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“The Lobster” – absurdes Lieben in Perfektion

Yorgos Lanthimos neuer Film “The Lobster” ist verstörend wie faszinierend zugleich. Wer einen Film über Liebe sehen möchte, der nicht den klassischen Hollywooderzählstrang folgt, ist hier genau richtig.

Der Film “The Lobster” (Der Hummer) startet unvermittelt damit, dass eine Frau aus einem Auto steigt und einen von zwei grasenden Eseln erschießt und anschließend weiterfährt. Es gibt hierfür keine weitere Erklärung später im Film, gibt dem Zuschauer jedoch bereits einen Vorgeschmack auf die Grundstimmung des Films. (Wer den Film sehen möchte, sollte hier zu lesen aufhören.)

David (Colin Farrell) kommt in einem Hotel an, in dem Singles untereinander vermittelt werden. Jeder neuankommender Single hat 45 Tage Zeit einen Partner zu finden unter den anderen Hotelgästen. Damit jeder die gleichen Chancen hat, gibt es für jedes Geschlecht auch die gleiche Kleidung, vier Alltagsroben und eine Galaversion. Die Spielregeln sind klar: Schafft man es nicht innerhalb dieser 45 Tage einen Partner zu finden, wird man in ein Tier seiner Wahl verwandelt. Indem man jedoch “Loners” auf der Jagd erlegt, kann man diesen Tag hinausschieben. Die “Loners”, oder Alleingänger, sind diejenigen, die aus dem System ausgebrochen sind und bewusst allein leben wollen. Dafür müssen sie in Kauf nehmen, nur in den Wäldern eine Heimat zu haben und von den “normalen” Menschen im Hotel gejagt und verachtet zu werden.

Im Hotel werden Verstöße gegen die Spielregeln bzw. Moral geahndet: wer im Singlebereich wohnt, hat kein Recht auf Selbstbefriedigung oder Sex mit einem weiteren Single. Erst wenn man sich offiziell einen Partner ausgesucht hat und in den Paarbereich umziehen darf, hat man ein Recht darauf. Bis dahin erhalten die Singles Schießunterricht, um besser auf den Jagden zu sein und werden instruiert, wieso ein Single – Dasein nur negativ sein kein. Schafft man es und findet einen Partner der zu einem passt, was auf einer simplen Ähnlichkeit wie häufigen Nasenbluten beruhen kann, hat man weitere zwei Wochen Probezeit im Paarbereich. Dann kann man endlich in die Stadt zurück, wo jedoch auch peinlich genau öffentlich geprüft wird, ob man einen Partner hat mittels eines Zertifikats.

Als Zuschauer braucht man erst eine Weile bis man versteht, in welcher Welt man sich bewegt. Irritierend sind zum einen die kalten, blassen Farben, in denen der Film gefilmt ist und zum zweiten die Musik, die durch die Dissonanzen harmlose Szenen unangenehm machen. David fügt sich seinem Schicksal und versucht jemanden ähnlichen zu finden. Nachdem es relativ erfolglos ist, verlegt er sich auf das Taktieren, wie ein Freund von ihm. Dieser gibt vor auch häufig Nasenbluten zu haben, wie eine der jungen Frauen, um als Mensch zu überleben. David gibt vor keine Gefühle zu haben, genauso wie eine der Singlefrauen. Als diese jedoch im Paarbereich merkt, dass es sich um eine Lüge seitens David handelt, will sie ihn direkt zur Hotelmanagerin bringen. Mithilfe eines Zimmermädchens schafft er es sie jedoch in den Transformationsraum zu bringen, in dem sie in ein Tier verwandelt wird. David flieht in die Wälder und wird ein “Loner”.

Dort verliebt er sich in die Kurzsichtige (Rachel Weisz). Doch auch hier ist es strikt verboten jemanden anderen zu zu küssen oder zu lieben und wird vom Anführer der Gruppe (Lea Seydoux) mit Strafen geahndet. Dennoch beginnen David und die Kurzsichtige einen Code zu entwickeln, mit dem sie sich durch Gesten verabreden können zum Sex. Sporadisch machen die Anführerin mit einem Mann, sowie David und die Kurzsichtige einen Ausflug in die Stadt, wo sie die Eltern der Anführerin besuchen. Hier wird der Anführerin auch klar, dass sich David und die Kurzsichtige lieben. Daher macht sie dem ganzen auch Ende, in dem sie die Kurzsichtige unter dem Vorwand die Augen für besseres Sehen lasern zu lassen, blenden lässt. Dies geschieht kurz bevor die beiden aus den Wäldern in die Stadt fliehen wollen.

Doch das bringt die beiden nicht von ihrem Plan ab. Nach einigen Wochen fliehen sie in die Stadt. Da zuvor ihre Gemeinsamkeit in der Kurzsichtigkeit bestand, scheint David entschlossen, sich nun auch zu blenden, sodass sie beide blind sind. Da alle in dem Film sehr unterkühlt und ohne Emotion, fast puppenartig wirken, gibt diese Annäherung zwischen David und der Kurzsichtigen Hoffnung. Dennoch bleibt David mit seiner eigenen Blendung in der gleichen Logik der Hotelgäste: eine simple Gemeinsamkeit bildet die Basis für eine Beziehung.  Der scheinbare Ausbruch aus dem System, da sie obwohl sie Loner sind Gefühle für einen anderen Menschen hegen, bleibt unvollendet.

Am Ende bleibt man ratlos zurück: die einzelnen Versatzstücke ergeben kein kohärentes Gesamtbild. Einziger roter Faden:Das Verständnis von Beziehung ist absolut pervertiert und absurd. Man könnte den Film als Kritik an unserer Gesellschaft sehen, die nach wie vor das Leben in einer Partnerschaft als das erstrebenswerte hochhält. Auch wenn vielleicht an der Modernität des Konzepts der “Ehe” zweifeln mag, so ist doch die Mehrheit der Menschen auf der Suche nach einem Partner. Hotelzimmer werden günstiger als Doppelzimmer und in Restaurants sitzt man auch selten gerne allein. Nur Exzentriker und Mönche sind heute noch tatsächlich anerkannte Singles für immer. Dabei braucht es ja nach Lanthimos gar nicht viel für eine scheinbar funktionierende Partnerschaft: eine oberflächliche Gemeinsamkeit wie häufiges Nasenbluten reicht schon vollkommen aus, dass man in die Familienidylle eintreten kann. Klappt es nicht mehr so gut, erhält man ein Kind (im Film wie in der Realität), dass dann die Probleme verlagert und die Partnerschaft andauern lässt. Tiefergehende Liebe als Akzeptanz des Partners als Ganzes oder der bewussten Entscheidung scheint es nicht mehr zu geben. Man muss, nachdem eine Partnerschaft endet,  schnellst möglich wieder einen neuen Partner finden.

Wer also bereit ist, sich auf zwei Stunden Absurdität einzulassen, wird nicht enttäuscht mit diesem Film.

Rezension: Das 13. Kapitel

Der Roman Das 13. Kapitel von Martin Walser ist wohl eher für ältere, männliche Feulletonisten geschrieben. Beim ersten Nachdenken, was ich in dieser Rezension über dieses Buch schreiben möchte, ist mir jedenfalls außer dem, was auch im Klappentext steht, nicht viel darüber eingefallen. Und überhaupt habe ich mich beim Lesen die ganze Zeit über gefühlt, als sei ich einfach nicht die Zielgruppe des Romans. Vermutlich habe ich mich deshalb dabei ziemlich gelangweilt. Der Klappentext gibt jedenfalls beinahe die gesamte Handlung des Romans wieder:

Mit einem Festessen im Schloss Bellevue fängt er an: Ein Mann sitzt am Tisch einer ihm unbekannten Frau und kann den Blick nicht von ihr lösen. Wenig später schreibt er ihr, und zwar so, dass sie antworten muss. Es kommt zu einem Briefwechsel, der von Mal zu Mal dringlicher, intensiver wird. Beide, der Schriftsteller und die Theologin, beteuern immer wieder, dass sie glücklich verheiratet sind. Aber sie gestehen auch, dass sie in dem, was sie einander schreiben, aus sich herausgehen können wie nirgends sonst und dass sie ihre Ehepartner verraten. Nur weil ihr Briefabenteuer so aussichtslos ist, darf es sein. An ein persönliches Treffen ist nicht zu denken. Die Buchstabenketten sind Hängebrücken über einem Abgrund namens Wirklichkeit. Eines Tages teilt die Theologin mit, ihr Mann sei schwer erkrankt. Während sie auf einer Fahrradtour durch Kanadas Wildnis mit ihm noch einmal das Leben feiert, wartet der Schriftsteller auf Nachrichten. Als wieder eine eintrifft, wirft sie alles um.

Dass kaum Handlung im Roman vorhanden ist, ist für das Buch allerdings nicht so wichtig. Vielmehr als irgendwelches Geschehen steht die Möglichkeit im Mittelpunkt in Briefen an eine fremde Person Dinge sagen zu können, die man den Vertrauten zuhause gegenüber nicht aussprechen kann. Der im Klappentext formulierte Zwang zur Antwort, den die Briefe schaffen, erschloss sich mir zwar nicht ganz, ich hätte auf einen solchen Brief eher nicht geantwortet. Aber ich bin schließlich auch weder ein erfolgreicher Schriftsteller, noch eine festangestellte Theologieprofessorin. Und schließlich muss der Roman ja irgendwie weitergehen. Auch auch die angekündigte alles umwerfende Wende fand ich nur wenig dramatisch. Letztendlich dreht sich der Briefaustausch von Schriftsteller und Professorin um die Frage, was genau Verrat am Lebenspartner und Fremdgehen bedeuten. Eine Frage, die für viele meiner Generation nicht auf die Art und Weise relevant ist, wie sie im Roman behandelt wird. Während im Roman immer noch mitschwingt, dass letztlich der Partner für alle sexuellen, emotionalen und freundschaftlichen Bedürfnisse verantwortlich ist, scheinen sich die meisten 20-30jährigen pragmatischer zu verhalten: Verschiedene Bedürfnisse können von verschiedenen Personen erfüllt werden, solange offen und ehrlich damit umgegangen wird. Die Frage, ob es Verrat ist mit einem oder einer Fremde sehr vertrauliche Briefe zu schreiben, scheint mir folglich völlig irrelevant.

Darüber hinaus lese ich gerade besonders gerne Detektivgeschichten und Fantasy – beides Genres die sich durch jede Menge Handlung und Spannung auszeichnen. Folglich war Das 13. Kapitel mit all seiner Nachdenklichkeit und seinem philosophierenden Charakter vielleicht einfach nicht das richtige Genre für mich.

Besonders enttäuscht war ich übrigens, als ich feststellen musste, dass der Titel sich nicht auf die Struktur der Erzählung auswirkt. Wie viele Möglichkeiten hätte es gegeben: Nur 12 Kapitel schreiben und einen offenen Schluss lassen. Das 13. Kapitel als dramatischen Höhe- und Schlusspunkt. Das 13. Kapitel als wirklich revolutionierenden Wendepunkt… Stattdessen stammt der Titel – angeblich – nur an einem weiteren “Verrat” des Schriftstellers an seiner Frau.

 

Martin Walser. Das 13. Kapitel.  2014 erschienen bei rororo. Taschenbuch 9,99€.

Rezensiert: Seperate Beds

Inzwischen finde ich die meisten Bücher, die ich so lese ja auf die folgende Art: Ich muss irgendein Buch, das ich fürs Studium brauche aus dem Freihandmagazin der Bibliothek selbst abholen. Nur zum Spass gucke ich dabei natürlich auch immer noch ein bisschen die Titel links und rechts und im Regal davor und danach an. Besonders in den Realen mit den Anschaffungen ab 2010 ist das eine sehr “gefährliche” Methode. Denn üblicherweise landen so nicht nur die zwei bis drei Bücher die ich wirklich brauche, sondern auch noch zwei bis drei weitere, die interessant oder spannend klangen in meinem Korb. Damit ich wenigstens hin und wieder auch ‘was Literarisches lese, ist das dann meistens Belletristik. Der Anschaffungspolitik der Bibliothek geschuldet meistens englischsprachig.

Am Freitag stolperte ich so über Seperate Beds, das mir wegen des hübschen cremefarbenen Einbandes mit der schönen blauen Schrift aufgefallen war. Dann packte mich auch noch aus Gründen, derer ich mir nicht so ganz klar bin, der erste Absatz:

Zosia said to Annie, “I’m glad you got home befor I left.”

Annie dumped a wohle lot of Christmas shopping on the table and ran her fingers through her hair. Bad hair day. Very bad hair day. “So am I. Are you in a hurry? Would you like a glass of wine?”

There was just the two of them in the kitchen and the house was quiet and dark. Zosia always turned the ligths off as she worked through the rooms. When Annie commente on this thrift, she had replied, “We must not waste,” for the deprivations of Zsoia’s upbringing were lodged deep in her.

Elizabeth Buchans Geschichte beginnt mit dieser idyllischen Szene – kurz bevor das Unglück voll zuschlägt und für die Familie alles immer nur noch schwieriger wird. Ich musste beim Lesen die ganze Zeit über an J.K. Rowlings The Casual Vacancy denken. Ausgelöst von einem Schicksalsschlag werden die Figuren in einen Strudel des Unglücks gezogen. Anders als bei Rowling sind diese aber nicht völlig kaputt und emotional unfähig und deshalb wesentlich glaubhafter. Jedes Familienmitglied schleppt seine persönlichen Probleme mit sich herum – aber gleichzeitig werden alle doch so geschildert, dass sie auch positive, liebende Seiten haben und somit differenziert und menschlich erscheinen. Ich zumindest habe das Buch voll Spannung gelesen. Nicht diese atemanhalten und die gesamte Nacht druchlesen Art von Spannung, sondern die intensivere mitfühlende, über die Figuren in Lesepausen nachdenkende und ihnen das Beste wünschende Spannung. So ist es auch ganz gut, dass die Figuren unter mit sich ringen, Rückfällen und Streitigkeiten sich mit ihren Problemen arrangieren. Den alten und den neuen.

 

Ich habe jedenfalls schon lange kein Buch mehr so gerne gelesen, wie Seperated Beds.

Rezensiert: Walküre in Detmold

Die Walküre in Detmold von Ralph Bollmann steht schon seit zwei Jahren auf meinem Amazon-Wunschzettel. Genauer gesagt steht das Buch dort, seit Anke Gröner es in ihrem Blog gleich zwei mal zitierte. Jetzt bekam ich es glücklicherweise auf Reisen zwischen die Finger. Und auch wenn ich das Buch leider nicht zu ende lesen konnte, muss ich ganz dringend darüber schreiben. Es gibt nämlich eine ganz großartige Lektüre für zwischendurch, bei der man auch einfach mal quer lesen kann.

Obwohl ich ja durchaus sehr an der so genannten Hochkultur interessiert bin, halte ich das Buch, das eine Art Opernführer ist, nicht nur für Operngänger sehr lesenswert. Ralph Bollmann schreibt nämlich uneingebildet, aber klug und pointiert über seine Reisen kreuz und quer durch Deutschland. Walküre in Detmold entstand aus der Beobachtung, dass es in Deutschland mehr Opernhäuser gibt, als im gesamten Rest der Welt zusammen und aus dem Plan alle diese Opernhäuser auch zu besuchen. Ralph Bollmann reiste also mehrere Jahre durch Deutschland und besuchte Opernaufführungen. Dabei herausgekommen ist ein Reisebericht, der gespickt mit historischem und kunsthistorischem Wissen ist. Die ununterbrochen eingewobenen Anekdoten machen besonders Lust, in den Zug zu steigen und ebenfalls quer durch Deutschland zu reisen. Man könnte dann ebenfalls bedeutende Bauwerke besichtigen Museen, Theater- und Opernaufführungen besuchen und am Ende ein bisschen gebildeter sein. Das jedoch ohne zwanghaft lernen zu müssen, sondern durch Erfahrung und Anschauung, die auch noch Spass macht.

Ich werde also gleich mal eine Spardose mit der Aufschrift “Kulturreisen” anlegen. Denn egal wie günstig laut Bollmanns Beschreibungen die einzelnen Opern auch sein können: Mein schmaler Studentengeldbeutel gibt so viel Kulturkonsum dann doch nicht her.

Der Menschenfeind

Man verzeihe mir das schlechte Wortspiel: Aber heute gibt es mehr Molière. Denn ich habe die Semesterferien genutzt und war nicht nur in Wien im Theater. Und wie der Zufall so wollte, wurde auch im Nürnberger Schauspielhaus Molière gegeben. Allerdings nicht – was den Vergleich ganz besonders witzig gemacht hätte – Der Geizige. Stattdessen stand Der Menschenfein auf dem Spielzettel.

Früher war ich, dank Schulplatzmiete regelmäßig im Nürnberger Schauspielhaus. Doch wegen Studium und Umzug war dies für mich der erste Besuch im 2010 fertig gestellten “neuen” Schauspielhaus. Und ich muss sagen, der Umbau war dringend nötig und ist gut geworden. Man merkt dem Zuschauerraum deutlich weniger an, dass er früher mal als Kino gedient hat. Die Bühne hat endlich anständige Bühnentechnik. Und vor allem: das Foyer und das Treppenhaus strahlen statt muffigen 70er Jahre Charmes endlich moderne Klarheit aus.

Da Der Menschenfeind nicht als Adaption sondern auf Basis einer Übersetzung gegeben wurde, musste die Inszenierung fehlenden modernen Sprachwitz ausgleichen. Das minimalistische Bühnenbild, das nur aus einem großen Glaskasten im hinteren Bühnenbereich bestand, wurde durch die opulenten Kostüme ausgeglichen. Während Alceste (Thomas Nunner) und sein Freund Philinte (Daniel Scholz) in großartigen Barocken Kostümen stecken, sind die immer mit der Mode gehenden Gegenspieler Acaste (Christian Traubenheim) und Clitandre (Marco Steeger) in poppigen Anzügen und heel less high heels gekleidet. Und während die ersteren beiden auch eher getragen spielen, schaffen es die beiden letzteren durch ihr Auftreten völlig vergessen zu machen, dass sie keinen modernen Text sprechen.

Auch in dieser Molière Inszenierung verwischen die am Anfang gezogenen Grenzen zwischen Alt und Modern. Wenn die Kleidungsstücke fallen und die unbequemen Schuhe von den Füßen fliegen, wird deutlich, dass der Menschenfeind Alceste eine Haltung einnimmt, mit der es auch heute immer noch unmöglich ist, in der Gesellschaft zu bestehen. Es zeigt sich aber auch, dass die entgegengesetzte Haltung der völligen Moderne und des öffentlichen Verspottens aller ebenso unhaltbar ist.

Besonderes Highlight für alle jüngeren Theaterbesucher, war eine Tanzszene zum Ende des Stückes, in der Célimène (Louisa von Spieß) und Eliante (Nicola Lembach) im Gangnam Style tanzen. Zu sehen ist sie zumindest teilweise in diesem youtube-Trailer des Staatstheaters:

Der Menschenfeind kann man am Staatstheater Nürnberg in dieser Spielzeit noch zu folgenden Terminen sehen:

  • Dienstag, 30.04.2013 19:30 Uhr
  • Freitag, 10.05.2013 19:30 Uhr
  • Sonntag, 12.05.2013 19:00 Uhr
  • Samstag, 25.05.2013 19:30 Uhr

 

Replay

Benjamin Stein denkt in seinem Roman „Replay“ (2012 im C.H.Beck Verlag erschienen) die nahe Zukunft an – was aus unserer heutigen Gesellschaft mit ein bisschen Technikentwicklung werden kann.

Ed Rosen, Informatiker, entwickelt mit dem Biologen Matana ein Implantat, dass ihn wieder die volle Sehqualität gibt, da eines seiner Augen seit Geburt nicht funktionierte. Mit der Zeit erlaubt dieses Implantat auch die Aufzeichnung aller Gefühle und Bilder, die der Träger sieht. Und auch das wieder abspielen dieser, was natürlich vor allem für sexuelle Erlebnisse interessante Perspektiven eröffnet.

Die eigentliche Frage, die das Buch aufwirft, ist aber eher die der Informationsverwaltung. Bereits jetzt lässt sich über die meisten Menschen mehr im Internet erfahren, als vor 20 Jahren es noch möglich war. Allein in Deutschland gibt es 25 Millionen aktive Facebooknutzer und Google besitzt das Suchmaschinenmonopol und kann durch seine zusätzlichen Dienste leicht Nutzerprofile anlegen. Wie im Buch, steigt auch die Anzahl derer, die einen gewissen Verlust über ihre Daten hinnehmen, da es keine Alternativen zu geben scheint, um ähnlichen Komfort oder Vernetzung zu erreichen.

Wollen wir wirklich, dass persönliche Gespräche und Daten über die Server von wenigen großen Firmen laufen, wo wir nicht wirklich wissen, was sonst noch mit unseren Daten passiert? Wo wir keine Kontrolle über die tatsächliche Verwendung unserer Daten haben? Wollen wir wirklich, dass Fotos oder Aussagen, die temporär vielleicht so richtig waren, für immer irgendwo auf der Welt Datenplatz belegen? Denn selbst wenn man sein Profil bei Facebook löschen kann, selbst wenn man bei jeden Onlineshop einfordern kann, dass die Kundendaten gelöscht werden, man weiß nie, wie viel davon bereits in Datenbanken gewandert ist, und zur Marktbeobachtung genutzt wird.

In „Replay“ lässt sich das Implantat nicht mehr abschalten, wieso auch – die andauernde Kommunikation, Speicherung von Aufenthaltsdaten ist gewollt. Kaum jemand hinterfragt es, wo und wie die Daten gespeichert werden. In dieser Welt der Zukunft lassen sich die meisten Kredite oder Geschäfte nur mehr abschließen, sofern man ein Implantat besitzt – denn wer ein Implantat hat, hat nichts zu verbergen. Die „Anonymen“ hingegen, die keines haben, werden mit der Zeit schon per se verdächtig, schließlich können sie, beispielsweise bei der Verbrechungsaufklärung, nicht nachweisen, wo sie gewesen sind, im Gegensatz zu den Implantatsträgern.

Stein versteht es diese beängstigende Zukunftsvision mit der persönlichen Geschichte von Ed Rosen zu verpacken – geeignet als Lektüre für einen Abend, da die Geschichte auf 176 Seiten Platz findet.

Rezensiert: Der seltsame Fall des Benjamin Button

Die Erzählung Der seltsame Fall des Benjamin Button handelt von der Geschichte des Benjamin Button, der sein Leben rückwärts leben muss: Geboren als alter Greis stirbt er als Säugling. Auf 66 Seiten wird sehr kurz und knapp ohne große Ausgestaltung die Geschichte erzählt. Der Klappentext des Buches verrät beinahe die gesamte Handlung und weckt Erwartungen, die nicht eingehalten werden. So wird zwar eine große Liebesgeschichte versprochen: “Als Benjamin schließlich im Alter von fünfzig Jahren die zwanzig Jahre jüngere Hildegarde kennenlernt, steht für ihn, der sein Leben lang nie geliebt wurde, alles auf dem Spiel.” Tatsächlich wirkt auch die Begegnung mit Hildegarde nur episodenhaft und unwichtig. Benjamin lernt sie kennen, findet sie hübsch, und heiratet sie. Dazwischen gibt es keine Komplikationen – nur der Altersunterschied wird kurz als etwaiger Nachteil bei einer Heirat erwähnt.

Insgesamt liest sich die gesamte Erzählung mehr wie das Exposé zu einem ausführlicheren Roman oder zum Film als eine vollständige Geschichte. Ich hatte beim Lesen jedenfalls die ganze Zeit das Gefühl, dass eine weitere Ausgestaltung der Figuren, die stärkere Ausarbeitung von Szenen und mehr Details zur Geschichte mir ein viel größeres Lesevergnügen beschert hätten. So dachte ich die ganze Zeit: Wo bleibt die Spannung, wann passiert endlich etwas?

Insgesamt dürfte die Erzählung einer der Fälle der Literatur sein, in der der Film tatsächlich Erwartungen erfüllt, die das Buch selbst nicht halten kann. Ich würde (ohne mehr als den Trailer gesehen zu haben) also eher empfehlen mal wieder ins Kino zu gehen, als das Buch selbst zu kaufen.

 

Der seltsame Fall des Benjamin Button von F. Scott Fritzgerald ist 2008 in fünfter Auflage bei Diogenes erschienen und kostet in der Taschenbuchausgabe 6,90€. Übersetzt wurde die Erzählung von Christa Schuenke.

Rezensiert: Für Eile fehlt mir die Zeit

Für Eile fehlt mir die Zeit ist eine Sammlung satirischer Kurzgeschichten. Autor und Erzähler sind im Buch weitestgehend identisch und Horst Evers scheint Spass daran zu haben, immer wieder sämtliche Vorurteile von Frauen über das Verhalten von Männern zu bestätigen. So gibt es beispielsweise eine Kurzgeschichte über den hässlichsten Pulli, den der Erzähler besitzt und nur deshalb anzieht, damit Frauen ihn bemuttern können. Gleichzeitig hatte ich die ganze Zeit das Gefühl, Evers würde Frauen niemals wirklich ernst nehmen und sich stattdessen permanent über sie lustig machen. Da half auch nicht viel, dass dies auch für Nachbarn, Freunde und alle anderen Menschen gilt.

Die einzelnen Geschichten der Sammlung sind lose miteinander verbunden, indem sie in den Ablauf eines Jahres geordnet werden. Durch Abschnittsüberschriften wird die Zuordnung deutlich gemacht. Dabei wird von abenteuerlichen Bahnreisen über nutzlose Geschenke und schlechten Kleidungsstil bis hin zu seltsamen Nachbarn beinahe jedes Thema des Alltags aufgegriffen. Der Titel der Sammlung scheint in diesem Zusammenhang weitgehend willkürlich gewählt.

Das Buch gehört zur immer seltener auftauchenden Gruppe derer, die ich fertig gelesen habe obwohl ich nicht so recht wusste warum. In diesem Fall lag es ausschließlich daran, dass es amüsant genug war, um über die Schwächen hinweglesen zu können und ich leider wirklich keine Zeit mehr hatte, ein neues tolles Buch anzufangen. Die Sammlung von Kurzgeschichten hätte ich zumindest mit dem Ende meines Besuches guten Gewissens auch unbeendet liegen lassen können.

Für Eile fehlt mir die Zeit von Horst Evers erschien 2011 in der 11. Auflage bei Rowohlt Berlin. In der gebundenen Ausgabe kostet das Buch 14,95€ als Kindle Edition 12,99€. Das Buch ist der vierte Teil meiner Kurzurlaubslektüre und das Buch, bei dem ich am wenigsten weiß, was ich dazu sagen soll.

Rezensiert: Das Haus des Bücherdiebs

Das dritte Buch in meine Ferienleseliste war eine Sammlung von Kurzgeschichten, die sich um das Thema Bibliophilie und Biblomanie drehen. Das Haus des Bücherdiebs von Alexander Pechmann erschien 2010 im Aufbau Verlag in Berlin und kostet in der gebundenen Ausgabe 16,95 €.

Im Buch werden Geschichten, die auf “wahren” Ereignissen bzw. tradierten Geschichten über bibliophile und bibliomsnische Menschen beruhen, wiedererzählt. Dabei hätte ich mir gerade bei den ersten Geschichten eine Angabe gewünscht, woher der Autor sein Wissen über die frühen Büchersammler nimmt. Meinen zunehmend durch die Uni geprägten Ansprüchen an Zitation und Quellenbelege genügt das Verzeichnis der Literatur von und teils über die erwähnten Personen nur bedingt. Dennoch bietet es die Möglichkeit zum Weiterlesen.

Die Geschichten spannen den Bogen von abenteurlichen Sammlern, die morden und stehlen, um an bestimmte Bücher zu kommen, über die Beschreibung kurioser Sammlungen bis hin zur Schilderung von Mäzenatentum und schnorrenden Literaten. Das Buch versammelt so eine Reihe amüsanter und wunderlicher Geschichten über Bücherfreunde. Diese eignen sich jedoch nicht besonders dazu in einem Rutsch gelesen zu werden, da es immer wieder Überschneidungen und Ähnlichkeiten zwischen den Geschichten gibt.

Besonders störend empfand ich, dass der Erzähler Verbrechen immer wieder als sinnvoll und im Dienste der Literatur darstellt, da auf diese Weise viele Bücher erhalten würden, die sonst für immer verloren gegangen wären. In diesem Zusammenhang werden Kanonisierungsprozesse und der Verlust von Büchern als negativ gezeichnet. Auch das Wegwerfen von Büchern, die nicht mehr gebraucht werden, als schlecht empfunden wurden oder veraltet sind, wird kritisiert. Insgesamt schien mir das Buch mir immer wieder zu stark darauf aus, grundsätzlich alle Literatur bewahren zu wollen, die jemals in irgendeiner Form verfasst wurde.

Dennoch bieten die Geschichten eine unterhaltsame Abwechslung für alle Bücherfans, die sich dafür interessieren, welch kurioses Verhalten die Liebe zu Büchern auslösen kann und sich schon immer gefragt haben, welches Ausmaß ihre Büchersammelwut noch annehmen wird.

Rezensiert: Die Dienstagsfrauen

Das zweite Buch das ich in meinem kleinen Urlaub gelesen habe war:
Die Dienstagsfrauen von Monika Peetz, erschienen 2010 bei Kiepenheuer und Witsch. Der Roman kostet in der broschierten Ausgabe 8,99€.

Das Buch handelt von der Freundschaft von fünf Frauen, die sich aus einem Französischkurs kennen und, wie mehrfach betont wird, nur deshalb (noch) befreundet sind. Sie treffen sich jeden ersten Dienstag im Monat beim Franzosen, eine Traditon die mit dem Französischkurs begann, und werden deshalb vom Restaurantbesitzer als Dienstagsfrauen bezeichnet. Nach dem Tod des Mannes von Judith, Arno, machen sich die Frauen auf, um statt des jährlichen gemeinsamen Wochenendurlaubens, den Teil des Jakobweges zu Ende zu gehen, den Arno vor seinem Krebstod begonnen hat. Dabei entdecken die Frauen nicht nur völlig ungeahnte Seiten und Fähigkeiten an sich selbst, sondern auch, dass zwischen ihnen nicht alles so ist, wie es scheint.
Obwohl das Buch am gerade recht populären Pilgerwegsetting spielt, ist der Ort eher zufällig gewählt und eher den Umständen geschuldet, unter denen Arno sich auf die Reise macht. Jede andere entbehrungsreiche Reise hätte ebenso der Ort der Auseinandersetzung zwischen den Frauen sein können. In der Geschichte wird aus abwechselnder Sicht der Frauen die persönliche Entwicklung jeder einzelnen dargestellt. Und obwohl Judiths Bedürfnis, den Weg ihres Mannes zuende zu gehen, der Auslöser für die Reise ist und ihre Geschite auch die ist, die alles durcheinander bringt, ist sie die Figur, die am meisten im Hintergrund steht. Im Vordergrund stehen stattdessen die Liebesgeschichte von Kiki, Evas Emanzipation von ihrer Familie und Cornelies Versuch die Reise zu organisieren und das Rätsel um die Reise von Judiths Mann zu lösen. Auch die fünfte im Bunde, Estelle, die sich am liebsten mit Luxus umgibt, bleibt, wie Judith,beher im Hintergrund. Ganz im Nebenbei wird das Verwirrspiel um die eigentlichen Gründe der Reise aufgelöst. Dennoch konnte sich die Autorin Hinweise der Art “Sie hätten die Zeichen viel früher erkennen müssen.” hin und wieder nicht verkneifen. Dies ist besonders schade, weil auch für den Leser keine Andeutungen sichtbar werden, die das Rätsel lösen könnten, man nach jeder derartigen Andeutung aber automatisch danach sucht.
Die eigentliche Handlung wird von zwei Kapiteln eingerahmt, die aus der Sicht des Restaurantbesitzers den Beginn und den endgültige Abschluss der Reise beschreiben. Diese beiden Kapitel spielen auch im französische Restaurant und bilden gewissermasen die Ein- und Ausblende für die Handlung.
Ein spannender Roman, der plausibel die Entwicklung der verschiedenen Frauen darstellt und dessen Lösung der ursprünglichen Erwartung nicht entspricht.

Der Roman wurde 2011 unter der Regie von Olaf Kreinsen verfilmt. Der Trailer auf YouTube erweckt den Eindruck von relativer Romannähe, so entsprechen zumindes die Dialoge größtenteils denen im Roman. Leider wurde jedoch die durchaus amüsante Figur Kiki aus dem Skript gestrichen.