Rezension: Das 13. Kapitel

Der Roman Das 13. Kapitel von Martin Walser ist wohl eher für ältere, männliche Feulletonisten geschrieben. Beim ersten Nachdenken, was ich in dieser Rezension über dieses Buch schreiben möchte, ist mir jedenfalls außer dem, was auch im Klappentext steht, nicht viel darüber eingefallen. Und überhaupt habe ich mich beim Lesen die ganze Zeit über gefühlt, als sei ich einfach nicht die Zielgruppe des Romans. Vermutlich habe ich mich deshalb dabei ziemlich gelangweilt. Der Klappentext gibt jedenfalls beinahe die gesamte Handlung des Romans wieder:

Mit einem Festessen im Schloss Bellevue fängt er an: Ein Mann sitzt am Tisch einer ihm unbekannten Frau und kann den Blick nicht von ihr lösen. Wenig später schreibt er ihr, und zwar so, dass sie antworten muss. Es kommt zu einem Briefwechsel, der von Mal zu Mal dringlicher, intensiver wird. Beide, der Schriftsteller und die Theologin, beteuern immer wieder, dass sie glücklich verheiratet sind. Aber sie gestehen auch, dass sie in dem, was sie einander schreiben, aus sich herausgehen können wie nirgends sonst und dass sie ihre Ehepartner verraten. Nur weil ihr Briefabenteuer so aussichtslos ist, darf es sein. An ein persönliches Treffen ist nicht zu denken. Die Buchstabenketten sind Hängebrücken über einem Abgrund namens Wirklichkeit. Eines Tages teilt die Theologin mit, ihr Mann sei schwer erkrankt. Während sie auf einer Fahrradtour durch Kanadas Wildnis mit ihm noch einmal das Leben feiert, wartet der Schriftsteller auf Nachrichten. Als wieder eine eintrifft, wirft sie alles um.

Dass kaum Handlung im Roman vorhanden ist, ist für das Buch allerdings nicht so wichtig. Vielmehr als irgendwelches Geschehen steht die Möglichkeit im Mittelpunkt in Briefen an eine fremde Person Dinge sagen zu können, die man den Vertrauten zuhause gegenüber nicht aussprechen kann. Der im Klappentext formulierte Zwang zur Antwort, den die Briefe schaffen, erschloss sich mir zwar nicht ganz, ich hätte auf einen solchen Brief eher nicht geantwortet. Aber ich bin schließlich auch weder ein erfolgreicher Schriftsteller, noch eine festangestellte Theologieprofessorin. Und schließlich muss der Roman ja irgendwie weitergehen. Auch auch die angekündigte alles umwerfende Wende fand ich nur wenig dramatisch. Letztendlich dreht sich der Briefaustausch von Schriftsteller und Professorin um die Frage, was genau Verrat am Lebenspartner und Fremdgehen bedeuten. Eine Frage, die für viele meiner Generation nicht auf die Art und Weise relevant ist, wie sie im Roman behandelt wird. Während im Roman immer noch mitschwingt, dass letztlich der Partner für alle sexuellen, emotionalen und freundschaftlichen Bedürfnisse verantwortlich ist, scheinen sich die meisten 20-30jährigen pragmatischer zu verhalten: Verschiedene Bedürfnisse können von verschiedenen Personen erfüllt werden, solange offen und ehrlich damit umgegangen wird. Die Frage, ob es Verrat ist mit einem oder einer Fremde sehr vertrauliche Briefe zu schreiben, scheint mir folglich völlig irrelevant.

Darüber hinaus lese ich gerade besonders gerne Detektivgeschichten und Fantasy – beides Genres die sich durch jede Menge Handlung und Spannung auszeichnen. Folglich war Das 13. Kapitel mit all seiner Nachdenklichkeit und seinem philosophierenden Charakter vielleicht einfach nicht das richtige Genre für mich.

Besonders enttäuscht war ich übrigens, als ich feststellen musste, dass der Titel sich nicht auf die Struktur der Erzählung auswirkt. Wie viele Möglichkeiten hätte es gegeben: Nur 12 Kapitel schreiben und einen offenen Schluss lassen. Das 13. Kapitel als dramatischen Höhe- und Schlusspunkt. Das 13. Kapitel als wirklich revolutionierenden Wendepunkt… Stattdessen stammt der Titel – angeblich – nur an einem weiteren “Verrat” des Schriftstellers an seiner Frau.

 

Martin Walser. Das 13. Kapitel.  2014 erschienen bei rororo. Taschenbuch 9,99€.

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