Author Archives: Lisseuse

Selbstversuch 2018

Meinen letzten Blogeintrag habe ich im Mai 2016 geschrieben. Das musste ich gerade nachsehen. Und dass ich in den letzten zwei Jahren tatsächlich mal gebloggt habe, hat mich selbst überrascht. Ich träume zwar davon, tolle und lesenswerte Texte zu produzieren. Aber zu schreiben ist für mich nicht so ein Bedürfnis, wie es das für viele zu sein scheint, die es schaffen, regelmäßig zu bloggen. Denn nie scheine ich Zeit zu finden, mich hinzusetzen und zu schreiben. Und natürlich bin ich mit meinen eigenen Texten immer unzufrieden.

Vermutlich liegt es auch daran, dass das Konzept dieses Blogs nicht so gut funktioniert. Ich wollte kein Tagebuch, aber doch so eine Art Kulturtagebuch führen. Persönlich sein, ohne aber selbst allzu sehr im Fokus zu stehen. Vermutlich auch: mich möglichst unangreifbar machen, denn ist es gar nicht so ungefährlich im Internet sichtbar zu sein und Angriffsfläche zu bieten. Andererseits mach Schreiben ohne Publikum aber auch keinen Spaß – es ist also schwierig.

Aber: ich irgendwie vermisse ich das Bloggen dann scheinbar doch. Und in den drei Wochen Urlaub, die ich gerade hatte, habe ich immerhin schon mal geschafft, ein neues (langweiliges) Theme zu installieren. Jetzt ist wenigstens die Optik nicht mehr so verstaubt. Und ein oder zwei Themen, über die ich gerne schreiben würde, gibt es auch.

Offenheit

In der SZ steht ein Artikel zur historischen Entwicklung des Islam: “Eine Reformation im Islam ist sinnlos”. Der Artikel ist insgesamt sehr lesenswert, für alle, die sich für Ideen-Geschichte interessieren. Mir selbst ist aber vor allem folgende Aussage aufgefallen: Vor dem Kolonialismus sei es im Islam nicht nötig gewesen eine der Aufklärung vergleichbare Entwicklung zu haben. Stattdessen hätte es eine Verbindung von Religion und Philosophie gegeben, die zu toleranten, vielfältigen Gesellschaft geführt hätten. Viele unterschiedliche Strömungen hätten darin gleichzeitig Platz gehabt. 

Ich bin ja ein großer Fan davon immer neues positives von anderen dazu zu lernen. Und deshalb bin ich an diesem Artikel hängen geblieben: Manchmal habe ich nämlich den Eindruck, dass Toleranz und Akzeptanz von unterschiedlichen Ideen und Lebensentwürfen unserer westlichen Gesellschaft als selbstverständliches Element immer noch fehlt. Und nicht nur das: Unsere Gesellschaft wird immer und immer komplexer und die gewohnten Mechanismen zur Verringerung dieser Komplexität (hallo Luhmann!) scheinen mir nicht mehr zu funktionieren. Selbst wirklich intelligente Menschen scheitern in ihren Gesprächen regelmäßig daran, die Welt wenigstens ein bisschen zu erklären.

Mehr als je zuvor ist immer auch das Gegenteil wahr, kann man kaum noch etwas richtig machen. Ein paar überspitzte Beispiele: Ich kann aufhören Fleisch aus Massentierhaltung zu essen und auf Soja umsteigen, mache dann aber den Regenwald kaputt. Ich kann (fast) keine Kleidung kaufen, die nicht unter menschenunwürdigen Bedingungen hergestellt wurde. Von den Problemen, die die Herstellung Smartphones mit sich bringt, nicht erst anzufangen. Atomstrom ist doof, aber auch Windkraftanlagen sind ökologisch nicht unbedingt einwandfrei: sie sind schlecht für viele Vogelarten, bringen Fledermäuse um und bestehen aus schwer abbaubarem Sondermüll.

Kaum versucht mal also ein Problem zu lösen, steht man vor dem nächsten. Manchmal wundert es mich nicht, dass die Parteien und Gruppen, die einfache Lösungen versprechen, so viel Zulauf haben, wenn doch eigentlich alle überfordert sind.

Ich glaube, dass wir versuchen müssen mehr Offenheit in unsere Köpfe zu bringen. Angst aus Überforderung ist gefährlich – da muss man sich nur mal selbst beobachten. Und vielleicht ist es ein Weg, dass wir uns ansehen, dass Toleranz nicht gefährlich ist. Dass es möglich ist, dass verschiedene Wahrheiten gleichzeitig nebeneinander existieren können ohne dass Gesellschaften deshalb schlechter sind.

Ein weiteres gutes Beispiel dafür scheint mir übrigens der Artikel “Frauenherrschaft?” zu sein. Darin wird gezeigt, dass matriarchale Gesellschaften eben nicht Männer-unterdrückend sind, sondern einfach nur andere Organisationsstrukturen haben, als westliche Gesellschaften. Diese führen zu größerer Freiheit aller. (Ausgehend von diesem Artikel glaube ich ja, dass “Matriarchat” der falsche Begriff für solche Gesellschaften ist, weil er völlig falsche Assoziationen weckt.)

Seriesjunkie: Boradchurch 1 und 2

Mir fiel beim Stöbern auf, dass ich  ja schon richtig lange nichts mehr über irgendwelche Serien geschrieben habe. – Das bedeutet übrigens keinesfalls, dass ich nicht immer noch dauernd welche gucke. Meine letzte Zugfahrt nach Hause zu meinen Eltern habe ich beispielsweise damit verbracht die zweite Staffel von Broadchurch zu gucken.

Da ich bekennender Doctor Who Fan bin und besonders David Tennant als den 10. Doctor liebe, habe ich irgendwann angefangen, quasi alles zu gucken, was ich mit ihm finden konnte. (Keine Ahnung von Doctor Who? Bitte hier lang zu Wikipedia. Neugierig geworden? Mit den 2005er Folgen anfangen und die ersten beiden Episoden im Fernsehen doch sehr ungewohnter Erzählweise durchhalten. Nach der ersten Staffel weinen, die erste Folge der zweiten Staffel erst hassen und dann um so mehr lieben!)

Genau so kam ich auch auf Broadchurch. Dabei handelt es sich um eine der wundervollen englischen Mini-Series. Bei Broadchurch handelt es sich um eine der Serien, die zwischen den Genres angesiedelt sind. Broadchurch beginnt wie ein Krimi mit einem Mord. Die polizeiliche Ermittlungsarbeit zur Aufklärung des Falls nimmt auch einen wichtigen Teil der ersten Staffel ein. Die beiden Detectives Ellie Miller (Olivia Colman) und Alec Hardy (David Tennant) suchen den Mörder eines kleinen Jungen, Danny Latimer. Daneben zeigt die Serie aber auch, was der Mord an Danny mit der Gemeinschaft in der Kleinstadt macht und wie er das soziale Beziehungsgefüge zerstört. Es wird der Medienrummel nach dem Mord ebenso gezeigt, wie die Verzweiflung der Eltern Beth (Jodie Whittaker) und Mark (Andrew Buchan).

Der Spannungsbogen wird geschickt über die acht Episoden gezogen. Immer wieder tauchen neue Verdächtige auf. Immer wieder führt ein neuer Verdacht dazu, dass eine weitere Beziehung einen Vertrauensbruch erleidet. Die Cliffhanger am Ende jeder Folge führen dazu, dass man unbedingt weiter gucken möchte. Es handelt sich definitiv um Binge-Watching-Material.

Glücklicher Weise gibt es schon eine zweite Staffel zu Broadchurch. Diese zeigt nicht einfach einen neuen Fall, sondern führt weiter, was schon in der ersten Staffel begonnen wurde: Zu zeigen, wie der Mord an einem Jungen die Verhältnisse in einer Stadt verändert. Dabei greift die Staffel alte Fäden aus der ersten Staffel auf. So wird ein weiterer Mordfall, an dem Alec Hardy arbeitete, bevor er nach Broadchurch kam, in den Fokus gerückt. Entsprechend gibt es zwei Handlungsstränge. Zum einen ist das die Gerichtsverhandlung um den Mörder von Danny. Zum anderen sind es eben die wieder aufgerollten Ermittlungsarbeiten am anderen Mordfall. Dieser kontrastierte schon in der ersten Staffel die Ermittlungsarbeiten. Nun bildet er eine Folie für die Gerichtsverhandlung.

Das tolle an der zweiten Staffel ist, dass sie völlig entgegen meiner Erwartungen nicht einen neuen Fall aufmacht – wie das bei anderen Krimiserien so ist – sondern genau da weiter erzählt, wo die erste Staffel abgebrochen hat. Außerdem führt sie fort, was schon in der ersten Staffel auffällig war: Die Serie wird vor allem von den starken Frauenfiguren getragen. In der ersten Staffel sind das vor allem Olivia Colman als Elli und Jodie Whittaker als Beth. Jetzt kommt noch Charlotte Rampling als Anwältin Jocelyn Knight dazu. Das besonders faszinierende ist, dass in Broadchurch ganz selbstverständlich sehr unterschiedliche weibliche Lebensentwürfe und Charaktere gezeigt werden. Alle Frauen sind völlig normal. Gleichzeitig sind sie aber sehr unterschiedlich in ihrem Charakter, ihren Fähigkeiten und ihrer Lebensweise. Davon braucht das Fernsehen dringend mehr.

Außerdem kann man in Broadchurch natürlich David Tennant dabei zusehen brilliant zu sein. Aber das braucht fast keine Erwähnung.

Wie soll ich sagen: Broadchurch kann man ziemlich gut (noch mal) gucken. Es ist spannend, unterhaltend und vielfältig. Und wie ich gerade gesehen habe, ist für nächstes Jahr auch schon die dritte Staffel angekündigt. *freu*

Rezension: Das 13. Kapitel

Der Roman Das 13. Kapitel von Martin Walser ist wohl eher für ältere, männliche Feulletonisten geschrieben. Beim ersten Nachdenken, was ich in dieser Rezension über dieses Buch schreiben möchte, ist mir jedenfalls außer dem, was auch im Klappentext steht, nicht viel darüber eingefallen. Und überhaupt habe ich mich beim Lesen die ganze Zeit über gefühlt, als sei ich einfach nicht die Zielgruppe des Romans. Vermutlich habe ich mich deshalb dabei ziemlich gelangweilt. Der Klappentext gibt jedenfalls beinahe die gesamte Handlung des Romans wieder:

Mit einem Festessen im Schloss Bellevue fängt er an: Ein Mann sitzt am Tisch einer ihm unbekannten Frau und kann den Blick nicht von ihr lösen. Wenig später schreibt er ihr, und zwar so, dass sie antworten muss. Es kommt zu einem Briefwechsel, der von Mal zu Mal dringlicher, intensiver wird. Beide, der Schriftsteller und die Theologin, beteuern immer wieder, dass sie glücklich verheiratet sind. Aber sie gestehen auch, dass sie in dem, was sie einander schreiben, aus sich herausgehen können wie nirgends sonst und dass sie ihre Ehepartner verraten. Nur weil ihr Briefabenteuer so aussichtslos ist, darf es sein. An ein persönliches Treffen ist nicht zu denken. Die Buchstabenketten sind Hängebrücken über einem Abgrund namens Wirklichkeit. Eines Tages teilt die Theologin mit, ihr Mann sei schwer erkrankt. Während sie auf einer Fahrradtour durch Kanadas Wildnis mit ihm noch einmal das Leben feiert, wartet der Schriftsteller auf Nachrichten. Als wieder eine eintrifft, wirft sie alles um.

Dass kaum Handlung im Roman vorhanden ist, ist für das Buch allerdings nicht so wichtig. Vielmehr als irgendwelches Geschehen steht die Möglichkeit im Mittelpunkt in Briefen an eine fremde Person Dinge sagen zu können, die man den Vertrauten zuhause gegenüber nicht aussprechen kann. Der im Klappentext formulierte Zwang zur Antwort, den die Briefe schaffen, erschloss sich mir zwar nicht ganz, ich hätte auf einen solchen Brief eher nicht geantwortet. Aber ich bin schließlich auch weder ein erfolgreicher Schriftsteller, noch eine festangestellte Theologieprofessorin. Und schließlich muss der Roman ja irgendwie weitergehen. Auch auch die angekündigte alles umwerfende Wende fand ich nur wenig dramatisch. Letztendlich dreht sich der Briefaustausch von Schriftsteller und Professorin um die Frage, was genau Verrat am Lebenspartner und Fremdgehen bedeuten. Eine Frage, die für viele meiner Generation nicht auf die Art und Weise relevant ist, wie sie im Roman behandelt wird. Während im Roman immer noch mitschwingt, dass letztlich der Partner für alle sexuellen, emotionalen und freundschaftlichen Bedürfnisse verantwortlich ist, scheinen sich die meisten 20-30jährigen pragmatischer zu verhalten: Verschiedene Bedürfnisse können von verschiedenen Personen erfüllt werden, solange offen und ehrlich damit umgegangen wird. Die Frage, ob es Verrat ist mit einem oder einer Fremde sehr vertrauliche Briefe zu schreiben, scheint mir folglich völlig irrelevant.

Darüber hinaus lese ich gerade besonders gerne Detektivgeschichten und Fantasy – beides Genres die sich durch jede Menge Handlung und Spannung auszeichnen. Folglich war Das 13. Kapitel mit all seiner Nachdenklichkeit und seinem philosophierenden Charakter vielleicht einfach nicht das richtige Genre für mich.

Besonders enttäuscht war ich übrigens, als ich feststellen musste, dass der Titel sich nicht auf die Struktur der Erzählung auswirkt. Wie viele Möglichkeiten hätte es gegeben: Nur 12 Kapitel schreiben und einen offenen Schluss lassen. Das 13. Kapitel als dramatischen Höhe- und Schlusspunkt. Das 13. Kapitel als wirklich revolutionierenden Wendepunkt… Stattdessen stammt der Titel – angeblich – nur an einem weiteren “Verrat” des Schriftstellers an seiner Frau.

 

Martin Walser. Das 13. Kapitel.  2014 erschienen bei rororo. Taschenbuch 9,99€.

Liebeskummer für einen Ort

Als ich zum Studium nach Göttingen gezogen bin, hatte ich das große Glück die für mich perfekte Wohnung zu finden. Eineinhalb Zimmer im Dachgeschoss einer Ostviertel-Villa. Tauben und Student*inn*en wohnen unter dem Dach. Sie war wie aus einem Studentenroman. Mit Dachschrägen und Kompromisslösungen, die sie überhaupt erst finanzierbar machten. Mein Badezimmer ging direkt in mein Schlafzimmer über und mein Waschbecken war auf dem Flur, der direkt ins Treppenhaus führte und wo auch die anderen Bewohner durch mussten um zum Wäscheboden zu kommen, aber das war egal. Ich hatte keine echte Küche, aber eine perfekte Lösung mit Minikitchen inklusive Backofen und Ceranplatten und Spülschüsseln, um im Waschbecken auf dem Flur mein Geschirr zu spülen. Mein Papa hatte mir das perfekt angepasste Küchenregal mit eingebautem Tisch geschreinert.

Durch die drei Fenster des großen Zimmers – Küche, Wohn- und Arbeitszimmer in einem – konnte ich direkt auf einen wunderschönen großen Garten und den Park blicken. Ich hatte die perfekte 30-Minuten-Spazierroute durch Park und Stadtwald, die nicht zu lange dauerte, um völlig aus meinen Gedankengängen zu fallen, aber meinen Kopf frei machte.

Im Sommer war es unter dem Dach fast zu heiß und im Winter konnte ich nicht ohne extra Pulli über den Flur von der Wohnarbeitsküche ins Schlafbad gehen ohne zu frieren. Dafür war der Weg in den Park mit eiskaltem Flusslauf nur ein Katzensprung und kuschelige Decken und warmer Kakao sind im Winter sowieso eine gute Lösung.

Ich hatte die liebste Nachbarin der Welt, bei der ich schon mal ein Ei leihen konnte und mit der zusammen ich ein Milchabo hatte. Und die immer für fünf Minuten oder auch eine Stunde Gespräch zwischen Tür und Angel bereit war. Und auch wenn mein Zimmer nicht groß war – acht Leute zur Teestunde passten doch gerade so rein und machten es erst so richtig gemütlich.

Mein Schlafzimmer war der perfekte Rückzugsort. Die Dachschrägen machten es zur kuschligen Höhle, die rote Wand tat ihr Übriges. Nur die Sterne konnte ich nicht durchs Dachfenster zu beobachten, dazu war es zu klein. Aber der prasselnde Regen darauf war oft genug meine beruhigende Einschlafmusik.

Aber am wichtigsten war doch: Es war mein Zuhause. Ich konnte allein sein, wenn ich wollte oder Freundinnen einladen, wenn ich Lust auf Gesellschaft hatte. Ich hatte mein Bett, meinen Schreibtisch und meine Küche an einem Ort. Meine Bücher waren da, wo ich war. Das Bad und die Küche waren MEINS. Auch wenn sie nicht perfekt und eher provisorisch waren. Nicht alle Möbel gehörten mir, aber die, die da standen, hätten genauso gut von mir ausgesucht sein können. Sie erinnerten mich an die Möbel zuhause bei meinen Eltern. Ich hatte einen gelben Teppich, eine blaue Decke über dem Sofa und Holzmöbel, die dass Zimmer warm machten. Vielleicht schien es so kleiner als mit weißen und schwarzen Möbeln und glänzendem Stahl, aber dafür war es nicht kalt und steril. Die Wohnung passte genau so, wie sie war, zu mir. Sie war praktisch und gemütlich, warm und kuschelig, klein aber fein. Sie konnte Kompromisse eingehen, die sich als hervorragende Lösungen herausstellten.

Anders als in der WG, in der ich jetzt arbeite, waren Dreck und Unordnung wenigstens mein Chaos. Anders als beim Wohnen bei meinem Freund, hatte ich selbst mir den Ort ausgesucht und eingerichtet. Ich hatte meine Plätze. Und die Dinge, die ich besaß, waren an einem Ort. Nichts hasse ich momentan so sehr, wie das Gefühl zwischen zwei Orten zerrissen zu sein, an keinem wirklich zu leben, nirgends zu 100 Prozent zuhause zu sein. Nichts vermisse ich immer und immer wieder so sehr wie diese erste eigene Wohnung, die meine war und das beste erwachsene zuhause, das ich mir vorstellen kann. Noch immer – weit über ein Jahr, nachdem ich ausziehen musste – ist diese Wohnung der Ort an den ich mich zurückwünsche, wenn es mir nicht gut geht.

Ich habe über ein Jahr gebraucht, um an dem Haus, in dem diese Wohnung war, wieder vorbei gehen zu können. Wenn ich länger an sie denke, fällt es mir immer noch schwer, nicht in Tränen auszubrechen. Ich glaube ich habe immer noch Liebeskummer nach dieser Wohnung.

Wissensorganisation

Vermutlich sammelt jeder während seiner Uni-Laufbahn eine Liste mit Dingen, die ich vor dem Studium hätte wissen sollen. Am aller meisten ärgere ich mich immer und immer wieder darüber, dass ich zwar eigentlich alle meine gelesenen Texte ordentlich abgeheftet und sortiert habe, aber dennoch meine Literaturdatenbank aus 7 Jahren Studium ein einziges Chaos ist.

Ich wünsche wirklich, jemand hätte mir im ersten Semester gesagt: Besuche einen Kurs, in dem du Literaturverwaltungsprogramme wie Citavi, Endnote oder Zotero kennen lernst. Trage jeden einzelnen Text, den du recherchierst, liest, scannst, nicht-liest in eines dieser Datenbankprogramme ein. Mit vollständigen Literaturangaben. Und Verschlagwortung. Am Besten auch noch mit einer Kurzzusammenfassung und einer Kurzbewertung. Das wird dir SEHR viel Zeit sparen, wenn du mal ne große Arbeit schreibst. Mach es immer sofort. Oder wenigstens wochenweise gebündelt. Nimm ein Datenbankprogramm, das mit deinem Textverarbeitungsprogramm spricht. Lerne am besten sofort LaTeX und BibTeX zu benutzen. (Das bringt dann auch wieder Probleme mit sich, aber wenigstens auf einer höheren Ebene.)

Das ist zwar etwas unfair, weil ich  feststelle, dass während meiner Studienzeit diese Programme deutlich an Verbreitung zugenommen haben. Aber so habe ich eben erst mitten während meiner Studienzeit damit angefangen, ein Viertel meiner Texte nie eingetragen, weil es eine unglaubliche Arbeit ist, die zwar unglaublich viel Konzentration erfordert, aber gleichzeitig unglaublich langweilig ist. Außerdem fehlt die Hälfte aller Literatur, die ich jemals recherchiert habe, was so viel verschwendete Arbeitszeit bedeutet, dass ich gar nicht drüber nachdenken mag. Ich habe während meines Studiums und für die Arbeiten, die ich geschrieben habe, unglaublich viel Literatur rezipiert und kann auf so viel nicht so zugreifen, wie ich es gerne wollte. Dass ich keine ordentliche Systematik in meinem Recherche- und Ablagesystem habe, führt auch dazu, dass ich dauernd Texte, die ich schon recherchiert habe, vergesse, übersehe und nicht rezipiere. Entsprechend ist die Literaturliste für meine Masterarbeit gerade nicht halb so ordentlich und umfassend und tiefgehend, wie ich es gerne hätte. Und folglich bin ich jedes Mal, wenn ich über das Kapitel zum Forschungsstand nachdenke, extrem unglücklich, weil es nicht so ist, wie ich es am liebsten hätte.

Was mir auch jemand hätte sagen sollen ist: Bennene alle Scanns einheitlich. Lege sie systematisch ab. (Und Systematisch bedeutet nicht, dass sie in irgendwelchen sub-sub-sub-Ordnern zu Seminaren liegen, sondern in einem Ordner mit allen Texten, die du je gelesen hast. Lass dein Verwaltungsprogramm darauf zugreifen. Aber verhindere, dass es jemals irgendwas aus diesem Ordner löschen darf. Schütze diesen Ordner mit allen Möglichkeiten, er ist dein Heiligtum, DEIN SCHATZ.

Bleibt mir nur, es in Zukunft besser zu machen. Vermutlich werde ich (falls das mit der Promotion klappt) in der nächsten Zeit noch genug Texte und Dokumente ansammeln. Und vielleicht werde ich an einem langen Winterabend mal meine gesammelten Texte systematisch sortieren und ablegen (das Dia-Projekt von Wissenschaftlern sozusagen).

Was ist die Idee von Europa?

Seit Wochen gibt es eigentlich nur noch zwei Themen in den Nachrichten: Brutalität von radikalen Klein- und Splittergruppen in der halben Welt und Flüchtlinge in Europa. Genauer betrachtet sind das natürlich nur die beiden Seiten des gleichen Problems. Denn die Flüchtlinge kommen ja gerade, weil sie zuhause solche Gewalt erleben müssen und von den radikalen Gruppen verfolgt werden. Imho gilt das nicht nur für Syrer. Seit etwa einer Woche kann ich morgens immerhin nicht mehr nur die Nachrichten von angezündeten Flüchtlingsunterkünften, auf der Flucht gestorbenen Menschen, Schleppern, Nazis, Rassisten, Brutlität, Gewalt, Zerstörung und Verderben lesen. Denn seit ein paar Tagen passieren Dinge, die mir wenigstens etwas Mut geben, dass die Menschen in Europa nach zwei brutalen Kriegen verstanden haben, dass sie Frieden nicht haben können, wenn sie Menschengruppen marginalisieren und ausgrenzen. Dass nicht Hass sondern Solidarität und Mitgefühl dazu führen, dass wir in einer besseren Gesellschaft leben können. Seit ein paar Tagen sind meine Nachrichten nicht mehr nur voll von Entsetzen und Hilflosigkeit und “warum tut denn niemand was” sondern voller Hilfs- und Schutzangeboten für Flüchtlinge. Natürlich sind die anderen Nachrichten auch noch da, aber ich habe doch wieder etwas Hoffnung geschöpft, dass die guten Menschen nicht nur in der Überzahl sind, sondern es doch einmal schaffen können, sich durch zu setzen.

Meiner Meinung nach gibt es in diesem Zusammenhang zwei wichtige Punkte: Zum einen sind da die Menschen, die sich vor Flüchtlingsunterkünfte stellen, wenn diese angegriffen werden; die Menschen, die Hilfsgüter sammeln und weitergeben wie beispielsweise vor dem Landesamt für Gesundheit und Soziales in Berlin; die unglaubliche Zahl an Menschen, die in Wien die aus Budapest ankommenden Flüchtlinge begrüßt und versorgt. Und zum anderen sind da die Menschen, die öffentlich darüber reflektieren, wie es ist Flüchtling zu sein, die in unglaublich vielen Berichten daran erinnern, dass auch in Deutschland vor nicht all zu langer Zeit viele Menschen fliehen mussten, die darauf hin weisen, wie wichtig es ist menschlich zu bleiben und zu verstehen, dass es hier immer noch um Menschen geht. (Links zum Thema hat beispielsweise Maximilian Buddenbohm hierhier, hier und hier gesammelt. Ich weiß auch nicht wie es kommt, dass ich immer auf ihn verlinke, wenn es um informative Linksammlungen geht.) Diese beiden Gruppen zusammen (die Hilfsbereiten und die Nachdenklichen, wenn man so möchte) zeigen mir, dass es in Europa genug Menschen gibt, die sich mehr Menschlichkeit für alle wünschen. Die eine Idee von Europa haben, das mehr ist, als eine reine Wirtschaftsunion. Die für Hilfsbereitschaft, Solidarität und Für-einander-Einstehen sind.

Dem gegenüber stehen irgendwie die europäischen Politiker, die insgesamt den Eindruck vermitteln, in einer völligen Schockstarre gefangen zu sein. Die Angst zu haben scheinen, dass irgendetwas Schlimmes passiert, wenn sie anfangen zu handeln. Die darauf hoffen, dass abwarten oder gar blockieren etwas bringen könnte. @amina_you hat so zusammengefasst:

Tweet @aminayou

In einer Welt, in der jeden Tag Menschen so massiv bedroht, gefoltert und ermordet werden, ist es nicht verwunderlich, wenn die Menschen fliehen. Und natürlich fliehen sie nach Europa. Hier ist es sicher. Wir leben in der längsten Friedensperiode, die es hier je gab. Wir haben unglaublichen Wohlstand – auch wenn der manchmal ziemlich ungleich verteilt ist. Niemand wird irgendjemanden aufhalten können, hier her zu kommen. Zumindest nicht, solange die Menschen in ihrer Heimat keine Perspektive für sich mehr sehen. – Mir persönlich reichen die paar Albträume von Verfolgung, Bedrohung, Angst und Gefährdung, nach denen ich nicht mehr einschlafen konnte völlig aus, um Mitgefühl zu haben.

Die aktuellen Probleme – und dabei ist es egal, ob es sich um Flüchtlinge oder Schuldenprobleme handelt – können die europäischen Staaten meiner Meinung nach nur gemeinsam lösen. Wenn nicht die einen für die anderen einstehen, meinetwegen mit Murren, aber doch aus Solidarität, dann wird ein einiges Europa noch mehr zerbrechen anstatt weiter zusammen zu wachsen. Ich persönlich halte das für eine falsche und gefährliche Entwicklung. Deshalb glaube ich schon seit längerem, dass es wichtig ist, das Bewusstsein dafür zu stärken, dass Europa genug Gemeinsamkeiten hat, um zusammen zu halten. Ich meine beobachten zu können, dass die meisten normalen Menschen genug Solidarität für andere Europäer und für Flüchtlinge aufbringen. Ich denke, es gibt genug Menschen, die zwar einerseits über seltsame EU-Verordnungen murren, aber andererseits doch eine gemeinsame Währung und offene Grenzen praktisch finden. Und die vielleicht Verständnis dafür aufbringen könnten, dass für diese Freiheit auch notwendig ist, dass man eine gemeinsame Politik macht.

Mich wundert nicht, das in Budapest und Wien vor den Regelungen von Dublin II 1 kapituliert wird. Wie ungerecht ist diese Regelung, wo doch die meisten reichen europäischen Staaten keine EU-Außengrenzen haben, über die Flüchtlinge kommen. Und ich finde, es zeugt ganz deutlich von europäischer Solidarität, wenn Bürger in Wien, München und Dresden dafür sorgen, dass die Flüchtlinge willkommen geheißen werden, wenn sie anderswo nicht willkommen sind und die Politik vor solchen Problemen versagt.

Ich glaube, es wäre wünschenswert, wenn wir, die normalen Menschen, überall in Europa darüber nachdenken und öffentlich sprechen, warum wir für Solidarität und Mitgefühl sind. Wir sollten darüber schreiben, was unsere Idee von Europa ist, was wir von Europa erwarten und für Europa tun wollen. Ich wünschte es gäbe ein über-europäisches Medium. Ich möchte Berichte von belgischen, bulgarischen, dänischen, deutschen, estnischen, finnischen, französischen, griechischen, großbritannischen, irischen, italienischen, kroatischen, lettischen, litauischen, luxemburgischen, maltesischen, niederländischen, österreichischen, polnischen, portugiesischen, rumänischen, schwedischen, slowenischen, slowakischen, spanischen, tschechischen, ungarischen, zypriotischen Bürgern lesen. Ich möchte wissen, wie sie über die Europäische Union denken, wie sie leben, was sie fühlen, woran sie glauben, was sie brauchen und wie sie helfen können. Ich träume von einer Zeitung oder einem Blog, in dem diese Menschen schreiben können, in dem ihre Texte übersetzt werden – mindestens ins Englische, aber in meinem Traum in alle Sprachen der EU. Ich möchte, dass die europäische Vielstimmigkeit ein Forum bekommen kann. Eines, in dem diese Vielstimmigkeit positiv gesehen wird und als Vorteil. Möchte jemand mit mir ein solches Projekt aufziehen? Habt ihr Freunde im europäischen Ausland, die mitschreiben würden? Kennt ihr Leute, die Texte übersetzen können oder könnte es selbst? Wer kann eine Seite bauen? Wer sie hosten? Wer möchte sich an der Redaktion beteiligen?

Haben überhaupt andere Leute als ich Interesse an einer solchen Aktion?

  1. Flüchtlinge müssen im ersten sicheren Einreiseland Asyl beantragen

Eine Nähmaschine!!!

Das beste Geburtstagsgeschenk seit langem! (Es ist jetzt fast zwei Wochen her, aber sobald ich dran denke, dass ich jetzt eine eigene Nähmaschine habe, möchte ich noch immer Luftsprünge machen.)

Nähmaschine – verpackt. Ein super Geburtstagsgeschenk!

DANKE an Mama, Papa, Oma M., Opa M., Oma W., Opa W., Schwester, Bruder 1, Bruder 2, Freund. Ich hoffe euch ist klar, dass ihr zu Weihnachten alle selbstgenähte Textilien bekommt:)

Die schon erwähnte freie Zeit seit der Abgabe meiner Masterarbeit habe ich jedenfalls genutzt um fleißig zu nähen. Um die Nähmaschine erst mal kennen zu lernen habe ich mir zunächst was einfaches ausgesucht und eine Nackenrolle genäht.

Nackenrolle im Affendesing

Ich liebe ja bunte Stoffe! Und Farben. Und Muster. Solange ich mir selbst aussuchen kann, was drauf ist. Die Affen wären jetzt nicht meine erste Wahl gewesen, aber das Kissen ist ja auch nicht für mich <3.

Für mich ist dagegen eine Stiftrolle. Seit langem ärgere ich mich ständig darüber, dass ich meinen einen teuren Füller immer in einem Extrakästchen mit mir rumschleppe, weil ich nicht möchte, dass er in meinem Schlampermäppchen voller Kram zerkratzt. Aber irgendwie ist mir keine gute Lösung eingefallen. Dann stolperte ich bei der Suche nach Geburtstagsgeschenken auf Dawanda über hübsche Stiftrollen. Die Idee war zwar prinzipiell klasse, aber leider nutze ich normalerweise viel zu viele Stifte, um sie alle in einzelne Fächer zu packen. Und eine Rolle mit integriertem Mäppchen gab es nicht. (Inzwischen weiß ich auch warum.) Also dachte ich, naja, das muss doch ganz einfach gehen und habe ein Schnittmuster entworfen. Hübscher Stoff war auch schnell gefunden und das Produkt sieht so aus:

Stiftrolle, mit Schlampermäppchen und Extrafächern für Füller und Kleinkram

Stiftrolle geschlossen

Inzwischen weiß ich auch, warum es so was nicht zu kaufen gibt: Der Schlampermäppchenteil der Stiftrolle ist kaum zu nähen, weil man an alle Stellen nicht ordentlich hin kommt, nicht auf links (also von innen) arbeiten kann, da man dazu das Mäppchen umstülpen müsste, was wegen des langen Stoffteils aber nicht geht. Praktisch ist es trotzdem. Und ich liebe die Stoffkombinationen. Es passt perfekt zu mir!

Buddenbrook-Haus Lübeck

Das Museum ist so enttäuschend, dass ich kein einziges Foto gemacht habe. Das fängt damit an, dass das Haus leider schon von außen viel kleiner ist, als ich es mir vorgestellt habe. Im Eingang steht dann eine lebensgroße Figur von Thomas Mann, die ausgerechnet knallpink ist. Ich meine KNALL PINK. Thomas Mann. Man kommt dann zur Kasse, die gleichzeitig der Museumsshop ist. Dort habe ich sehr vermisst, dass die große kommentierte Frankfurter Ausgabe der Werke von Thomas Mann nicht wenigstens in einem Exemplar vorhanden war. Natürlich ist die super teuer und kaum einer wird sie kaufen, aber warum sollte man irgendwas von Thomas Mann ohne Kommentar lesen wollen? Bildungsauftrag!

Im Erdgeschoss ist ein riesiger Raum, in dem die Familiengeschichte der Manns erzählt wird. Dazu gibt es vor allem Texte. Ein paar Fotos, Briefe, Bücher. In der Mitte eine Hörstation und an einer Stelle ein Film. Ansonsten aber Flachware. Der Raum ist nur interessant, wenn man sich noch NIE mit den Manns beschäftigt hat. Aber eine Mann-Biographie von Inge und Walter Jens ist informativer und spannender. Die beiden können nämlich gut schreiben.

Im ersten Stock ist ein Raum für die Sonderausstellung. Dort ist kein Licht angemacht, alle Installationen der Ausstellung haben nicht funktioniert, als wir da waren. Es sah aus, als könne man zwei Filme ansehen. Und ansonsten gibt es die Möglichkeit sich ein eigenes “Buch” mit Meertexten zu basteln, indem man einen Schnellhefter nimmt und sich einzelne Blätter mit Texten von der Wand nimmt. LANGWEILIG. Und ich lese eigentlich wirklich gerne. Aber soo langweilig.

Im zweiten Stock schließlich die Buddenbrook-Ausstellung. Dort sind das “Landschaftszimmer” und der Speisesaal nachgebaut. Aber auch hier: Thomas Manns Beschreibungen und die Nachgestaltung – was für ein trauriger Unterschied. Alles wirkt plötzlich viel kleiner und weniger reich als im Roman. Außerdem wirken die Räume irgendwie seltsam unbelebt und tot. Vermutlich vor allem deshalb, weil alle Möbel abgedeckt sind, als wären die Buddenbrooks gerade auf einer längeren Reise. Am spannendsten sind noch Zettelchen in den Räumen, die auf verschiedene Stellen des Romans verweisen. Ansonsten wird das Stockwerk vor allem von einer riesigen Bibliothek eingenommen, die man als normaler Besucher aber noch nicht mal betreten darf. Es gibt eine coole Station an der man verschiedene Film-Versionen des Romans vergleichen kann, die eingesetzte Technik ist allerdings leider ziemlich veraltet und nicht gerade selbsterklärend. An mehreren Steelen gibt es außerdem Hintergrundinformationen zu den Buddenbrooks. Aber wieder wird hauptsächlich Text gezeigt und ausgestellt.

Insgesamt hatte ich bei meinem Besuch den starken Eindruck, dass das Museum viele Chancen nicht nutzt. Meins Wissens ist das Buddenbrookhaus, das einzige Literaturmuseum in Deutschland, das einen Roman zum Gegenstand hat und nicht einen Autor. Leider kommt das nicht so sehr zur Geltung, wie es sollte. Zudem handelt es sich bei den Buddenbrooks auch noch um einen Roman, der mit äußerstem Detail die verschiedenen Räume, Orte und Personen beschreibt. Mit etwas Kreativität sollten doch passende Möbel, Kleidungsstücke, Dekoration, Geschirr, Bücher… zu beschaffen sein, die zeigen, wie die Buddenbrooks so leben. Mir steht die Familie viel zu wenig im Mittelpunkt. Die einzelnen Figuren werden nicht erklärt. Man könnte doch so einfach so tun, als wären die Buddenbrooks eine “reale” Familie. Und hätte viel weniger Probleme damit, dass die Museen immer nur eine Geschichte erzählen können, auch über reale Menschen. Denn man könnte einfach eine Geschichte nacherzählen. So viele typische Legitimationsprobleme für ein Museum wären nicht gegeben, wenn man einfach ein echtes Literaturmuseum machen würde und den Roman ausstellte!

Da das Museum bis 2018 renoviert werden soll, hoffe ich sehr, dass dann der Schwerpunkt stärker auf die Familie Buddenbrook gesetzt wird.

Lübeck

Am zweiten Tag meines Lübeck-Besuchs waren wir dann tatsächlich auch in Lübeck. Da meine Freundin dort her kommt, konnte sie mir unglaublich viel erzählen. Leider habe ich mir nicht mal ein Viertel aller Informationen merken können, aber ich mag es wirklich, wenn mir jemand die ganze Zeit etwas zu den Dingen erzählt, die ich gerade sehe.

Da sie etwas außerhalb der Stadt wohnt, sind wir erst 30 Minuten mit dem Rad in die Stadt gefahren. Bei wunderschönem Sommerwetter macht es richtig Spaß durch Wiesen und Felder zu fahren und sich am schönen Farbenspiel zu freuen, Kühe zu bestaunen und ein bisschen “Natur” zu sehen. In Lübeck waren wir zuerst am Dom, der einen Eingang hat, der “Paradies” heißt, weil die beiden Straßen die dorthin führen “Fegefeuer” und “Hölle” heißen. Der Dom hat ein wunderschönes modernes Fenster und einen tollen geschnitzen Altarraum. Ansonsten ist mir auch hier wieder aufgefallen, wie leer die gotischen Kirchenräume wirken.

Der Lübecker Dom vom Ententeich gesehen

Moderne Kirchenfester im Lübecker Dom

Das schöne an Lübeck ist ja, dass es überall Wasser gibt. Die eigentliche Altstadt ist sogar eine Insel, die zwischen Trave, Kanal und Wakenitz liegt. In der Folge gibt es überall wunderschöne Blicke über Wasser auf die Stadt. Am beliebtesten ist wohl der Malerwinkel:

Lübecker Malerwinkel an der Trave

Hübsch da. Die Wege sind alle neu angelegt und der Grünstreifen am Wasser ist ein wunderschöner Ort für kleine Pausen zwischendurch. Baden kann man besser im Krähenteich Ententeich (Update: ich wurde darauf hingewiesen, dass der Teich Ententeich heißt), wo es auch ein Schwimmbad gibt. Vom Malerwinkel ist es nur noch ein kleiner Sprung zum bekanntesten Lübecker Wahrzeichen, dem Holstentor. Irgendeine Informationstafel sagt, dass es an die Stadt Rom erinnern soll. Aber außer den Buchstaben S.P.Q.L (Senat Populusque Lübeck) haben wir keine Parallelen gefunden. Auch Wikipedia hat dabei nicht weiter geholfen. Ich hatte ja gehofft, dass irgendwie die sieben Hügel Roms architektonisch umgesetzt wurden oder bekannte römische Bauwerke zitiert werden. Das heute noch stehende Holstentor ist übrigens nur noch der Rest einer Wallanlage, die aus drei Toren bestand. Freundlicherweise hat die Stadt Lübeck Modelle für das äußere und das innere Holstentor aufgestellt, so dass man sehen kann, wie diese aussahen.

Blick auf das Holstentor

Wenn man von außerhalb auf das Tor zugeht, sieht man rechts und links zwei liegende Löwen, auf denen man hervorragend herumklettern und Quatsch machen kann. Ob die auch an Heinrich den Löwen erinnern sollen (so wie eine Löwenstatue im Dom) oder nur ganz allgemein für Macht stehen sollen ist nicht ganz klar. Heinrich der Löwe hat die Stadt Lübeck, wie so viele andere gegründet.1 Wenn man vom Holstentor zur Petrikirche geht, um dort auf den Kirchturm zu steigen, kann man sehr gut am Puppenmuseum des Lübecker Figurentheaters vorbei gehen und sich über den schönen Drachen am Eingang freuen.

Drache am Puppenmuseum

Die Petrikriche ist eine der vielen Norddeutschen Kirchen, die als Galerie oder sonstiger Raum genutzt wird. Entsprechend ist sie einfach nur weiß ausgemalt und innen relativ langweilig. Aber man soll ja auch die ausgestellte moderne Kunst ansehen. Vom Kirchturm aus hat man einen wundervollen Blick über die Stadt. Allerdings sollte man nicht ohne Teleobjektiv versuchen das Rathaus zu fotografieren. Irgendwie verdirbt das neue Gebäude von Peek&Cloppenburg das Bild.

Aussicht über Lübeck vom Turm der Petrikriche

Anschließend waren wir im Rathskeller Mittagessen. Dort gibt es lauter kleine Séparées, die bekannten Lübecker Persönlichkeiten gewidmet waren. Leider waren Thomas und Heinrich Mann schon besetzt, aber Erich Mühsam war noch frei.

Séparée im Rathskeller Lübeck

An der Wand hängen Bilder, sein Abschlusszeugnis, ein Lebenslauf und während der Wartezeit kann man Spass daran haben, das in Sütterlin ausgefüllte Zeugnis zu entziffern. Dass Essen im Rathskeller ist übrigens sehr gutbürgerlich, vielleicht hätte ich doch einfach Fisch essen sollen, anstatt Nudeln mit Pilz-Sahnesoße.

Danach waren wir in der Marienkirche, die wohl am besten erhalten ist. Um die Marienkirche ranken sich verschiedene Legenden. So erzählte mir meine Freundin beispielsweise, dass beim Bau der Kirche der Teufel vorbei kam und wissen wollte, was da gebaut würde. Die Bauherren antworteten, es sei ein Wirtshaus. Da das dem Teufel gefiel (Trunkenheit, Saus und Braus, Schlägereien, Wollust, Verderben!) half er beim Bau. Als das Gebäude aber immer größer wurde, merkte der Teufel, dass er hereingelegt worden war. Also nahm er einen großen Stein und versuchte ihn auf den Kirchenbau zu werfen, um ihn so zu zerstören. Zum Glück war der Stein aber zu schwer und fiel herunter, bevor er die Kirche treffen konnte. Heute erinnert eine kleine Bronze an diese Legende.

Teufel vor der Marienkirche Lübeck

Im Innenraum gibt es eine wunderschöne Decke. Ich liebe Kirchendecken. Ich gucke immer zu allererst nach oben. Und dann sehe ich nach der Orgel.

Decke der Marienkirche Lübeck

Außerdem gibt es in der Marienkirche eine astronomische Uhr, die wunderschön blau ist. Ich hätte sehr lange davor stehen bleiben und sie ansehen können. Sie zeigt die Uhrzeit, hat einen Kalender von 1911-2080, bildet die Mondphasen und die Tierkreise ab.

astronomische Uhr in der Marienkirche Lübeck

Anschließend waren wir ihm Buddenbrook-Haus, dazu gibt es morgen einen Extra-Beitrag.

Gegen die Enttäuschung nach dem Museumsbesuch gingen wir zu Niederegger. Die haben wundervolle Marzipanskulpturen in sämtlichen Schaufenstern. Außerdem haben sie auch ein eigenes Museum im 2. Stock, wo sie etwas über die Geschichte des Marzipans erzählen und einen Film zeigen, wie bei Niederegger Marzipan hergestellt wird. Es ist ein Firmenmuseum und entsprechend teuer ausgestattet und unkritisch, aber immerhin liebevoll gemacht. Besonders toll sind die lebensgroßen Marzipanfiguren.

Marzipanmodell der sieben Türme von Lübeck im Niedereggerschaufenster

 

Wir haben unsere Stadtführung mit einem Spaziergang durch die Straßen Lübecks und die “Gänge” beendet. Das abendliche Sommerlicht war perfekt für viele wunderschöne Fotos und ließen die Straßen ganz besonders idyllisch wirken. Die Gänge sind vollgebaute Hinterhöfe, in denen lauter kleine Häuschen stehen, die abgeschieden liegen, begrünt sind und doch den Vorteil haben mitten in der Stadt zu liegen.

Lübecker Backsteinhaus.

Straßenbild in Lübeck

Besonders faszinierend finde ich ja auch, dass norddeutsche Straßen immer irgendwie wirken, als könnte gleich im Hinterhof das Meer beginnen.

Lübeck ist jedenfalls eine wunderschöne Stadt, viel größer als ich gedacht hätte und an einem Tag kann man noch nicht mal 1/4 all der spannenden Sachen richtig ansehen. Es gäbe noch so viele Museen, Theater, Ausstellungen, die wir alle nicht angucken konnten!

  1. Da brauchen die Braunschweiger gar nicht so stolz auf “Unser Haanrich” zu sein. Der war außerdem immer noch Herzog von Sachsen und Bayern. Hmmm, was die Braunschweiger wohl sagen würden, wenn man ihnen erzählt, dass sie eigentlich Bayern oder gar Sachsen sind 🙂