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Schweizer Entdeckungen III – Giacometti Werkschau

Ähnlich wie mit August Strindbergs malerischen Werk ging es mir mit Schweizer Alberto Giacometti (1901-1966). Aus früheren Ausstellungsbesuchen verband ich mit Alberto Giacometti vor allem lange, drahtig gebaute Skulpturen mit sehr unregelmäßiger Oberfläche. Die Werkschau „Giacometti – Material und Vision“ im Kunsthaus Zürich ließ mich jedoch auch hier ein wesentlich differenzierteres Werk kennenlernen.

Die Grundlage für die Ausstellung bildeten mehrjährige Forschungsarbeiten am Kunsthaus Zürich an 75 Originalgipsen Giacomettis. Die Ausstellung war chronologisch gestaltet, wenn auch die Art der Aufstellung der Werke viele Doppelwege beinhaltete, um dem chronologischen Aufbau zu folgen. Einstieg in die Ausstellung bildete sein Frühwerk als Jugendlicher, in den Kontext gesetzt zu Werken von seinem Vater. Zudem hätte man eine Dokumentation zum Forschungsprozess am Kunsthaus Zürich ansehen können. Leider gab es nur 4 Sitzplätze, um die ca. einstündige Dokumentation zu sehen, was eindeutig zu wenig war im Verhältnis zum Besucherinteresse.

In seinem Frühwerk übt er vor allem Köpfe zu formen und möglichst naturgetreue Porträts. Erst nachdem er in Paris mit kubistischen Plastiken in Kontakt kommt, sowie mit dem Surrealismus, ändern sich seine eigenen Werke. Er experimentiert mit sehr auf klare Formen reduzierten Figuren bzw. Skulpturen, wie man an der „Löffelfrau“ oder diesem Kopf sehen kann.

Während des Zweiten Weltkriegs wohnte er hauptsächlich in der Schweiz. Zu Beginn des Krieges begann er Miniaturskulpturen zu formen, die kaum größer als Streichholzschachteln waren, sodass er sie leicht verstecken konnte. Als er nach dem Krieg nach Paris zurückkehrt, entwickelt er erst jene ikonografischen langgestreckten Skulpturen. Dabei werden die Glieder immer langgestreckter, der ganze Korpus schmaler und die Oberfläche der Skulpturen bleibt rau und rissig. Bekannte Werke, die auch mein Bild von Giacometti geprägt haben, sind „Les Femmes de Venise“ (die Frauen von Venedig) et „L’homme qui marche“ (der Schreitende).

Für mich persönlich war vor allem seine surrealistische Phase eine Entdeckung. Mehr von Giacomettis Werk gibt es  in der Fondation Giacometti in Paris, im Kunsthaus Zürich, sowie in der Fondation Beyeler in Riehen/Basel zu sehen.

поезд: warum man den Pass beim Zugfahren in Russland braucht

Grölende Fußballfans in Zügen sind für mich schwer vorstellbar in Russland. Denn Zug fahren gleicht hier fast dem Fliegen. Bereits wenn man sich ein Ticket kauft am Schalter muss man seinen Pass zeigen, denn die Zugfahrkarten werden namentlich ausgestellt wie Flugtickets. Natürlich kann man die Fahrkarten auch am Automaten kaufen, darf aber ungefähr 10 Minuten zum Eintippen aller Informationen einplanen. Denn es werden die kompletten Passdaten abgefragt: Name, Vorname, Geschlecht, Passnummer, Geburtsort, Geburtsdatum.

Während man in Deutschland auch noch kurz vor Abfahrt des Zuges ankommen kann, ist das in Russland risikoreich. Denn Verspätungen sind eher selten. Außerdem kann man nur an den Türen einsteigen, vor denen ein Schaffner steht, der jeweils einzeln die Tickets mit dem dem Originalpass vergleicht, was schon ein bisschen dauern kann. Und da die Züge pünktlich sind, sollte man selbst rechtzeitig da sein, um einsteigen zu können. Selbst in den Regionalzügen, die in etwa vergleichbar mit deutschen REs sind, gibt es einen zugewiesenen Platz. Im Zug werden dann ein weiteres Mal die Tickets kontrolliert und entwertet vom Schaffner. Diese RE-Züge, mit denen ich gereist bin, waren alle sehr neu und sauber. Einziger Nachteil – für 5 Waggons gibt es nur zwei Toiletten, sodass man sich schon frühzeitig überlegen muss, ob man diese aufsuchen will oder nicht.

russischer Zug

Russlands Fläche beträgt rund 17.100.000 Quadratkilometer. Da ist der Zug auch eines der günstigeren Verkehrsmittel zum Reisen. Fast alle großen Städte sind über die Schienen verbunden. Und so kann man mit dem Zug bzw. Nachtzug Russland entdecken. Im Gegensatz zu Deutschland gibt es in Russland für Züge mit Schlafwagen noch drei Klassen: die Luxusklasse, in dem nur zwei Betten in einem Abteil sind, die Klasse “Coupé”, die dem deutschen 4-Betten-Liegeabteil entspricht und die Klasse “Platzkartny”, in der es im Wagon nur die Liegen ohne Abteile  gibt. Die Nachtzüge sind dann schon mal älteren Datums. Grundsätzlich empfiehlt sich das Reisen mit einem kleinem Koffer bzw. einen Sporttasche, die man leicht durch alle engen Gänge bringt bzw. im Abteil ohne Probleme unterbekommt, denn sonst blockiert man schnell die übrigen Mitreisenden.

Der kleine Koffer ist auch von Vorteil beim Aussteigen am Bahnhof – denn im Gegensatz zu Deutschland gibt es äußerst selten an den Bahnsteigen Aufzüge, sodass unzählige Treppen zu bewältigen sind. Dafür ist es mir in Russland schon häufiger passiert, dass mir Männer meinen Koffer die Treppen runtergetragen haben. Seit dem Anschlag in Paris im November, muss man auch bereits eine Kofferkontrolle bzw. einen Metalldetektor durchlaufen, wenn man in das Bahnhofsgebäude möchte, sodass auch hier nicht jeder “frei” hereinkommt.

Rezensiert: Walküre in Detmold

Die Walküre in Detmold von Ralph Bollmann steht schon seit zwei Jahren auf meinem Amazon-Wunschzettel. Genauer gesagt steht das Buch dort, seit Anke Gröner es in ihrem Blog gleich zwei mal zitierte. Jetzt bekam ich es glücklicherweise auf Reisen zwischen die Finger. Und auch wenn ich das Buch leider nicht zu ende lesen konnte, muss ich ganz dringend darüber schreiben. Es gibt nämlich eine ganz großartige Lektüre für zwischendurch, bei der man auch einfach mal quer lesen kann.

Obwohl ich ja durchaus sehr an der so genannten Hochkultur interessiert bin, halte ich das Buch, das eine Art Opernführer ist, nicht nur für Operngänger sehr lesenswert. Ralph Bollmann schreibt nämlich uneingebildet, aber klug und pointiert über seine Reisen kreuz und quer durch Deutschland. Walküre in Detmold entstand aus der Beobachtung, dass es in Deutschland mehr Opernhäuser gibt, als im gesamten Rest der Welt zusammen und aus dem Plan alle diese Opernhäuser auch zu besuchen. Ralph Bollmann reiste also mehrere Jahre durch Deutschland und besuchte Opernaufführungen. Dabei herausgekommen ist ein Reisebericht, der gespickt mit historischem und kunsthistorischem Wissen ist. Die ununterbrochen eingewobenen Anekdoten machen besonders Lust, in den Zug zu steigen und ebenfalls quer durch Deutschland zu reisen. Man könnte dann ebenfalls bedeutende Bauwerke besichtigen Museen, Theater- und Opernaufführungen besuchen und am Ende ein bisschen gebildeter sein. Das jedoch ohne zwanghaft lernen zu müssen, sondern durch Erfahrung und Anschauung, die auch noch Spass macht.

Ich werde also gleich mal eine Spardose mit der Aufschrift “Kulturreisen” anlegen. Denn egal wie günstig laut Bollmanns Beschreibungen die einzelnen Opern auch sein können: Mein schmaler Studentengeldbeutel gibt so viel Kulturkonsum dann doch nicht her.