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Ein Schreibtisch für sich allein

Vielleicht ist es etwas verwegen, Virginia Woolf für eine Überschrift in meinem Blog abzuwandeln, aber im letzten halben Jahr habe ich doch gemerkt, was für mich für effektives Arbeiten am Bedeutsamsten ist. Es muss kein eigener Raum sein – andere dürfen sich gerne im gleichen Zimmer aufhalten (solange sie dort arbeiten ;)). Aber mein eigener Schreibtisch ist doch essenziell. Ein Ort, an dem ich meine Sachen haben kann, an dem sie so sind, wie ich das zum Arbeiten brauche. Im letzten halben Jahr hatte ich über mehrere Monate hinweg keinen Schreibtisch. Eine Arbeitskabine in der Bibliothek hat mir phasenweise geholfen. (Aber ständig habe ich Dinge vermisst: Frischen Tee, einen Locher, das andere Buch, jenen Ordner.) Sobald ich aber meinen Schreibtisch zurück hatte, bin ich nicht mehr in die Bibliothek gegangen, obwohl die Arbeitsatmosphäre dort eigentlich ziemlich gut war.

Allerdings ist so ein Schreibtisch nicht das einzige, das zum produktiven Arbeiten nötig ist. Es zeigt sich immer deutlicher, dass eine Perspektive, was nach der Abschlussarbeit kommt, echt hilfreich wäre. Und dann natürlich: Deadlines. Und zwar am besten nicht nur eine Deadline wann die Arbeit abgegeben sein muss. Sondern viel, viel wichtiger: Deadlines für Zwischenschritte. Erstelle eine Literaturliste, eine Gliederung, das erste Kapitel, … und zwar bis zu einem bestimmten Datum! Dummerweise müssen diese Deadlines von außen kommen oder sehr, sehr ernst sein. Besser ist aber doch eindeutig, wenn einem jemand anderes dabei hilft, etwas Struktur in das eigene Arbeiten zu bringen. Die gesetzten Fristen haben dann einfach einen anderen Stellenwert. Im Idealfall sind sie  dann zwar ernst, können aber doch einigermaßen locker gesehen werden . Nach dem Motto: Es ist besser wenn ich sie einhalte, aber wenn ich es nicht tue, reißt mir auch keiner den Kopf ab.

Da mir die Person fehlt, die mich etwas am Gängelband hält, habe ich im letzen Jahr eine Menge über meine Arbeitsweise gelernt und darüber, wie ich für mich meine Arbeitszeit strukturieren muss. Gelernt habe ich vor allem dadurch, dass das für mich arbeiten häufig genug überhaupt nicht klappt. Außer einem Ort, an dem ich arbeiten kann, brauche ich definitiv einen gut strukturierten Arbeitsplan. Das bedeutet, dass ich mich ständig hinsetzen muss und über das, was noch zu tun ist, nachdenken muss. Und zwar auf drei verschiedenen Ebenen: Was muss ich überhaupt tun? Wie verteile ich diese Arbeit am sinnvollsten über die nächsten Wochen und Monate? Was muss ich  jeden einzelnen Tag Stunde für Stunde tun, um den so erstellten Plan umzusetzen? Die echt schwierige Kunst dabei ist, meine Zeit so zu planen, dass sie knapp genug ist, dass ich tatsächlich arbeite und nicht denke, “och ja, ist ja noch Zeit. Erst mal [setzte beliebige mehr als fünf Staffeln umfassende Serie ein] gucken!” Gleichzeitig aber muss die Zeitplanung so großzügig sein, dass es kein Problem ist, wenn ich mich mal verschätzt habe, was den Arbeitsaufwand betrifft. Die Erfolgserlebnisse, wenn ich dann schneller bin als geplant, helfen übrigens auch.

Für einen solchen realistischen Zeitplan ist es enorm wichtig, über Lese- und Schreibgeschwindigkeit nachzudenken. Ich habe festgestellt, dass ich für einfachere Texte ca. 3 Minuten pro Seite brauche, für schwierigere Textes sind es 5 Minuten pro Seite. Das ist großzügig gerechnet – eigentlich lese ich schon schneller. Aber dabei sind Tagträumereien, Twitterabschweifungen und wandernde Gedanken miteingerechnet. Sie sind mit dieser Kalkulation gerade so noch möglich, können aber nicht allzu ausufernd sein, wenn ich wirklich erledigen möchte, was ich mir vorgenommen habe. Wenn es darum geht selbst Text zu produzieren, dann brauche ich ca. 1 Stunde pro Seite. Wenn ich schon Notizen sortiert in einem Textdokument habe, geht es auch schneller. Auch hier sind Denkpausen, zwischendrin fernsehen etc. schon eingerechnet. Ausgehend von dieser Selbsterkenntnis über mein Arbeitstempo wird es überhaupt erst möglich einen sinnvollen Arbeitsplan zu erstellen.

Dummerweise komme ich allein damit, dass ich weiß, wie ich arbeiten sollte, noch nicht unbedingt weiter. Das schwierigste ist sich jeden Tag hinzusetzen (wird mit etwas Routine leichter) und vor allem, nach einer gewissen Zeit des Durchhaltens immer noch weiter zu machen. Manchmal hilft es nebenher andere Projekte zu haben. Eine Rezension zu schreiben, eine fremde Arbeit korrekturlesen… Etwas, dass nice to have ist, mit einer Deadline versehen ist und etwas weniger Spass macht, als meine eigentliche Arbeit. Dann hab ich nämlich eigentlich etwas anderes zu tun und kann prokrastinieren, indem ich meine Arbeit schreibe. Wirklich gut hilft es, einen Termin zu haben, wo ich Leuten etwas über seine Arbeit erzählen muss. So ein Vortrag (selbst vor Menschen, die etwas völlig anderes machen) bringt mich wirklich vorwärts, weil ich noch einmal Struktur in das bringen muss, was ich erarbeitet habe. Weil ich mein Thema so sehr vereinfachen muss, dass es jeder verstehen kann und ich dabei gleichzeitig noch vermitteln muss, was der eigentliche Kern ist. Dazu muss ich sehr gut verstanden haben, was ich eigentlich tue. Und da ich ja auch Ergebnisse vorstellen will, komme ich richtig gut vorwärts. Das ist eine gute Gelegenheit, um Lücken in der eigenen Arbeit zu finden.

Und dann habe ich noch etwas ganz besonders wichtiges gelernt. Bisher habe ich meine Arbeiten immer so geschrieben, dass ich erst alles gelesen habe, was mir zum Thema wichtig erschien. Gleichzeitig habe ich mich mit meinen Materialien und Daten beschäftigt. Und dann noch etwas mehr gelesen. Aber erst, wenn ich damit fertig war, habe ich angefangen meine Arbeit in einem Rutsch runter- und durchzuschreiben. Für größere wissenschaftliche Arbeiten ist das nun überhaupt nicht sinnvoll. Am wichtigsten ist es rückblickend, frühzeitig anzufangen regelmäßig zu Papier zu bringen, was ich erarbeitet habe. Und zwar nicht nur in Form von Exzerpten, sondern in Form von Textblöcken für die Arbeit. Ich glaube, ideal für mich wäre, in Themenblöcken über 1-2 Wochen zu arbeiten. Ca. alle zwei Wochen würde ich zwischen einem theoretischen oder methodischen Aspekt und meiner Quelle/dem Material/der eigenen Forschung wechseln. Dabei je 3-5 Texte pro Block lesen und exzerpieren und dann sofort zusammenfassen in einen Fließtext bringen, was die für mich und meine Arbeit wichtigen Erkenntnisse sind. Bei der Arbeit mit einer historischen Quelle ist es für mich, glaube ich sinnvoll, eine Fragestellung nach der anderen in Themenblöcken abzuarbeiteten, statt mir die Quelle chronologisch, in ihrer Gesamtheit zu erschließen. Natürlich funktioniert das nur nachdem man einen prinzipiellen Überblick über die Quelle  erlangt hat.

An den so entstehenden Texten kann ich dann, wenn ich weiter fortschreite und erneut bei einem Thema angelangt bin, weiterarbeiten. Sie unter Umständen auch neu schreiben, weil sich mein Erkenntnisinteresse verändert hat. Aber, etwas das mir für meine aktuelle Arbeit etwas gefehlt hat, mit dieser Methode kann ich vielleicht etwas besser absichern, dass ich keinen der Aspekte Quelle, theoretische Fundierung und angemessene Methodik vernachlässige.