zeitschriften ihrer Zeit, wird zur Gefragten Mitarbeiterin u.a. in Schillers Horen und übernimmt schließlich selbst die Herausgabe von Zeitschriften (u.a. des Göttinger Musen-Almanachs). Ihr eigenes Zeitschriftenprojekt dagegen kann sie vorläufig noch nicht durchführen.

Die Ehe der Mereaus ist von mangelnder Liebe seitens Sophie belastet, die sich in verschiedene Liebschaften und Affären stürzt, deren Existenz der Jenaer Öffentlichkeit durchaus bekannt sind. Dabei nimmt sie wenig Rücksicht auf  Schicklichkeitsvorstellungen und unternimmt mit einem ihrer Liebhaber sogar eine Berlinreise. Für damalige Verhältnisse ein Skandal, wurde von Frauen doch erwartet, dass sie zu Hause bleiben oder wenigstens nur mit dem eigenen Ehemann, Familienangehörigen oder Anstandsdame reisen. Das erstaunlichste daran ist jedoch, dass diese Affären keine Auswirkung auf die Rezeption ihres schriftstellerischen Schaffens hat, sondern dieses anscheinend völlig unabhängig von ihrem persönlichen Verhalten und nur auf Basis des literarischen Wertes beurteilt wurde. So nimmt Schiller, der im Urteil anderen Frauen gegenüber durchaus abfällig werden konnte, auch dann noch keinen Anstoß an ihrem Verhalten, als sie ihm selbst davon berichtet.

Sophie Mereau treibt ihre Schriftstellerei auch deshalb voran, um im Falle der von ihr immer stärker angestrebten Trennung ein finanzielles Auskommen zu haben. Ab 1800 zieht sie sich immer mehr von ihrem Mann zurück und wird schließlich im Juni 1801 von Mereau geschieden. Im Gegensatz zu anderen Frauen, die sich in dieser Zeit scheiden lassen, geht sie jedoch nicht sofort die nächste Beziehung ein, die ihr Auskommen sichert, sondern bleibt zunächst allein. Ihren Lebensunterhalt sichert sie dabei, neben einer kleinen jährlichen Pension, die ihr geschiedener Mann ihr zahlen muss, durch ihre Schriftstellerei.

Clemens Brentano, mit dem Sophie Mereau bereits vor der Scheidung eine Zeit lang liiert war, erfährt über Umwege von der Trennung und versucht den Kontakt wieder aufzunehmen. Der acht Jahre jüngere Brentano hatte sich bereits beim ersten Treffen in Mereau verliebt und sie mit seiner ungestümen Liebe bedrängt. Mereau scheint einem erneuten Kontakt zunächst ablehnend gegenüber zu stehen, beginnt aber schließlich einen Briefwechsel mit ihm, in dem er sie wortgewandt von seiner Liebe überzeugen und zu einem Wiedersehen überreden kann. Das Zusammentreffen führt nun auch bei Sophie Mereau zu einem Wechsel der Gefühle: auch sie verliebt sich heftig. Dennoch besteht sie auf ihrer Unabhängigkeit. Sie willigt zwar ein mit Brentano zusammenzuleben möchte jedoch keine Ehe eingehen. Als sie jedoch schwanger wird, kann auch die so ungebundene, selbstsichere Sophie Mereau ihre Freiheit nicht länger bewahren: ein uneheliches Kind ist sogar für sie unvorstellbar. Die im November 1803 geschlossene Ehe der Brentanos ist stürmisch und konfliktreich. Besonders der Verlust der Kinder belastet die Beziehung. Sophie Mereau wird in den drei Ehejahren vier Mal schwanger, dabei sterben drei der Kinder sterben wenige Wochen nach der Geburt, das vierte ist eine Fehlgeburt. Hinzu kommt, das Clemens Brentano, der in seinem Roman Godwi das Bild einer unabhängigen Frau beschworen hat, von seiner eigenen Ehefrau konventionell-bürgerliches und ganz auf ihn ausgerichtetes Verhalten fordert. Anscheinend auf ihren Erfolg eifersüchtig, möchte er, dass sie die Schriftstellerei aufgibt. So kommt es, dass Sophie in der Zeit ihrer zweiten Ehe nur dann arbeitet, wenn Brentano auf Reisen ist. Sie fertigt jetzt vor allem Übersetzungen, Gedichte und kurze Erzählungen an. Als sie 1806 im Kindbett stirbt, ist sie erst 36 Jahre alt und hat für die knapp 15-jährige Spanne ihres Schaffens ein erstaunlich umfangreiches literarisches Werk hinterlassen.

 

Weiterführende Literatur:

Zur Situation der Frauen um 1800 im Allgemeinen:

  • Marie-Claire Hoock-Demarle: Die Frauen der Goethezeit. Aus dem Französischen von Renate Hörisch-Helligrath. München 1990.
  • Julia di Bartolo: Selbstbestimmtes Leben um 1800. Sophie Mereau, Johanna Schopenhauer und Henriette von Egloffstein in Weimar-Jena. Heidelberg 2008.

Die momentan einzige Mereau Biographie:

  • Dagmar von Gersdorff: Dich zu lieben kann ich nicht verlernen. Das Leben der Sophie Brentano-Mereau. Insel 2006.

Ausgaben von Mereaus Werk:

  • Sophie Mereau-Brentano: Wie sehn‘ ich mich hinaus in die freie Welt. Tagebuch, Betrachtungen und vermischte Prosa. Hersg. und kommentiert von Katharina von Hammerstein. München 1996.
  • Sophie Mereau-Brentano: Das Blütenalter der Emfpindung. Amanda und Eduard. Romane. Hersg. und kommentiert von Katharina von Hammerstein. München 1996.
  • Sophie Mereau-Brentano: Ein Glück, das keine Wirklichkeit umspannt. Gedichte und Erzählungen. Hersg. und kommentiert von Katharina von Hammerstein. München 1996.

Auf Wikisource lassen sich einige von Sophie Mereaus Gedichten online lesen:

Auf Zeno.org finden sich die beiden Romane: