Category Archives: Wissenschaft

Be careful what you post on Tumblr…

Die Einleitung und ein Ausblick findet sich hier. Den theoretischen Hintergrund behandle ich im Post Serien – Fans – Produsage und den ersten Teil meiner Analyse im Post #SherlockNotDead.
 

Die Spekulationen der Fans darüber, wie Sherlock überlebt, sind nicht nur für sich eine Form von Produsage. Sie wirken darüber hinaus auch auf die Autoren der Serie und die offizielle Version der Handlung zurück. So zeigten Moffat, Gatiss und Vertue, die als Produzenten von Sherlock auf der Comic Con 2013 anwesend waren, bespielsweise ein Video mit Grüßen von Martin Freemann und Benedict Cumberbatch, in dem Cumberbatch „verrät“, wie Sherlock überlebt:

Allerdings sind die Stichwörter, die durch die Cuts und Störgeräusche zu hören sind und Cumberbatchs Gesten so übertrieben, dass dieses Video kaum auf die Spekulationen der Fans zurück wirkt. Hinzu kommt, dass Mitte 2013 The Reichenbach Fall von den Fans auch so sehr analysiert ist, dass wirklich nichts neues mehr dazu gesagt werden kann und die Spekulationen nachgelassen haben.

The Empty Hearse

Obwohl die Fans den Fall Sherlock Holmes teilweise betrachten, als wäre er nicht-fiktional und neben dem Filmmaterial auch den realen Drehort in ihre Analysen mit einbeziehen, anerkennen sie dennoch das (innerhalb von Produsage-Kontexten eigentlich nicht mehr gegebene) Recht Moffats und Gatiss‘ die „wahre“ Geschichte zu erzählen:

sherlocked: When the episodes of the third season are aired, we all have to read our little theories again and might smile a lot.

Dennoch haben die Spekulationen der Fans auch direkte Auswirkungen auf die erste Folge der dritten Staffel, in der erzählt werden muss, wie es passieren kann, dass Sherlock Holmes überlebt. Der Guardian zitiert Moffat, der sagt, dass es viel mehr Spass mache sich selbst Theorien zu überlegen, als erzählt zu bekommen, was passiere und Gatiss, der bemerkt, dass es eben nur eine begrenzte Anzahl an Möglichkeiten gebe, wie man von einem Gebäude springen könnte.
*********Spoilers für The Empty Hearse
Dies wird auch in der Folge aufgegriffen, wenn Sherlock sagt:

I calculated that there were thirteen possibilities once I’d invited Moriarty onto the roof. (…) The first scenario involved hurling myself into a parked hospital van filled with washing bags. Impossible. The angle was too steep. Secondly, a system of Japanese wrestling …

Da die Fans in zwei Jahren des Überanalysierens definitiv jede der Möglichkeiten abgedeckt haben, wirken die in The Empty Hearse präsentieren Möglichkeiten, als hätten Moffat und Gatiss im Internet abgeschrieben, was die Fans natürlich bemerken und kommentieren:
Careful what you post
How Sherlock was written

Insgesamt werden in The Empty Hearse drei Versionen erzählt, wie Sherlock überlebt haben könnte. Dabei wird jeweils sorgfältig darauf geachtet, dass am Ende der Erzählung deutlich wird, dass auch diese Version nur Spekulation bleibt. In den ersten beiden Fällen ist dies sehr deutlich markiert. Hier kommentieren andere Figuren die jeweilige Erzählung als unwahrscheinlich. Während die erste Version, die Anderson als ehemaliges Mitglied der Forensik DI Lestrade erzählt plausibel erscheint, bis er in seiner Erzählung von Lestrade unterbrochen wird, wird die zweite Version schon innerhalb der Erzählung skurril, wenn ein weiblicher Fan eine Romanze und einen Kuss zwischen Sherlock und seinem Erzfeind Moriarty beschreibt. Die dritte Version versteckt am geschicktesten, dass es sich nur um eine Theorie und nicht um die „Wahrheit“ handelt. Denn hier ist Sherlock selbst derjenige, der erzählt. Hinzu kommt, dass die Erzählung als Einschub in genau dem Moment erfolgt, als Sherlock und John mit einer tickenden Bombe in der U-Bahn festsitzen und deshalb wirkt, als würde Sherlock nun endlich John berichten, wie er sein Überleben geplant hat. John, der zwar im Doyle-Canon den Wissenshorizont der Leser repräsentiert, wird in der Serie allerdings vom Erzähler zur Figur, die oft weniger weiß, als die Zuschauer. Beim genauen (oder zweiten) Hinsehen stellt sich dann auch heraus, dass auch diese Erzählung nur eine Version ist, die Sherlock Anderson präsentiert, um ihm zum Narren zu halten. Anderson kann in der gesamten Episode, anstelle von John, mit den Fans und Zuschauern identifiziert werden. Er ist obsessiv davon besessen herauszufinden, wie Sherlock es schafft den Sprung zu überleben, übersieht die entscheidenden Hinweise und hat so viele Theorien entwickelt, dass er schon den Überblick verliert. Um Wissen zu sammeln, organisiert er sogar einen Fan-Club. Sein frustrierter Zusammenbruch, als er erkennt, dass Sherlock ihm nicht die echte Geschichte erzählt hat, kann als vorher genommene Reaktion der Fans interpretiert werden.

Serien, Fans und Produsage

Die Einleitung zu diesem Artikel findet sich hier.
 

Fernsehen findet heute eigentlich im Internet statt. Fans streamen ihre Lieblingsserien, sammeln und diskutieren in Wikis und Foren jedes Detail, das es über Schauspieler, Produzenten und Inhalte zu finden gibt, und führen darüber hinaus die Geschichten in Fanfiction, Fan Art und Fan Videos selbst fort. Serielles Erzählen im TV, Fans und Formen von Produsage haben die Medienlandschaft verändert.

Serialität

Im Tagungsband „Populäre Serialität“ betont Frank Kelleter den Zusammenhang von Populärkultur und Serialität 1. Serien zeichnen sich dadurch aus, dass sie fortlaufenden Geschichten sind, die der Wiedererkennbarkeit wegen standardisiert sind, gleichzeitig aber immer neue Wendungen nehmen müssen, um spannend zu bleiben 2. Serien sind leicht in das Alltagsleben zu integrieren und können

eine geradezu epidemische, d.h. außergewöhnlich reproduktionsintensive und differenzierungsfreudige Wirkung auf die alltägliche und zunehmend auch die öffentliche Kommunikation ihrer Leser, Zuschauer und Produzenten entfalten“ 3

Bedingt wird dies vor allem durch einen Veränderung des seriellen Erzählens, die vielfach an der amerikanischen Serie The Sopranos (HBO 1999-2007) festgemacht wird. Im so genannten Quality-TV werden „narrativ komplexe Sendungen“ 4 gezeigt, die sich deutlich von konventionellen Produktionen unterscheiden: Sie kombinieren episodische Handlungsstränge mit multiepisodischen Handlungsbögen 5 und haben eine gesteigerte Selbstbezüglichkeit 6. Durch diese veränderte Erzählstrategie verschiebt sich das Interesse der Zuschauer von den Erzählinhalten auf die Art und Weise, wie erzählt wird 7. Serien die so erzählt werden, zeichnen sich durch eine hohe „rewatchability“ 8 aus, Fans gucken diese Serien wieder und wieder und können dabei immer neue Facetten der Erzählung entdecken. Diese Fans werden auch selbst aktiv, indem sie über die Serien diskutieren. Ihr Feedback wird für die Autoren und Autorinnen der Serien und den weiteren Verlauf der Geschichten wichtig 9. Aber auch für die Verbreitung der Serien über verschiedene mediale Systeme, unterschiedliche Medienökonomien und nationale Grenzen ist die aktive Teilnahme der Seriengucker wichtig 10.

Fans

Fans tun ganz explizit das, was alle anderen auch tun: Sie beschäftigen sich jeden Tag mit Texten und Medien. Sie gehen mit diesen (und ihrem Fan-Sein) spielerischen um und nehmen sich selbst meist nicht allzu ernst 11. Da Fans den medialen Wandel repräsentieren werden sie für die Rezeptionsforschung besonders relevant 12. Faye beschreibt in ihrem Vorwort zu Sherlock and Transmedia Fandom die Gefühlslage von Fans:

„What we want is more stories, and we will find them – one way or another, and by various methods, each suited to our nature and our age and our tastes and our creativity.“ 13

Eine besondere Rolle bei der Fortführung von Geschichten durch Fans spielt Fanfiction. Diese erfüllt nicht nur das Bedürfnis von Fans nach immer weiteren Geschichten. Durch Fanfiction füllen Fans auch Lücken die in der seriellen Erzählung vorhanden sind 14, oder interpretieren Figuren und Handlungen ganz anders als im Original, wenn ihre Leseerwartung von den Autoren nicht erfüllt wird 15. Durch das Internet und Seiten wie fanfiction.net w oder livejournal.com können Fans dabei nicht nur ihre Geschichten besonders leicht veröffentlichen, sondern auch gegenseitig kommentiern und so verbessern und verändern. Auch multible Autorenschaften und intertextuelle Verweise werden auf diesen Plattformen erleichtert 16. In ihrem Band zu Fanfiction schreibt Jamison: „Sometimes, at some of its best times, fanfiction is a game writers play for the game‘s own sake.“ 17.

Zwischenbemerkung: Sherlock Holmes und Fanfiction

Während Harry Potter zumindest auf fanfiction.net, einer der größten Seiten auf der Fanfiction publiziert werden kann, mit über 680000 Geschichten 18 das Buch mit den meisten Fanfictions ist, kann Sherlock Holmes auf eine sehr lange Geschichte der Pastiches und Fanfictions zurückblicken 19. Sherlock Holmes, ist nach Jamison, die Figur mit den meisten spin-offs, Pastiches und Adaptionen in den unterschiedlichsten Medien 20. Diese Geschichten wurden in Fanzines, also von Fans herausgegebenen Magazinen, veröffentlicht. Üblicherweise erzählen sie im Doyleschen Kanon erwähnte, aber nicht ausgeführte Fälle 21. Als Modus der Erzählung wählen die Fans dabei den gleichen Stil, wie A.C. Doyle 22. Sie spielen „The Great Game“, in dem sie die Geschichten von Sherlock Holmes so betrachten, als hätte es Sherlock Holmes und John Watson tatsächlich gegeben. Doyle wird in diesem Kontext nur noch zum Chronisten, der reale Ereignisse aufschreibt 23. Weil sich Fans durch diesen Schreibmodus besonders intensiv mit den Figuren und dem Stil des Kanons auseinandersetzten, haben sie ein „even more complicated relationship with the fidelity of adapitions than does the average critical fandom.“ 24
Im Internet finden sich Geschichten zu Sherlock Holmes allerdings erst, seit der Veröffentlichung von Sherlock (BBC 2010-) 25. Auf fanfiction.net gehört Sherlock mit 46200 Geschichten zu den Top 5 der Serien 26 Grund für diese extrem Hohe Zahl an Geschichten ist, dass Sherlock mit 3 Staffeln pro Episode eine ausnehmend kurze Serie ist und die einzelnen Staffeln darüber hinaus auch noch mit einem Abstand von zwei Jahren gesendet werden.
Hiatus
Dennoch ist die Serie sehr erfolgreich, und das obwohl Sherlock Holmes viele Eigenschaften (wie beispielsweise sein Drogenmissbrauch) und ikonographische Details (der Deerstalker) fehlen, die sonst für Adaptionen üblich sind. Gleichzeitig steckt sie aber voll Referenzen auf den Kanon der Geschichten von Doyle, die auch immer noch wirken, obwohl Sherlock keine historische sondern eine moderne Adaption ist. Die Serie spielt im England des 21. Jahrhunderts und Sherlock Holmes benutzt moderne Technologien um seine Fälle zu lösen. Auch die Visualiserung der Handlung durch Kameraführung und Texteinblendungen ist sehr modern. Allerdings kritisiert Balaka Basu, dass Sherlock viele Aspekte des modernen Lebens in Londen unterschlage und wirke wie eine Vorstellung des 21. Jahrhunderts aus dem 19. Jahrhundert gesehen 27.
Da die Regeln von Fanfiction weniger streng sind, als die von „The Great Game“ 28 und das Bedürfnis der Autoren mehr über die Figuren zu erfahren groß ist 29, gibt es keine Variation von Figurenkonstellation oder Handlung mehr, die zu Sherlock noch nicht erzählt ist: „There‘s not one lonely little kink left unloved in the Sherlock fandom.“ 30. Die Geschichten auf fanfiction.net drehen sich dabei vor allem um die emotionalen Aspekte der Serie. Denn während zwar von allen Figuren immer wieder eine romantische Beziehung zwischen Sherlock und John angedeutet wird, streiten die beiden diese mit einer Vehemenz ab, die es verlockend macht ihre Geschichte anders zu erzählen. Unter dem Hashtag #Johnlock schreiben Fans zu allen Aspekten der Bromance.
*********Spoilers für The Reichenbach Fall
Auch das Ende von The Reichenbach Fall wird in Fanfictions ausgiebig thematisiert. Denn obwohl sich die gesamte Episode nur darum dreht, zu erzählen, wie Sherlock Selbstmord begeht, wissen die Zuschauer zwar am Ende, wie es dazu kam, aber nicht, wie es passieren konnte, dass er doch überleben konnte. Die Fanfiction zu The Reichenbach Fall bleibt allerdings vornehmlich innerhalb der Regeln von The Great Game und damit in der Perspektive von John Watson, der im Gegensatz zu den Zuschauern nicht weiß, dass Sherlock Holmes noch lebt. Die Geschichten erzählen also besonders den Trauerprozess der unterschiedlichen Charaktere.
*********Ende Spoilers für The Reichenbach Fall

Produsage

Die Interaktion von Fans mit ihren Serienhelden oder der Übergang vom passiven Konsum zur aktiven Nutzun markiert einen Kulturellen Shift, den Jenkins als „convergence culture“ 31 bezeichnet: „Convergence involves both a change in the way media is produced and a change in the way media is consumed.“ 32. Der gleiche Prozess wird von Bruns als „produsage“ beschrieben und detailliert ausgeführt. Produsage steht ihm zufolge im direkten Kontrast zur industriellen Produktion und ist durch einschneidende Veränderungen in der Produktionskette von Produzenten über Händler zu Konsumenten geprägt 33. Durch das Internet als Massenmedium verändert sich der Zugang zu Informationen und Produktionsmitteln, es entstehen peer-to-peer Modelle sozialer Organisation und das Teilen von Inhalten wird immer einfacher 34. Konsumenten werden zu Nutzern und können mit den Produzenten auf gleicher Ebene kommunizieren 35. Im Internet werden Nutzer aktiv involviert, die Trennung zwischen Produktion und Nutzung von Inhalten kann immer weniger klar vollzogen werden 36. In diesem „Produktionsprozess“, der in viele kleine Einzelschritte geteilt ist, die jederzeit von allen eingesehen werden können, ist jeder Beitrag gleichwertig. Das Produkt, das am Ende entsteht ist der Allgemeinheit zugänglich 37, oder nach v. Hippel ein „commons“ 38, das ständig in Entwicklung bleibt 39.

Sherlock entsteht als Fanprodukt von Steven Moffat und Mark Gatiss 40. Durch die geschickte Übertragung in die Moderne, schaffen Moffat und Gatiss es die Serie außerhalb des üblichen Fan-Diskurses zu stellen und so sowohl neue Zuschauergruppen zu erschließen, als auch die alten Sherlock-Holmes-Fans, die eigentlich besonders kritisch sind, für sich zu gewinnen 41. Dadurch wurde die Serie für die Forschung besonders interessant, denn es können nicht nur individuelle und gemeinschaftliche Fan-Zugänge, sondern auch unterschiedliche Generationen von Fans analysiert werden 42. Obwohl die Serie explizit ein Fan-Produkt von Moffat und Gatiss ist, stellen sowohl Hills als auch Basu in ihren Analysen fest, dass die beiden als Autoren Fanfiction zwar anerkennen, aber sich und die Serie zumindest in den ersten beiden Staffeln davon distanzieren 43. In der Folge gebe es auch kein „folding text“ (nach Berger/Marlow), „where non-canonical fan wirting can supposedly be folded back into canonical, professional screenwriting.“ 44 Dabei regt die Serie als teil von „media culture permeated with clues and vital knowledge,“ 45 die Fans ganz besonders dazu an über die erzählten Geschichten zu spekulieren.
 

Weiter geht es mit Teil 1 meiner Analyse #sherlockNotDead und Teil 2 Be careful what you post on Tumblr…

  1. (Kelleter) S. 12
  2. (Kelleter) S. 22
  3. (Kelleter) S. 23
  4. (Mittell) S. 97
  5. (Mittell) S. 106
  6. (Mittell) S. 110, (Kelleter) S. 21
  7. (Mittell) S. 111
  8. (Mittell) S. 102
  9. (Mittell) S. 104
  10. Jenkins, H. (2006) Convergence Culture. Where Old and New Media Collide. New York, London. S. 3
  11. (Booth) S. 12
  12. (Booth) S. 1
  13. (Faye) S. 2
  14. (Booth) S. 6
  15. (Jamison) S. 31
  16. (Faye) S. 2f
  17. (Jamison) S. 8
  18. https://www.fanfiction.net/book/ zuletzt eingesehen: 12.05.2014
  19. Im Gegensatz zu Fanfiction, die ausschließlich dadurch definiert wird, dass sie eben von Fans geschrieben wird, imitieren Pastiches auch den Stil ihres Vorbildes.
  20. (Jamison) S. 40
  21. (Jamison) S. 43
  22. Polasek, A. D. (2012) ‘Winning “The Grand Game”. ‘Sherlock’ and the Fragmentation of Fan Discourse’. In: Louisa Ellen Stein & Kristina Busse (Hg.): ‘Sherlock’ and Transmedia Fandom. Essays on the BBC series. Jefferson (North Carolina), London. S. 41–54. Hier: S. 43
  23. Stein, L. E. & Busse, K. (2012) ‘Introduction: The Literary, Televisual and Digital Adventures of the Beloved Detective.’. In: Louisa Ellen Stein & Kristina Busse (Hg.): ‘Sherlock’ and Transmedia Fandom. Essays on the BBC series. Jefferson (North Carolina), London. S. 9–24. Hier: S. 18
  24. Polasek (2012) S. 44
  25. (Jamison) S. 46
  26. https://www.fanfiction.net/tv/ zuletzt eingesehen: 12.05.2014
  27. Basu, B. (2012) ‘‘Sherlock’ and the (Re)Invention of Modernity’. In: Louisa Ellen Stein & Kristina Busse (Hg): ‘Sherlock’ and Transmedia Fandom. Essays on the BBC series. Jefferson (North Carolina), London. S. 196–209. Hier: S. 199
  28. Polasek (2012) S. 49
  29. (Faye) S. 5
  30. (Atlin Merrick) S. 50
  31. Jenkins (2006) S. 3
  32. Jenkins (2006) S. 16
  33. (Bruns) S. 9
  34. (Bruns) S. 13f
  35. (Bruns) S. 14
  36. (Bruns) S. 18
  37. (Bruns) S. 19f
  38. (Bruns) S. 23
  39. (Bruns) S. 22
  40. Adams, G. (2012) Sherlock. The Casebook. Wemding. S. 2f
  41. Polasek (2012) S. 41f
  42. Stein/Busse (2012) S. 16
  43. Hills, M. (2012) ‘”Sherlock’s” Epistemological Economy and the Value of “Fan” Knowledge. How Producer-Fans Play the (Great) Game of Fandom’. In: Louisa Ellen Stein & Kristina Busse (Hg.): ‘Sherlock’ and Transmedia Fandom. Essays on the BBC series. Jefferson (North Carolina), London. S. 27–40. Hier: S. 34f; Basu (2012) S. 209
  44. Hills (2012) S. 35
  45. Hills (2012) S. 31f

Netography

Feldforschung im Internet hat jede Menge Namen, netography finde ich am witzigsten. Es trifft allerdings nicht so recht, was ich grade mache, weil ethnographisches Arbeiten im Netz dann vielleicht doch bedeuten sollte, dass ich Interviews führe, mich selbst an Diskussionen beteiligen. Tatsächlich nutze ich das Internet für meine Hausarbeit über Fans von Sherlock (BBC 2010-) aber ja doch vor allem als “statische” Quelle. Dennoch stelle ich die ganze Zeit fest, das Forschen im Internet zwei Probleme mit sich bringt:

1. Wie bitte soll ich es schaffen, im Netzt Daten zu generieren, ohne mich die ganze Zeit zu verzetteln? Bei Themen, die mich interessieren ist es doch schwer genug nicht auf jeden Link zu klicken. Aber jetzt habe ich auch noch die (fadenscheinige, weil völlig unrealistische) Begründung, dass ich ja einen Überblick über mein Forschungsfeld brauche. Und wo ist eigentlich der Punkt, wo meine Daten repräsentativ sind? Selbst wenn ich gar keine quantitative, sondern eine qualitative Arbeit schreibe? Wie werden Arbeiten über das Netz valide, zumindest einigermaßen?

2. Traditionelle Hausarbeiten sind DEFINITIV nicht die geeignete Form, um über das Internet zu schreiben. Ich möchte Links setzen, Videos und Bilder einbinden und überhaupt würde sich doch bei einer Arbeit über Phänomene, die im Netz stattfinden auch anbieten, eine Form zu wählen, die diese repräsentiert. Warum kann ich keinen Blogeintrag einreichen?

Was ich programmieren würde…

… wenn ich programmieren könnte

Nachdem ich im vergangenen Wintersemester mich aus Gründen erst mal drauf konzentriert habe, mich persönlich weiter zu entwickeln, Menschen kennen zu lernen, zu reden, zu kochen, fernzusehen und viele echte neue Freunde zu finden, sitze ich seit zwei Wochen endlich, endlich konzentriert an meiner Masterarbeit. Dass ich ursprünglich mal den Plan hatte JETZT damit fertig zu sein, vergesse ich einfach sofort wieder. Denn dass das nicht klappt, war schon im Dezember absehbar und ich denke, dass es wirklich wichtig für mich war im letzten Vierteljahr eben nicht zu hundert Prozent auf mein Studium konzentriert zu sein, sondern sehr viele andere Dinge zu tun, die ich dafür in den drei Jahren Bachelorstudium nicht in diesem Ausmaß getan habe. Gut, das mit dem Timing war irgendwie schlecht, aber man kann sich so was ja jetzt auch nicht gerade aussuchen.
Dass ich gerade eigentlich jeden Tag mindestens zwei Stunden produktiv lese, normalerweise aber tatsächlich vier bis fünf Stunden Arbeitszeit komme, fühlt sich leider nur jeden einzelnen Tag nach NICHT GENUG an. Dabei zeigen leidvolle Erfahrungen aus meinem bisherigen Studium durchaus, dass fünf Stunden konzentriertes Lesen und Denken am Tag immer noch dazu führen, dass ich sehr genau darauf achten muss, mich genug an der frischen Luft zu bewegen, genug Pausen zu machen, Abschalt-Tage einzuplanen, um nicht am Ende völlig denkunfähig und überlastet zu sein. Mein Gehirn ist leider eine kleine Festplatte, die regelmäßig neu gestartet werden muss, um alle Daten richtig abzuspeichern. Und leider meint Neustart nicht, mal eben schlafen, sondern es braucht echte Ruhetage.
Nun sitze ich aber hier vor vier unterschiedlichen thematischen Bücherstapeln und obwohl ich jeden Tag bestimmt 100 Seiten ganz unterschiedlich schwieriger Texte lese (und die meisten sind doch eher anstrengend), habe ich das fiese Gefühl nicht vorwärts zu kommen. Möchte mir nicht bitte eben mal jemand eine App schreiben, die anhand von Seitenangaben in meinen Exzerpten berechnet, wie viele Seiten ich gelesen habe. Der ich im Idealfall auch noch sagen kann, ob es sich um schwer oder leicht zu lesende Bücher handelt. Eine App, die mir am Ende des Tages sagt: „Heute hast du sooooo viel gelesen. Das ist ganz wunderbar von Dir.“ Denn: ich lese seit gefühlten Jahren die selben vier Bücher und es fühlt sich nicht so an, als würde ich demnächst mit neuen anfangen können.

Vom Märchenleser zum Serienjunkie (11)

Serienkonsum, Soziabilität, Partizipation. Der Geschichten getränkte Alltag

Serienwissen schafft neue Narrative. Serien führen zur Verdichtung von narrativem Wissen. Serien führen zum von Geschichten durchdrängten Alltag.

Fans produzieren neue, breit rezipierte Medieninhalte:

Die Zirkulation von Erzählinhalten ist eng verbunden mit Distinktionsmechanismen. Während im 19. Jahrhundert der bürgerliche Geschmack und die Felder der Kultur, die als “Hochkultur” bezeichnet werden, prägend sind, werden im 21. Jahrhundert Wertzuschreibungen ausgeweitet. Nun können auch populäre Stoffe der Distinktion dienen. Die Unterhaltungsindustrie führt zu einer Globalisierung von Unterhaltung und dazu, dass auch andere als europäisch-bürgerliche Skalen von Wertzuschreibungen relevant werden (Bsp. indische Hochkultur, japanische Animes). Werte werden in der Folge zunehmend hybrid. Die Zuordnung zu bestimmten Geschmacksschichten wird schwierig.

In seinem Talk auf dem 11. Kongress der SIEF zeigt Joep Leerssen beispielsweise, wie das Schlafmotiv aus Schneewittchen weltweit zirkuliert:

Urban beschreibt den Prozess von “Metaculture”: durch Zirkulation der Inhalte kommt es zu immer stärkerer Medienverdichtung. Dieser Prozess beschleunigt sich immer mehr. Gerade Remakes und Retellings, bei denen der selbe Stoff in neuen Medien adaptiert wird, tragen dazu bei (Bsp. Miss Marple: Buch => Film; Feuervogel/Phönix: Erzählung => Märchen => Ballett). Besonders in Hollywood ist diese Methode sehr beliebt. Dem gegenüber steht, dass mündliches Erzählen eigentlich immer ein Remake ist, da jede Erzählperformanz einmalig ist. Remakes können als Varianz des Seriellen aufgefasst werden. Auch sie spielen mit der Lust an Varianz und Differenz des immer selben Stoffes.
Erst durch die Rezipienten wird die Zirkulation von Inhalten erfolgreich. So folgen beispielsweise die Rezipientinnen von Buffy dem Produzenten Joss Wheedon und den Schauspielern zu anderen Serien wie Angel und Bones.
Während Vereine eine aussterbende Organisationsform des 19. Jahrhunderts zu sein scheinen, wachsen digitale Vernetzung und Fan-Conventions.

Der Konsum von Serien regt auch die Lust am eigenen Erzählen an. Fanzines und Fanfiction-Foren geben ein eindrucksvolles Beispiel davon. Diese Erzählungen von Fans werden mit hohem Aufwand an kreativer Energie und Arbeit produziert. Sie heben den Status von Serien und lassen Handlung und Charaktere von Erzählungen in Varianten fortleben. Autorenschaft kann in der Folge nicht mehr klar von Rezeption getrennt werden. Es entstehen neue Formen von “narrativen Allmenden” oder erzählerischem Gemeingut, auf die gegenwärtig gültiges Urheberrecht nicht mehr anzuwenden sind.

Durch das Zusammenwachsen von Übertragungs- und Nutzungswegen, der Vernetzung von Produktion, Produkt, Distribution und Rezeption und der multiblen, parallelen und überlappenden Nutzung von Erzählungen entstehen verschiedene Formen der Medienkonvergenz. Alex Bruns beschäftigt sich mit verschiedenen Formen von Produsage, also Formen bei denen zwischen Produktion und Nutzung von Inhalten nicht mehr klar getrennt werden kann. Ein Beispiel für die Möglichkeit Dinge nicht nur zu nutzen, sondern sich auch in die Produktion einzubringen, ist Wikipedia. Die Dichotomie zwischen passivem Konsumenten und aktivem Produzenten wird bei solchen Formen zumindest teilweise aufgelöst. Allerdings gibt es auch Formen, wie beispielsweise Fanwikis, die ursprünglich von Rezipienten also als Form von Produsage entstanden sind, heute aber wieder von Seite der Produzenten gleich beim Erscheinen von Serien oder Filmen mitgeliefert werden.
In der Convergence Culture werden Erzählungen bewusst so konstruiert, dass die Partizipation daran möglich ist.

Vom Märchenleser zum Serienjunkie (10)

Formen des “Fortsetzens”

Ein Gastvortrag von Daniel Stein über Comics und Formen des Fortsetzens oder Rezeption ist Produktion ist Rezeption.

Üblicherweise wird angenommen, dass die Rezeption und die Produktion von Erzählungen streng voneinander getrennt sind. Tatsächlich sind beide jedoch normalerweise miteinander verbunden.

Die wissenschaftliche Beschäftigung mit Populärkultur beginnt mit Horkheimer und Adorno und der kritischen Theorie. Dort werden populäre Produkte als Ideologie, Verdummung, Berieselung und Indoktrination für die Massen gesehen. Die britischen Cultural Studies mit Fiske und Hall sehen populäre Kulturen dagegen als einen Prozess der Rezeption durch Umdeutung für eigene Interessen, während die amerikanischen Cultural Studies, vertreten durch Jenkins, popular culture als participatory culture betrachten. Das Interesse der Fans und ihr Umgang mit den Erzählungen führt zu neuen Inhalten.

Schon seit dem 19. Jahrhundert sind serielle Formen und Populärkultur eng miteinander verbunden. Durch das offene Ende können die Erzählungen beeinflusst werden (feedback loops). Das Rezeptionsverhalten von Fans kann Einfluss auf die Fortführung der Erzählung haben. Auch in der Literaturwissenschaft wird von Chabon, Bachtin und Kristeva zunehmend die generelle Intertextualität von Literatur herausgestellt (“all novels are sequels”).
In seriellen Erzählungen werden alle Faktoren, die Variierungen zulassen (Orte, Figuren, Handlungen…) auch variiert. Dabei wird das Erzählen mit längerer Laufzeit immer schwieriger, weil die Variationsmöglichkeiten zunehmend begrenzt werden. Der Rückgriff auf Varianten ist aber nötig, damit die Geschichte erkennbar bleibt. Das große Interesse an den immer gleichen Inhalten und Erzählstruckturen zeigt auch die große Menge der Spinn-offs und Remakes.

Comics sind multimediale Zeichensysteme. Sie erzählen ihre Handlung in Sequenzen/Panels. Die meisten Comics werden in Form von Serien erzählt. Die ersten Comics erschienen dabei in den 1930er Jahren. 2014 sind Superhelden im Alltag angekommen und überall zu finden. Grund dafür sind die Serialität von Comics und die besonders enge Verflechtung von Produktion und Rezeption. Die Produktion serieller Erzählungen ist dazu auch eine Form der Selbstrezeption, indem verschiedene Möglichkeiten des Handlungsverlaufs durchgespielt werden. Häufig haben Serien dabei auch den Drang sich selbst oder Konkurrenz zu überbieten. Durch die ständige Wiederholung entstehen Klisches, die Anlass zu Parodien oder Spoofs bieten.

In den 60er Jahren werden in Comics Leserbriefe abgedruckt, in denen die Leser alle Aspekte kommentieren, die für die Erzählung der Comics relevant sind. Für die Produzenten entsteht damit eine wichtige Quelle von Feedback. Hinzu kommt, dass diese Leserbriefe Theorien zur Serie produzieren. Dieses Expertenwissen führt wiederum zu neuen Serienformaten, denn auch die gesteigerten Erwartungen müssen erfüllt werden.

Serien-Rezeption ist häufig eine Form von Immersion. Serien prägen die Identität und den Lebensstil ihrer Fans. Sie führt zu (imaginären) Formen von Vergemeinschaftung und institutionalisierter Fan-Kultur.

Vom Märchenleser zum Serienjunkie (9)

Unterhaltung im Medientakt: Zeitstrukturen und Meidenkonsum

Alltagsleben völlig ohne Struktur ist quasi unmöglich. Allein Essen und Schlafen brauchen eine gewisse Regelmäßigkeit. Auch der Jahres-, Monats-, Wochen- und Tageslauf stellen eine „natürliche“ Struktur des Lebens dar. Erzählungen sind mit dem Jahreslauf und (religiösen) Ritualen verbunden. Trotz Säkularisierung sind solche Erzählungen auch immer noch gesellschaftlich präsent. Darüber hinaus können Erzählungen Arbeitsrhythmen, Unterhaltungs- und Ruhephasen strukturieren. So gehört das Erzählen von Geschichten z.B. eher in die dunkle Jahreszeit. Durch Medien wird diese Taktung des Alltags verdichtet. Künstliches Licht und Uhren veränderten die traditionellen Rhythmen von Arbeit und Erholung. Durch den Buchdruck und weitere Medien wurde dann der Medienkonsum zwar zur Sache des Einzelnen, gleichzeitig war aber eine neue Form der Vergemeinschaftung damit verbunden. Diese entstand dadurch, dass durch die Medien feste Strukturen geschaffen wurden, an denen viele Menschen partizipierten. So waren Tageszeitung, Tagesschau und bestimmte Serien bis zur flächendeckenden Nutzung des Internets, wo Nachrichten und Unterhaltung jederzeit für jeden verfügbar sind, Formen, die breite Bevölkerungsschichten miteinander verbanden.
Mediale Angebote führten also lange zu einer Verdichtung der Strukturierung des Alltags, die sahen feste Konsumzeiten vor und lieferten verlässlichen Gesprächsstoff. Durch Smartphones und Tablets wird der Konsum von medialen Inhalten zwar zeitlich unabhängiger, dennoch sind gewisse (alte) Rituale des Medienkonsums (noch) habitualisiert und strukturieren weiterhin den Alltag.

Ob dieser Wandel in der medialen Landschaft auch Auswirkungen auf die Aufnahmefähigkeit hat, ist noch nicht geklärt. C. Hayles unterscheidet zwischen Tiefen- und Hyperaufmerksamkeit. Diese sind aber nicht an den Konsum bestimmter Medienarten gekoppelt. Auch Computerspiele verlangen Tiefenaufmerksamkeit und Lesen kann Hypernetze generieren. Schon in alten Quilts (mit unterschiedlichen Stoffen und Mustern, die nur von Experten entziffert werden können), werden „Hyperlinks“ gesetzt. Neu ist vor allem das Tempo, die Vielfalt und die Art der Datenträger von Hyperverbindungen. Während einerseits immer mehr Berufe Hyperaufmerksamkeit zwingend notwendig machen, gibt es andererseits zunehmend Versuche mit Handarbeit, Yoga und Meditation Gegenkulturen zu schaffen, um Pausen von der Übersimulation zu ermöglichen. Gerade Online-Spiele bieten allerdings eine Form der digitalen Vernetzung, die dem Bild vom vereinzelten Nerd entgegensteht.

Die tiefen Gräben zwischen „Hoch-“ und „Populärkultur“ werden nur langsam aufgebrochen. Die Analyse des seriellen Erzählens trägt dazu ebenso bei, wie das Entstehen neuer medialer Formen durch das Internet. Gerade der hohe Distinktionswert von Smartphones spielt dabei eine Rolle. Hinzu kommt, dass durch Fernsehen und Radio schichtgebundene Unterhaltung immer mehr aufgehoben wurde und die Trennung in „hohe“ und „niedere“ Unterhaltung in den Medien zunehmend erschwert wurde. Auch Werbung trägt zu diesem Prozess bei, besonders weil hochkulturelle Werbung schwierig zu machen ist.
Bis in die 70er Jahre steht „U-Kunst“ unter hohem Rechtfertigungsdruck. Auch die Wissenschaft beschäftigt sich lange nicht mit Massenunterhaltung. In der Kulturanthropologie wird dieses Tabu erst durch Hermann Bausinger und besonders Kaspar Maase aufgebrochen. Maase kommt dabei das Verdienst zu, die „Schmutz- und Schunddebatte“ aufgearbeitet und „das Recht der Gewöhnlichkeit“ verteidigt zu haben. „Schundliteratur“ hat zwar einerseits einen erstaunlich hohen Leserkreis, andererseits zeigt die Klassifikation ein Bedürfnis Geschmack zu disziplinieren. Besonders deutlich sieht man solche Prozesse heute an der Auseinandersetzung um Computerspiele.
Insgesamt kann gesagt werden, dass Populärkultur ein essentielles Handlungsfeld der Moderne ist, dessen Analyse mehr Aufschluss über die Gesellschaft gibt, als die Analyse von Hochkultur und mündlicher Tradition.

Serielles Erzählen ist keine Erzählform, die im Zusammenhang mit technischen Entwicklungen steht. Schon die Geschichten aus 1001 Nacht, Epen oder das ritualisierte Vorlesen einzelner Kapitel einer Geschichte zum Einschlafen sind seriell. Etwa seit den 1860er Jahren werden in Printmedien serielle Erzählungen abgedruckt.
Beim seriellen Erzählen gibt es eine starke gegenseitige Beeinflussung von Produktion und Konsumption. Einerseits beeinflusst die Erzählung das Alltagsverhalten der Konsumenten, indem zum Beispiel sehnsüchtig auf den Erscheinungstermin des nächsten Teils gewartet wird, andererseits führt das Beharren der Konsumenten auf das Einhalten von Erscheinungsterminen auch zu veränderten Produktionsbedingungen. Hinzu kommt, dass die regelmäßigen Aufträge eine finanzielle Absicherung für Autoren darstellen.

Frank Kelleter stellt verschiedene Thesen zur Serialität als Erzählprinzip auf:

  • Befriedigung der Nicht-Abgeschlossenheit, weil durch das aufgeschobene Ende ein Versprechen auf Fortsetzung besteht
  • Negatives Figurendoppel, denn was wäre der Held ohne einen Gegenspieler?
  • Serialität verändert im 20. Jahrhundert kulturelle Sphären signifikant
  • Figurenkonstanz und Schematisierung der Produktion
  • arbeitsteilige Produktion der Erzählung
  • hohe Marktabhängigkeit
  • starke Intermedialität und Setzen auf Wiedererkennungseffekte (bspw. Schauspieler, die aus anderen Serien erkannt werden)

Zwei Links zu Forschungsprojekten, die sich mit populärer Serialität beschäftigen:
Sonderforschungsbereich 240 (1985-2000) „Ästhestik, Pragmatik und Geschichte der Bildschirmmedien“

DFG Forschergruppe 1091 (2010-). „Ästhetik und Praxis populärer Serialität“

Zitate aus der Wissenschaft 5

Ich sehe zum Beispiel zu, wie mein Schwager meinen eigenen ungezogenen Sprößling verprügelt, und weiß, daß es sich dabei um einen Fall von Verprügeln handelt, einen auch zwischen anderen Onkeln und Neffen üblichen Vorgang, ja, geradezu um die Regel in einer matrilinearen Gesellschaft. Nur wenn das letztere der Fall ist, nimmt der einzelne Vorgang einen gesellschaftlich selbstverständlichen Verlauf: als leiblicher Vater ziehe ich mich diskret von der Szene zurück, um die legitime Ausübung von Onkelpflichten nicht zu stören.

Zitat aus Berger/Luckmann Die gesellschaftliche Konstruktion der Wirklichkeit. Berger und Luckmann beschreiben welche Prozesse nötig sind, damit Gesellschaft (und das, was wir als Wirklichkeit wahrnehmen) entstehen können. So im großen und ganzen ist das alles auch sehr einleuchtend. Aber auf jeder dritten Seite kommen dann leider Beispiele zur Illustration der Thesen, die insgesamt vielleicht nicht ganz so brutal sind, wie das obige, aber doch eher verwirrend. Gerade sitze ich vor dem Buch und denke vor allem WTF?!?!!!!

Ich hätte einfach nach folgendem Zitat aus dem Vorwort doch das Buch wieder zuklappen sollen:

Es ist bei obwaltendem Anlaß üblich, auch der unwägbaren Hilfe von Ehefrauen, Kindern und etwas zweifelhafteren Angehörigen genüge zu tun […] danken wir Brigitte Berger und Benita Luckmann – mehr noch als für wissenschaftlich irrelevante private Rollen-Auffassung – für Kritik als Soziologinnen und für die standhafte Weigerung, sich leicht beeindrucken zu lassen.

An dieser Stelle habe ich mich das erste Mal gefragt, ob Berger/Luckmann überhaupt zu irgendwelcher Selbstreflexion fähig sind, wie die beiden Gattinnen das mit der Rollenverteilung sehen und wie blind Patriarchat eigentlich macht…

Leseliste (9): 14.10.2013

News of the Day:

Anstehende Finanzreform. Themen dabei: Länderfinanzausgleich und Solidaritätsbeitrag und Verteilung von Steuergeldern zwischen Bund und Ländern.

Subventionen im Energiebereich. Erneuerbare Energien werden weniger gefördert als konventionelle. (Und EU-Politiker wirken wieder mal als würden sie nicht die vernünftigen Interessen vertreten: Öttinger lässt im Bericht Zahlen streichen. In welchen Aufsichtsräten sitzt der eigentlich?).

Fernbusse.

US-Städte (Beispiel Oklahoma) sammeln Big Data. Wenn man den Text so liest, entsteht auch noch der Eindruck, dass die Auswertungstechnik inzwischen die Datenmenge auch effektiv bearbeiten kann. Verbunden damit natürlich die bekannten Privatsphären- und Freiheitsprobleme.

Negative Seite von Uno-Hilfe: Eingeschleppte Cholera in Haiti.

Zur Bedeutung des Schlafs. (Kommt mir als Lang- und Vielschläfer natürlich alles sehr entgegen.)

Gelesen:

Gudrun M. König/Zuzanna Papierz Plädoyer für eine qualitative Dinganalyse. (In: Hess/Moser/Schwertl Europäisch-ethnologisches Forschen): Ausführliche Darstellung der Fachgeschichte im Umgang mit den Dingen. Betonung ihres Akteurstatus. Spezifizierung dreier Zugangsmöglichkeiten bei der Dinganalyse: 1. historische Perspektive, ausgehend von den Objekten selbst. 2. problemorientierter Zugang, ausgehend von einer Fragestellung. 3. lebensweltlich-ethnographischer Zugang, nach den Alltagseinbindungen der Dinge fragend. Schön dicht, mit vielen nützlichen Verweisen.

Sabine Eggmann Diskursanalyse. Möglichkeiten für eine volkskundlich-ethnologische Kulturwissenschaft (In: Ebenda): Verweist für Methodik auf andere Fachliteratur und gibt sonst vor allem ihre eigene Diss als Beispiel für kulturanthropologische Diskursanalyse wieder. Für einen Methoden-Einführungsband nicht nützlich, egal wie richtig die Bemerkung sein mag, dass ein weiter Aufsatz über die Methode der Diskursanalyse überflüssig ist.

Diana Leonard A Woman’s Guide to Doctoral Studies

A final general issue worth exploring is a thread which runs through the new managerialism in higher education, the attempts to homogenize students (‘they can be any age, culture or gender so long as they resemble a young British man’)…

Arbeitsmoral an Sommersonntagen

So als Geisteswissenschaftlerin ist das Arbeitsleben ja auch nicht so einfach. Deadlines liegen aus fiesen Gründen immer so, dass man das Wochenende mit arbeiten beschäftigt ist. Es sei denn man gehört zu den seltenen Menschen, die erst einen Plan machen und sich dann dran halten. Aber wer tut das schon.

Beim aktuellen Sommerwetter ist es gleich doppelt schwierig am Sonntag drinnen zu sitzen, sich zu konzentrieren und anspruchsvollen, wissenschaftlichen Ansprüchen genügenden Text zu produzieren. Die aktuelle Seitenzahl ist mangels Konzentrationsvermögen jedenfalls viel zu niedrig.

Da half es auch nicht den Arbeitsplatz zwischenzeitig nach draußen an den ums Eck vorbeifließenden Bach zu verlegen.

sommerlicher Arbeitsplatz

sommerlicher Arbeitsplatz

Da war es zwar idyllisch und gar nicht so laut. Aber andere Menschen, die man beobachten konnte waren trotzdem da.

Am Wasser arbeiten

Am Wasser arbeiten