Sophie Mereau – ein biographischer Abriss

Im Zuge einer Hausarbeit beschäftige ich mich gerade mit Sophie Mereau. 1770 geboren ist ihr Leben für eine Frau ihrer Zeit sehr ungewöhnlich. Da ist zum Einen die Tatsache, dass sie mit zwanzig Jahren ihr erstes Gedicht, eine Hymne auf die Freiheitsbewegung der Französischen Revolution, in Schillers Thalia veröffentlichen kann und Schiller in der Folge immer wieder Gedichte von ihr in seinen Zeitschriften veröffentlicht und sie auch mit Ratschlägen und Verbesserungen bezüglich ihrer literarischen Arbeit unterstützt. Da ist zum Andern ihr Streben nach Freiheit auch für sie als Frau, das von Aufklärung und Französischer Revolution inspiriert ist und das den Vorstellungen der Männer ihrer Zeit über das angemessene Verhalten von Frauen, entgegensteht. So weit es ihr in den engen Grenzen der Zeit möglich ist, versucht sie diese Vorstellungen auch in ihrem eigenen Leben umzusetzen. Ihren späteren Mann Friedrich Carl Mereau hält sie sechs Jahre lang hin und heiratet ihn 1793 schließlich nur, weil der Druck der Familie immer größer wird und sie auf die finanzielle Absicherung angewiesen ist. Zudem verfügt Carl Mereau in Jena über gute Kontakte zu den schriftstellerischen Größen und Verlegern der Zeit. Er vermittelt den ersten Kontakt zu Schiller und sorgt immer wieder dafür, dass die Werke seiner Frau veröffentlicht werden. Sophie Mereau nutzt die Zeit ihrer Ehe, um ihre schriftstellerische Tätigkeit voranzutreiben. Sie selbst vertieft den Kontakt mit Schiller, korrespondiert mit ihm über ihre Arbeit und trifft sich auch immer wieder für persönliche Gespräche darüber. Dabei ist das Verhältnis zwischen Schiller und Mereau nicht ausschließlich das von Schülerin und Lehrer, sondern durchaus kollegial.

Sophie Mereau veröffentlicht Gedichte und Erzählungen in den wichtigen Zeitschriften ihrer Zeit, wird zur Gefragten Mitarbeiterin u.a. in Schillers Horen und übernimmt schließlich selbst die Herausgabe von Zeitschriften (u.a. des Göttinger Musen-Almanachs). Ihr eigenes Zeitschriftenprojekt dagegen kann sie vorläufig noch nicht durchführen.

Die Ehe der Mereaus ist von mangelnder Liebe seitens Sophie belastet, die sich in verschiedene Liebschaften und Affären stürzt, deren Existenz der Jenaer Öffentlichkeit durchaus bekannt sind. Dabei nimmt sie wenig Rücksicht auf  Schicklichkeitsvorstellungen und unternimmt mit einem ihrer Liebhaber sogar eine Berlinreise. Für damalige Verhältnisse ein Skandal, wurde von Frauen doch erwartet, dass sie zu Hause bleiben oder wenigstens nur mit dem eigenen Ehemann, Familienangehörigen oder Anstandsdame reisen. Das erstaunlichste daran ist jedoch, dass diese Affären keine Auswirkung auf die Rezeption ihres schriftstellerischen Schaffens hat, sondern dieses anscheinend völlig unabhängig von ihrem persönlichen Verhalten und nur auf Basis des literarischen Wertes beurteilt wurde. So nimmt Schiller, der im Urteil anderen Frauen gegenüber durchaus abfällig werden konnte, auch dann noch keinen Anstoß an ihrem Verhalten, als sie ihm selbst davon berichtet.

Sophie Mereau treibt ihre Schriftstellerei auch deshalb voran, um im Falle der von ihr immer stärker angestrebten Trennung ein finanzielles Auskommen zu haben. Ab 1800 zieht sie sich immer mehr von ihrem Mann zurück und wird schließlich im Juni 1801 von Mereau geschieden. Im Gegensatz zu anderen Frauen, die sich in dieser Zeit scheiden lassen, geht sie jedoch nicht sofort die nächste Beziehung ein, die ihr Auskommen sichert, sondern bleibt zunächst allein. Ihren Lebensunterhalt sichert sie dabei, neben einer kleinen jährlichen Pension, die ihr geschiedener Mann ihr zahlen muss, durch ihre Schriftstellerei.

Clemens Brentano, mit dem Sophie Mereau bereits vor der Scheidung eine Zeit lang liiert war, erfährt über Umwege von der Trennung und versucht den Kontakt wieder aufzunehmen. Der acht Jahre jüngere Brentano hatte sich bereits beim ersten Treffen in Mereau verliebt und sie mit seiner ungestümen Liebe bedrängt. Mereau scheint einem erneuten Kontakt zunächst ablehnend gegenüber zu stehen, beginnt aber schließlich einen Briefwechsel mit ihm, in dem er sie wortgewandt von seiner Liebe überzeugen und zu einem Wiedersehen überreden kann. Das Zusammentreffen führt nun auch bei Sophie Mereau zu einem Wechsel der Gefühle: auch sie verliebt sich heftig. Dennoch besteht sie auf ihrer Unabhängigkeit. Sie willigt zwar ein mit Brentano zusammenzuleben möchte jedoch keine Ehe eingehen. Als sie jedoch schwanger wird, kann auch die so ungebundene, selbstsichere Sophie Mereau ihre Freiheit nicht länger bewahren: ein uneheliches Kind ist sogar für sie unvorstellbar. Die im November 1803 geschlossene Ehe der Brentanos ist stürmisch und konfliktreich. Besonders der Verlust der Kinder belastet die Beziehung. Sophie Mereau wird in den drei Ehejahren vier Mal schwanger, dabei sterben drei der Kinder sterben wenige Wochen nach der Geburt, das vierte ist eine Fehlgeburt. Hinzu kommt, das Clemens Brentano, der in seinem Roman Godwi das Bild einer unabhängigen Frau beschworen hat, von seiner eigenen Ehefrau konventionell-bürgerliches und ganz auf ihn ausgerichtetes Verhalten fordert. Anscheinend auf ihren Erfolg eifersüchtig, möchte er, dass sie die Schriftstellerei aufgibt. So kommt es, dass Sophie in der Zeit ihrer zweiten Ehe nur dann arbeitet, wenn Brentano auf Reisen ist. Sie fertigt jetzt vor allem Übersetzungen, Gedichte und kurze Erzählungen an. Als sie 1806 im Kindbett stirbt, ist sie erst 36 Jahre alt und hat für die knapp 15-jährige Spanne ihres Schaffens ein erstaunlich umfangreiches literarisches Werk hinterlassen.

 

Weiterführende Literatur:

Zur Situation der Frauen um 1800 im Allgemeinen:

  • Marie-Claire Hoock-Demarle: Die Frauen der Goethezeit. Aus dem Französischen von Renate Hörisch-Helligrath. München 1990.
  • Julia di Bartolo: Selbstbestimmtes Leben um 1800. Sophie Mereau, Johanna Schopenhauer und Henriette von Egloffstein in Weimar-Jena. Heidelberg 2008.

Die momentan einzige Mereau Biographie:

  • Dagmar von Gersdorff: Dich zu lieben kann ich nicht verlernen. Das Leben der Sophie Brentano-Mereau. Insel 2006.

Ausgaben von Mereaus Werk:

  • Sophie Mereau-Brentano: Wie sehn‘ ich mich hinaus in die freie Welt. Tagebuch, Betrachtungen und vermischte Prosa. Hersg. und kommentiert von Katharina von Hammerstein. München 1996.
  • Sophie Mereau-Brentano: Das Blütenalter der Emfpindung. Amanda und Eduard. Romane. Hersg. und kommentiert von Katharina von Hammerstein. München 1996.
  • Sophie Mereau-Brentano: Ein Glück, das keine Wirklichkeit umspannt. Gedichte und Erzählungen. Hersg. und kommentiert von Katharina von Hammerstein. München 1996.

Auf Wikisource lassen sich einige von Sophie Mereaus Gedichten online lesen:

Auf Zeno.org finden sich die beiden Romane:

 

Bahnhofsimpression

Ein Umsteigebahnhof im unterfränkischen Niemandsland. Sechs Gleise, die genau zwei mal pro Stunde befahren werden – immerhin sind die Züge auf einander abgestimmt: gerade kommen drei auf einmal an, warten aufeinander… Aber der einzige Passagier, der sich an diesem Bahnhof länger aufhält, um umzusteigen, bin ich.

Es ist Ende Februar, durchschnittskalt und grau-bewölkt und als ich mein Gepäck Richtung Bahnhofsgebäude schleppe, bin ich erstaunt, dass es hier tatsächlich eine Bahnhofshalle zu geben scheint und noch erstaunter, als die Tür dazu sich tatsächlich öffnen lässt. Auch meine Befürchtungen bezüglich der Sauberkeit treffen nicht ein. Offensichtlich möchten sich hier noch nicht mal irgendwelche Jugendlichen des Nachts aufhalten. Es gibt immerhin eine Bank und verschlossene Toiletten (“WC nur im Zug”). Möglichkeiten sich die Zeit zu vertreiben bleiben allerdings wenige. Der Bäcker am Bahnhofsvorplatz hat geschlossen, immerhin ist Sonntag, und selbst der Gasthof sieht nicht sonderlich frequentiert aus. Noch nicht mal eine tickende Bahnhofsuhr. Dafür gibt es Vogelgezwitscher, einen vorbeirauschenden Güterzug und summende Leuchtstoffröhren.

An der Tür des ehemaligen Bahnhofskiosks – was für Zeiten, als man noch an sämtlichen Bahnhöfen Deutschlands mit Essen und Getränken und Zeitschriften und Sitzplätzen versorgt wurde – klebt noch das Windowcolor-Schild des letzen Mieters: Ristaurante – Pizzeria und das Bild eines Zuges, darunter, das wirkt als hätte jemand ausschließlich die Kindervorlage abgemalt. Im Guckkasten daneben die Ausschreibung zur Neuvermietung. Letzer Stand: 05.09.2006. Falls also jemand Interesse hat: Man kann die Gaststätte ausschließlich mit der zugehörigen Pächterwohnung mieten. Biervertrag inclusive.

Andererseits, warum sollte man ausgerechnet hier einen neuen Bahnhofskiosk eröffnen? Ich bin, bis die nächsten drei Züge mit Ankommenden beziehungsweise für Wegwollende kommen, die einzige Person, die sich überhaupt an diesem Bahnhof aufhält. Besonders gewinnversprechend ist das ja nicht gerade.