Serienkonsum, Soziabilität, Partizipation. Der Geschichten getränkte Alltag
Serienwissen schafft neue Narrative. Serien führen zur Verdichtung von narrativem Wissen. Serien führen zum von Geschichten durchdrängten Alltag.
Fans produzieren neue, breit rezipierte Medieninhalte:
Die Zirkulation von Erzählinhalten ist eng verbunden mit Distinktionsmechanismen. Während im 19. Jahrhundert der bürgerliche Geschmack und die Felder der Kultur, die als “Hochkultur” bezeichnet werden, prägend sind, werden im 21. Jahrhundert Wertzuschreibungen ausgeweitet. Nun können auch populäre Stoffe der Distinktion dienen. Die Unterhaltungsindustrie führt zu einer Globalisierung von Unterhaltung und dazu, dass auch andere als europäisch-bürgerliche Skalen von Wertzuschreibungen relevant werden (Bsp. indische Hochkultur, japanische Animes). Werte werden in der Folge zunehmend hybrid. Die Zuordnung zu bestimmten Geschmacksschichten wird schwierig.
In seinem Talk auf dem 11. Kongress der SIEF zeigt Joep Leerssen beispielsweise, wie das Schlafmotiv aus Schneewittchen weltweit zirkuliert:
Urban beschreibt den Prozess von “Metaculture”: durch Zirkulation der Inhalte kommt es zu immer stärkerer Medienverdichtung. Dieser Prozess beschleunigt sich immer mehr. Gerade Remakes und Retellings, bei denen der selbe Stoff in neuen Medien adaptiert wird, tragen dazu bei (Bsp. Miss Marple: Buch => Film; Feuervogel/Phönix: Erzählung => Märchen => Ballett). Besonders in Hollywood ist diese Methode sehr beliebt. Dem gegenüber steht, dass mündliches Erzählen eigentlich immer ein Remake ist, da jede Erzählperformanz einmalig ist. Remakes können als Varianz des Seriellen aufgefasst werden. Auch sie spielen mit der Lust an Varianz und Differenz des immer selben Stoffes.
Erst durch die Rezipienten wird die Zirkulation von Inhalten erfolgreich. So folgen beispielsweise die Rezipientinnen von Buffy dem Produzenten Joss Wheedon und den Schauspielern zu anderen Serien wie Angel und Bones.
Während Vereine eine aussterbende Organisationsform des 19. Jahrhunderts zu sein scheinen, wachsen digitale Vernetzung und Fan-Conventions.
Der Konsum von Serien regt auch die Lust am eigenen Erzählen an. Fanzines und Fanfiction-Foren geben ein eindrucksvolles Beispiel davon. Diese Erzählungen von Fans werden mit hohem Aufwand an kreativer Energie und Arbeit produziert. Sie heben den Status von Serien und lassen Handlung und Charaktere von Erzählungen in Varianten fortleben. Autorenschaft kann in der Folge nicht mehr klar von Rezeption getrennt werden. Es entstehen neue Formen von “narrativen Allmenden” oder erzählerischem Gemeingut, auf die gegenwärtig gültiges Urheberrecht nicht mehr anzuwenden sind.
Durch das Zusammenwachsen von Übertragungs- und Nutzungswegen, der Vernetzung von Produktion, Produkt, Distribution und Rezeption und der multiblen, parallelen und überlappenden Nutzung von Erzählungen entstehen verschiedene Formen der Medienkonvergenz. Alex Bruns beschäftigt sich mit verschiedenen Formen von Produsage, also Formen bei denen zwischen Produktion und Nutzung von Inhalten nicht mehr klar getrennt werden kann. Ein Beispiel für die Möglichkeit Dinge nicht nur zu nutzen, sondern sich auch in die Produktion einzubringen, ist Wikipedia. Die Dichotomie zwischen passivem Konsumenten und aktivem Produzenten wird bei solchen Formen zumindest teilweise aufgelöst. Allerdings gibt es auch Formen, wie beispielsweise Fanwikis, die ursprünglich von Rezipienten also als Form von Produsage entstanden sind, heute aber wieder von Seite der Produzenten gleich beim Erscheinen von Serien oder Filmen mitgeliefert werden.
In der Convergence Culture werden Erzählungen bewusst so konstruiert, dass die Partizipation daran möglich ist.